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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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ist, aufgenommen und mit bestem Gelingen durchgeführt ist. Fein¬
sinnig ist Wittig überall auf die Intentionen Wallot's eingegangen
und hat in der Lösung technischer Probleme, sowie in der Behandlung
der dekorativen Motive und in der Formengebung der Gebrauchs¬
gegenstände eine erfinderische Vielseitigkeit an den Tag gelegt. So
sind auch hier viele Typen von vorbildlichem Werth für das Kunst¬
gewerbe geschaffen. Die imposante Raumfolge der Berathungssäle
im Obergeschoss ist auch in der Ausstattung eine schöne Einheit
geworden. Paneelen aus Kiefernholz mit einem warmen Farbenton
sind durchgängig zur Anwendung gekommen, die Wandflächen sind
mit gross gedachten wechselnden Ornamentmustern bedeckt und zwar
in Caseinfarben, die freihändig auf den Putz aufgetragen sind. Diese
Arbeiten sind von dem geschätzten Dekorationsmaler K. Lange aus¬
geführt. In den grösseren Sälen sind die Plafonds aus Gründen der
Akustik mit Holz getäfelt, meistens in einfachen Balkenlagen, in
den Thurmgemächern sind es schön gegliederte Kassetten. Der
Berathungssaal über dem Südportal wird ornamentale Wandmalereien
von O. Rieth erhalten und den Saal über der Restauration hat
M. Seliger sehr wirkungsvoll ausgemalt. Die Beleuchtungskörper
sind vorwiegend Ringkronen, dazu treten auch Kugellustres auf.
Bemerkenswerthe Neuerungen sind schliesslich die von Wittig er¬
fundenen Typen für die Tische und Wandschränke in den Berathungs-
sälen. Eine überraschende Leistung ist ferner der in Eisen und Glas
durchgeführte Bücherspeicher, welcher die stattlichen Abmessungen
von 46,59 m Länge und 13 m Breite aufweist. Streng rhythmisch
und doch wieder leicht und graziös bauen sich die vier Geschosse
der Bücherständer auf, der schilfgrüne Anstrich der Eisengestelle
giebt dem ernsten Interieur eine anmuthige Wirkung. Dadurch
ist auch in den engen Gängen des in gedrängtem Magazinsystem
angelegten Bücherspeichers eine ausreichende Tagesbeleuchtung erzielt.
Der Speicher bietet Raum für 300000 Bände. Ebenfalls in Eisen
ist die Registratur ausgebaut, eine Gallerie in halber Höhe der
Räume ermöglicht einen bequemen Zugang zu allen Theilen der

ist, aufgenommen und mit bestem Gelingen durchgeführt ist. Fein¬
sinnig ist Wittig überall auf die Intentionen Wallot's eingegangen
und hat in der Lösung technischer Probleme, sowie in der Behandlung
der dekorativen Motive und in der Formengebung der Gebrauchs¬
gegenstände eine erfinderische Vielseitigkeit an den Tag gelegt. So
sind auch hier viele Typen von vorbildlichem Werth für das Kunst¬
gewerbe geschaffen. Die imposante Raumfolge der Berathungssäle
im Obergeschoss ist auch in der Ausstattung eine schöne Einheit
geworden. Paneelen aus Kiefernholz mit einem warmen Farbenton
sind durchgängig zur Anwendung gekommen, die Wandflächen sind
mit gross gedachten wechselnden Ornamentmustern bedeckt und zwar
in Caseinfarben, die freihändig auf den Putz aufgetragen sind. Diese
Arbeiten sind von dem geschätzten Dekorationsmaler K. Lange aus¬
geführt. In den grösseren Sälen sind die Plafonds aus Gründen der
Akustik mit Holz getäfelt, meistens in einfachen Balkenlagen, in
den Thurmgemächern sind es schön gegliederte Kassetten. Der
Berathungssaal über dem Südportal wird ornamentale Wandmalereien
von O. Rieth erhalten und den Saal über der Restauration hat
M. Seliger sehr wirkungsvoll ausgemalt. Die Beleuchtungskörper
sind vorwiegend Ringkronen, dazu treten auch Kugellustres auf.
Bemerkenswerthe Neuerungen sind schliesslich die von Wittig er¬
fundenen Typen für die Tische und Wandschränke in den Berathungs-
sälen. Eine überraschende Leistung ist ferner der in Eisen und Glas
durchgeführte Bücherspeicher, welcher die stattlichen Abmessungen
von 46,59 m Länge und 13 m Breite aufweist. Streng rhythmisch
und doch wieder leicht und graziös bauen sich die vier Geschosse
der Bücherständer auf, der schilfgrüne Anstrich der Eisengestelle
giebt dem ernsten Interieur eine anmuthige Wirkung. Dadurch
ist auch in den engen Gängen des in gedrängtem Magazinsystem
angelegten Bücherspeichers eine ausreichende Tagesbeleuchtung erzielt.
Der Speicher bietet Raum für 300000 Bände. Ebenfalls in Eisen
ist die Registratur ausgebaut, eine Gallerie in halber Höhe der
Räume ermöglicht einen bequemen Zugang zu allen Theilen der

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[50/0056] ist, aufgenommen und mit bestem Gelingen durchgeführt ist. Fein¬ sinnig ist Wittig überall auf die Intentionen Wallot's eingegangen und hat in der Lösung technischer Probleme, sowie in der Behandlung der dekorativen Motive und in der Formengebung der Gebrauchs¬ gegenstände eine erfinderische Vielseitigkeit an den Tag gelegt. So sind auch hier viele Typen von vorbildlichem Werth für das Kunst¬ gewerbe geschaffen. Die imposante Raumfolge der Berathungssäle im Obergeschoss ist auch in der Ausstattung eine schöne Einheit geworden. Paneelen aus Kiefernholz mit einem warmen Farbenton sind durchgängig zur Anwendung gekommen, die Wandflächen sind mit gross gedachten wechselnden Ornamentmustern bedeckt und zwar in Caseinfarben, die freihändig auf den Putz aufgetragen sind. Diese Arbeiten sind von dem geschätzten Dekorationsmaler K. Lange aus¬ geführt. In den grösseren Sälen sind die Plafonds aus Gründen der Akustik mit Holz getäfelt, meistens in einfachen Balkenlagen, in den Thurmgemächern sind es schön gegliederte Kassetten. Der Berathungssaal über dem Südportal wird ornamentale Wandmalereien von O. Rieth erhalten und den Saal über der Restauration hat M. Seliger sehr wirkungsvoll ausgemalt. Die Beleuchtungskörper sind vorwiegend Ringkronen, dazu treten auch Kugellustres auf. Bemerkenswerthe Neuerungen sind schliesslich die von Wittig er¬ fundenen Typen für die Tische und Wandschränke in den Berathungs- sälen. Eine überraschende Leistung ist ferner der in Eisen und Glas durchgeführte Bücherspeicher, welcher die stattlichen Abmessungen von 46,59 m Länge und 13 m Breite aufweist. Streng rhythmisch und doch wieder leicht und graziös bauen sich die vier Geschosse der Bücherständer auf, der schilfgrüne Anstrich der Eisengestelle giebt dem ernsten Interieur eine anmuthige Wirkung. Dadurch ist auch in den engen Gängen des in gedrängtem Magazinsystem angelegten Bücherspeichers eine ausreichende Tagesbeleuchtung erzielt. Der Speicher bietet Raum für 300000 Bände. Ebenfalls in Eisen ist die Registratur ausgebaut, eine Gallerie in halber Höhe der Räume ermöglicht einen bequemen Zugang zu allen Theilen der

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/56>, abgerufen am 02.05.2024.