Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Zehntes Buch. Achtes Capitel. lich gleichsam ein Ganzes byzantinischer Geschichten zusam-menzustellen. Sehr lesenswürdig ist doch die Autobiographie die er hinterlassen hat. 1 Er erscheint darin als ein recht ehrlicher Patriot, freilich als ein solcher, der mit dem was um ihn her vorgeht, oftmals schlecht zufrieden ist: als ein überzeugter evangelischer Christ, ohne Parteiwesen, wie denn seine Religiosität nur dann und wann unwillkührlich hervor- bricht: und als ein Philologe, der das Alterthum in Fleisch und Blut verwandelt hat: die sinnreichsten Sprüche bieten sich seiner Erinnerung dar: man kann an ihm sehen, daß diese Elemente einander nicht widersprechen. Und Niemand sollte sagen, daß diese Studien in der Auf die Fortpflanzung der Studien allein kam es je- Wir brauchen nicht darauf zurückzukommen, wie sehr 1 Hieronymi Wolfii ad cl. v. Joannem Oporinum commen-
tariolus de vitae suae ratione ac potius fortuna, in den Oratt. Attic. v. Reiske, Tom. VIII, p. 773. Zehntes Buch. Achtes Capitel. lich gleichſam ein Ganzes byzantiniſcher Geſchichten zuſam-menzuſtellen. Sehr leſenswürdig iſt doch die Autobiographie die er hinterlaſſen hat. 1 Er erſcheint darin als ein recht ehrlicher Patriot, freilich als ein ſolcher, der mit dem was um ihn her vorgeht, oftmals ſchlecht zufrieden iſt: als ein überzeugter evangeliſcher Chriſt, ohne Parteiweſen, wie denn ſeine Religioſität nur dann und wann unwillkührlich hervor- bricht: und als ein Philologe, der das Alterthum in Fleiſch und Blut verwandelt hat: die ſinnreichſten Sprüche bieten ſich ſeiner Erinnerung dar: man kann an ihm ſehen, daß dieſe Elemente einander nicht widerſprechen. Und Niemand ſollte ſagen, daß dieſe Studien in der Auf die Fortpflanzung der Studien allein kam es je- Wir brauchen nicht darauf zurückzukommen, wie ſehr 1 Hieronymi Wolfii ad cl. v. Joannem Oporinum commen-
tariolus de vitae suae ratione ac potius fortuna, in den Oratt. Attic. v. Reiske, Tom. VIII, p. 773. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0482" n="470"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Achtes Capitel</hi>.</fw><lb/> lich gleichſam ein Ganzes byzantiniſcher Geſchichten zuſam-<lb/> menzuſtellen. Sehr leſenswürdig iſt doch die Autobiographie<lb/> die er hinterlaſſen hat. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Hieronymi Wolfii ad cl. v. Joannem Oporinum commen-<lb/> tariolus de vitae suae ratione ac potius fortuna,</hi> in den <hi rendition="#aq">Oratt.<lb/> Attic.</hi> v. Reiske, <hi rendition="#aq">Tom. VIII, p.</hi> 773.</note> Er erſcheint darin als ein recht<lb/> ehrlicher Patriot, freilich als ein ſolcher, der mit dem was<lb/> um ihn her vorgeht, oftmals ſchlecht zufrieden iſt: als ein<lb/> überzeugter evangeliſcher Chriſt, ohne Parteiweſen, wie denn<lb/> ſeine Religioſität nur dann und wann unwillkührlich hervor-<lb/> bricht: und als ein Philologe, der das Alterthum in Fleiſch<lb/> und Blut verwandelt hat: die ſinnreichſten Sprüche bieten<lb/> ſich ſeiner Erinnerung dar: man kann an ihm ſehen, daß<lb/> dieſe Elemente einander nicht widerſprechen.</p><lb/> <p>Und Niemand ſollte ſagen, daß dieſe Studien in der<lb/> zweiten Hälfte des Jahrhunderts in Abnahme gerathen ſeyen:<lb/> in die ja Sturm, Neander und Wolf zum großen Theil<lb/> gehören. Schon lebten ihre Nachfolger Rhodomann und<lb/> Sylburg.</p><lb/> <p>Auf die Fortpflanzung der Studien allein kam es je-<lb/> doch nicht an. Wir beſchäftigen uns mit einem Zeitalter,<lb/> von dem man nicht mit Unrecht geſagt hat, alle vier Fa-<lb/> cultäten ſeyen da im Grunde nur eine einzige geweſen, nem-<lb/> lich die der Grammatiker. Von der Herſtellung und Aus-<lb/> legung der Texte hieng jeder Fortſchritt ab.</p><lb/> <p>Wir brauchen nicht darauf zurückzukommen, wie ſehr<lb/> dieß in der gelehrten Theologie der Fall war, die eben auf<lb/> dieſem Grunde beruhte. Die Publication der Kirchenväter,<lb/> auch der lateiniſchen, um die ſich nach dem Vorgange des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [470/0482]
Zehntes Buch. Achtes Capitel.
lich gleichſam ein Ganzes byzantiniſcher Geſchichten zuſam-
menzuſtellen. Sehr leſenswürdig iſt doch die Autobiographie
die er hinterlaſſen hat. 1 Er erſcheint darin als ein recht
ehrlicher Patriot, freilich als ein ſolcher, der mit dem was
um ihn her vorgeht, oftmals ſchlecht zufrieden iſt: als ein
überzeugter evangeliſcher Chriſt, ohne Parteiweſen, wie denn
ſeine Religioſität nur dann und wann unwillkührlich hervor-
bricht: und als ein Philologe, der das Alterthum in Fleiſch
und Blut verwandelt hat: die ſinnreichſten Sprüche bieten
ſich ſeiner Erinnerung dar: man kann an ihm ſehen, daß
dieſe Elemente einander nicht widerſprechen.
Und Niemand ſollte ſagen, daß dieſe Studien in der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts in Abnahme gerathen ſeyen:
in die ja Sturm, Neander und Wolf zum großen Theil
gehören. Schon lebten ihre Nachfolger Rhodomann und
Sylburg.
Auf die Fortpflanzung der Studien allein kam es je-
doch nicht an. Wir beſchäftigen uns mit einem Zeitalter,
von dem man nicht mit Unrecht geſagt hat, alle vier Fa-
cultäten ſeyen da im Grunde nur eine einzige geweſen, nem-
lich die der Grammatiker. Von der Herſtellung und Aus-
legung der Texte hieng jeder Fortſchritt ab.
Wir brauchen nicht darauf zurückzukommen, wie ſehr
dieß in der gelehrten Theologie der Fall war, die eben auf
dieſem Grunde beruhte. Die Publication der Kirchenväter,
auch der lateiniſchen, um die ſich nach dem Vorgange des
1 Hieronymi Wolfii ad cl. v. Joannem Oporinum commen-
tariolus de vitae suae ratione ac potius fortuna, in den Oratt.
Attic. v. Reiske, Tom. VIII, p. 773.
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