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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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Karyatiden und durch die decente Vergoldung einzelner Ornament¬
theile feinsinnig variirt. Besonders hervorzuheben sind noch die
reichen und schweren Schnitzereien am Tisch des Hauses, an der
Redner- und Präsidententribüne, sowie an den Brüstungen der Estrade.
Von auffallender Schönheit ist der hochragende Präsidentenstuhl, an
der Lehne ist ein zierliches nacktes Weib, die Gerechtigkeit mit der
Wage in einem Relief dargestellt. Zwei Berliner Tischlerfirmen
haben nach den detaillirten Zeichnungen Wallot' s die Holzarbeiten
des Sitzungssaales ausgeführt, und zwar G. Olm die Ost- und West¬
wand sowie die Stühle und Pulte und Gebr. Lüdtke die Nord- und
Südwand und die Schranken der Estrade. Die Bildhauerarbeiten
sind von Vogel und Giesecke modellirt. Die Zuhörertribünen ent¬
halten an der Westseite 244 Plätze für das Publikum und die Behörden,
an der Südseite besitzt die Presse 81 Plätze und der Bundesrath
14 Sessel. Die Hof- und die Diplomatenlogen befinden sich an der
Nordseite, jene weist 13 und diese 19 Lehnsessel auf. In innigem
Zusammenhang mit der Hofloge stehen die beiden kaiserlichen Salons
im Zwischengeschoss. Die Ausstattung ist eine glanzvolle, ohne dass
das feine Maass überschritten ist. Die Wände erglänzen in mehrfarbigem
Stuckmarmor, die Kapitale, Embleme, Gesimse und Kartuschen sind
reich vergoldet und die Kamine bestehen aus Marmor. Die ge¬
schmackvollen Möbel von Ferd. Vogts & Co. sind aus kostbarem
Neu-Guineaholz aus den deutschen Kolonien gefertigt.

Die Nebengeschosse treten in der künstlerischen Ausstattung
begreiflicher Weise hinter dem Hauptgeschoss zurück. Der Regierungs¬
baumeister Paul Wittig, der, wie schon erwähnt, 1890 den inneren
Ausbau der Nebengeschosse übernahm, hat bei seinen Arbeiten aus
gebotenen Sparsamkeitsrücksichten sich nur in engen Grenzen bewegen
dürfen. Diese Aufgabe war insofern eine schwierige, als mit ver¬
hältnissmässig geringen Mitteln doch die monumentale Würde des
Hauses zur Geltung zu bringen war. Es ist ein hohes Verdienst
Wittig's, dass auch in den Geschäfts- und Wirthschaftsräumen der
grosszügige Charakter, der der Wallot'schen Schöpfung aufgeprägt

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Karyatiden und durch die decente Vergoldung einzelner Ornament¬
theile feinsinnig variirt. Besonders hervorzuheben sind noch die
reichen und schweren Schnitzereien am Tisch des Hauses, an der
Redner- und Präsidententribüne, sowie an den Brüstungen der Estrade.
Von auffallender Schönheit ist der hochragende Präsidentenstuhl, an
der Lehne ist ein zierliches nacktes Weib, die Gerechtigkeit mit der
Wage in einem Relief dargestellt. Zwei Berliner Tischlerfirmen
haben nach den detaillirten Zeichnungen Wallot' s die Holzarbeiten
des Sitzungssaales ausgeführt, und zwar G. Olm die Ost- und West¬
wand sowie die Stühle und Pulte und Gebr. Lüdtke die Nord- und
Südwand und die Schranken der Estrade. Die Bildhauerarbeiten
sind von Vogel und Giesecke modellirt. Die Zuhörertribünen ent¬
halten an der Westseite 244 Plätze für das Publikum und die Behörden,
an der Südseite besitzt die Presse 81 Plätze und der Bundesrath
14 Sessel. Die Hof- und die Diplomatenlogen befinden sich an der
Nordseite, jene weist 13 und diese 19 Lehnsessel auf. In innigem
Zusammenhang mit der Hofloge stehen die beiden kaiserlichen Salons
im Zwischengeschoss. Die Ausstattung ist eine glanzvolle, ohne dass
das feine Maass überschritten ist. Die Wände erglänzen in mehrfarbigem
Stuckmarmor, die Kapitale, Embleme, Gesimse und Kartuschen sind
reich vergoldet und die Kamine bestehen aus Marmor. Die ge¬
schmackvollen Möbel von Ferd. Vogts & Co. sind aus kostbarem
Neu-Guineaholz aus den deutschen Kolonien gefertigt.

Die Nebengeschosse treten in der künstlerischen Ausstattung
begreiflicher Weise hinter dem Hauptgeschoss zurück. Der Regierungs¬
baumeister Paul Wittig, der, wie schon erwähnt, 1890 den inneren
Ausbau der Nebengeschosse übernahm, hat bei seinen Arbeiten aus
gebotenen Sparsamkeitsrücksichten sich nur in engen Grenzen bewegen
dürfen. Diese Aufgabe war insofern eine schwierige, als mit ver¬
hältnissmässig geringen Mitteln doch die monumentale Würde des
Hauses zur Geltung zu bringen war. Es ist ein hohes Verdienst
Wittig's, dass auch in den Geschäfts- und Wirthschaftsräumen der
grosszügige Charakter, der der Wallot'schen Schöpfung aufgeprägt

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[49/0055] Karyatiden und durch die decente Vergoldung einzelner Ornament¬ theile feinsinnig variirt. Besonders hervorzuheben sind noch die reichen und schweren Schnitzereien am Tisch des Hauses, an der Redner- und Präsidententribüne, sowie an den Brüstungen der Estrade. Von auffallender Schönheit ist der hochragende Präsidentenstuhl, an der Lehne ist ein zierliches nacktes Weib, die Gerechtigkeit mit der Wage in einem Relief dargestellt. Zwei Berliner Tischlerfirmen haben nach den detaillirten Zeichnungen Wallot' s die Holzarbeiten des Sitzungssaales ausgeführt, und zwar G. Olm die Ost- und West¬ wand sowie die Stühle und Pulte und Gebr. Lüdtke die Nord- und Südwand und die Schranken der Estrade. Die Bildhauerarbeiten sind von Vogel und Giesecke modellirt. Die Zuhörertribünen ent¬ halten an der Westseite 244 Plätze für das Publikum und die Behörden, an der Südseite besitzt die Presse 81 Plätze und der Bundesrath 14 Sessel. Die Hof- und die Diplomatenlogen befinden sich an der Nordseite, jene weist 13 und diese 19 Lehnsessel auf. In innigem Zusammenhang mit der Hofloge stehen die beiden kaiserlichen Salons im Zwischengeschoss. Die Ausstattung ist eine glanzvolle, ohne dass das feine Maass überschritten ist. Die Wände erglänzen in mehrfarbigem Stuckmarmor, die Kapitale, Embleme, Gesimse und Kartuschen sind reich vergoldet und die Kamine bestehen aus Marmor. Die ge¬ schmackvollen Möbel von Ferd. Vogts & Co. sind aus kostbarem Neu-Guineaholz aus den deutschen Kolonien gefertigt. Die Nebengeschosse treten in der künstlerischen Ausstattung begreiflicher Weise hinter dem Hauptgeschoss zurück. Der Regierungs¬ baumeister Paul Wittig, der, wie schon erwähnt, 1890 den inneren Ausbau der Nebengeschosse übernahm, hat bei seinen Arbeiten aus gebotenen Sparsamkeitsrücksichten sich nur in engen Grenzen bewegen dürfen. Diese Aufgabe war insofern eine schwierige, als mit ver¬ hältnissmässig geringen Mitteln doch die monumentale Würde des Hauses zur Geltung zu bringen war. Es ist ein hohes Verdienst Wittig's, dass auch in den Geschäfts- und Wirthschaftsräumen der grosszügige Charakter, der der Wallot'schen Schöpfung aufgeprägt 4

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/55>, abgerufen am 02.05.2024.