Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und rief hinaus: Siehst du, ich hör's, ich mach' dir doch nicht auf! schob das Fenster wieder zurück, sprang wie ein Jüngling in die Hühnerfedern seines Bettes und schnarchte weiter; der Pocher aber sprang jetzt wieder zum Fenster und rief ein paar Worte, welche der Herbstwind übertönte; er rief sie noch einmal und aus allen Kräften -- jetzt pochte dem alten Schuster im Bette das Herz, er erkannte die Stimme, es war nicht Sommer Hans -- es war -- doch der Meister brummt: Warum klopft er auch so? ich hab's gesagt, ich mach' nicht auf und dabei bleibt's! Nicht so Trude; sie sprang aus dem Bette, warf mit zitternden Händen das Kleid über, schlüpfte aus der Thür und öffnete leise den Riegel draußen -- der Pocher hatte sie nicht gehört, sie glitt aus den Fußspitzen über den Rasen zur Hecke hin, hinter welcher verborgen sie mit heller Stimme rief: 's ist ja schon offen! Der Soldat, denn er war's, drehte sich nach der Geisterstimme um und sah keine lebende Seele, mit einem Fluch ging er nun zur offenen Hausthür, drehte sich aber noch einmal um -- eben trat der Mond hinter einer pechschwarzen Wolke hervor, und er sah fern über die Wiese ein weißes Kleid flattern, wie das mondscheingewebte einer leicht hinschwebenden Fee. Er starrte hin, bis der Mond wieder hinter die Wolke zurücktrat, dann schritt er in Gedanken über den seltsamen Empfang über die ausgetretene Schwelle und umarmte den alten Vater, welcher eben sein Lämpchen angezündet hatte; hierauf legte er den Czako ab, warf die ledernen Hand- und rief hinaus: Siehst du, ich hör's, ich mach' dir doch nicht auf! schob das Fenster wieder zurück, sprang wie ein Jüngling in die Hühnerfedern seines Bettes und schnarchte weiter; der Pocher aber sprang jetzt wieder zum Fenster und rief ein paar Worte, welche der Herbstwind übertönte; er rief sie noch einmal und aus allen Kräften — jetzt pochte dem alten Schuster im Bette das Herz, er erkannte die Stimme, es war nicht Sommer Hans — es war — doch der Meister brummt: Warum klopft er auch so? ich hab's gesagt, ich mach' nicht auf und dabei bleibt's! Nicht so Trude; sie sprang aus dem Bette, warf mit zitternden Händen das Kleid über, schlüpfte aus der Thür und öffnete leise den Riegel draußen — der Pocher hatte sie nicht gehört, sie glitt aus den Fußspitzen über den Rasen zur Hecke hin, hinter welcher verborgen sie mit heller Stimme rief: 's ist ja schon offen! Der Soldat, denn er war's, drehte sich nach der Geisterstimme um und sah keine lebende Seele, mit einem Fluch ging er nun zur offenen Hausthür, drehte sich aber noch einmal um — eben trat der Mond hinter einer pechschwarzen Wolke hervor, und er sah fern über die Wiese ein weißes Kleid flattern, wie das mondscheingewebte einer leicht hinschwebenden Fee. Er starrte hin, bis der Mond wieder hinter die Wolke zurücktrat, dann schritt er in Gedanken über den seltsamen Empfang über die ausgetretene Schwelle und umarmte den alten Vater, welcher eben sein Lämpchen angezündet hatte; hierauf legte er den Czako ab, warf die ledernen Hand- <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0027"/> und rief hinaus: Siehst du, ich hör's, ich mach' dir doch nicht auf! schob das Fenster wieder zurück, sprang wie ein Jüngling in die Hühnerfedern seines Bettes und schnarchte weiter; der Pocher aber sprang jetzt wieder zum Fenster und rief ein paar Worte, welche der Herbstwind übertönte; er rief sie noch einmal und aus allen Kräften — jetzt pochte dem alten Schuster im Bette das Herz, er erkannte die Stimme, es war nicht Sommer Hans — es war — doch der Meister brummt: Warum klopft er auch so? ich hab's gesagt, ich mach' nicht auf und dabei bleibt's! Nicht so Trude; sie sprang aus dem Bette, warf mit zitternden Händen das Kleid über, schlüpfte aus der Thür und öffnete leise den Riegel draußen — der Pocher hatte sie nicht gehört, sie glitt aus den Fußspitzen über den Rasen zur Hecke hin, hinter welcher verborgen sie mit heller Stimme rief: 's ist ja schon offen! Der Soldat, denn er war's, drehte sich nach der Geisterstimme um und sah keine lebende Seele, mit einem Fluch ging er nun zur offenen Hausthür, drehte sich aber noch einmal um — eben trat der Mond hinter einer pechschwarzen Wolke hervor, und er sah fern über die Wiese ein weißes Kleid flattern, wie das mondscheingewebte einer leicht hinschwebenden Fee. Er starrte hin, bis der Mond wieder hinter die Wolke zurücktrat, dann schritt er in Gedanken über den seltsamen Empfang über die ausgetretene Schwelle und umarmte den alten Vater, welcher eben sein Lämpchen angezündet hatte; hierauf legte er den Czako ab, warf die ledernen Hand-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
und rief hinaus: Siehst du, ich hör's, ich mach' dir doch nicht auf! schob das Fenster wieder zurück, sprang wie ein Jüngling in die Hühnerfedern seines Bettes und schnarchte weiter; der Pocher aber sprang jetzt wieder zum Fenster und rief ein paar Worte, welche der Herbstwind übertönte; er rief sie noch einmal und aus allen Kräften — jetzt pochte dem alten Schuster im Bette das Herz, er erkannte die Stimme, es war nicht Sommer Hans — es war — doch der Meister brummt: Warum klopft er auch so? ich hab's gesagt, ich mach' nicht auf und dabei bleibt's! Nicht so Trude; sie sprang aus dem Bette, warf mit zitternden Händen das Kleid über, schlüpfte aus der Thür und öffnete leise den Riegel draußen — der Pocher hatte sie nicht gehört, sie glitt aus den Fußspitzen über den Rasen zur Hecke hin, hinter welcher verborgen sie mit heller Stimme rief: 's ist ja schon offen! Der Soldat, denn er war's, drehte sich nach der Geisterstimme um und sah keine lebende Seele, mit einem Fluch ging er nun zur offenen Hausthür, drehte sich aber noch einmal um — eben trat der Mond hinter einer pechschwarzen Wolke hervor, und er sah fern über die Wiese ein weißes Kleid flattern, wie das mondscheingewebte einer leicht hinschwebenden Fee. Er starrte hin, bis der Mond wieder hinter die Wolke zurücktrat, dann schritt er in Gedanken über den seltsamen Empfang über die ausgetretene Schwelle und umarmte den alten Vater, welcher eben sein Lämpchen angezündet hatte; hierauf legte er den Czako ab, warf die ledernen Hand-
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Zitationshilfe: | Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/27>, abgerufen am 16.07.2024. |