ganzen Romzug zu erhöhen. Es bezeichnet die Einfachheit der Epoche, daß sie den ersten Termin dieser Zahlung auf Weihnachten ansetzten, weil man den Unterthanen Zeit lassen müsse ihre Ernte einzubringen und zu verkaufen. 1
Seit vielen Jahrhunderten hatte nie ein Kaiser eine grö- ßere Hingebung erfahren. Bemerken wir nur mit welcher Rücksicht ihm die gerechtesten Beschwerden vorgetragen wur- den. Denn gewiß lief es seiner Capitulation entgegen, daß er spanische Truppen ins Reich geführt und sie sogar hie und da in Besatzung gelegt hatte. Nichts erregte lebhaftere Klagen, und endlich entschlossen sich die Stände auf den An- trag von Pfalz, die Abschaffung dieses Kriegsvolks in Er- innerung zu bringen. Sie thaten das aber nur, indem sie die Worte wegließen die dem Kaiser hätten empfindlich fallen können: spanisch, fremd: und es dem kaiserlichen Ermessen überließen, ob die Zeit dazu schon gekommen. Der Kaiser er- wiederte: er wisse wohl, daß die Klagen die man gegen sein Kriegsvolk erhebe, größtentheils ungegründet seyen, doch wolle er sie untersuchen lassen: an der Abschaffung der Mannschaf- ten aber werde er durch unvermeidliche Nothwendigkeit gehin- dert. Und für diese "allergnädigste" Antwort nun, die doch abschläglich ist, danken ihm die Stände unterthänigst, flehen ihn nur an, das nothwendige Einsehen zu haben: dann werde er ein gottgefällig Werk thun: "so sind es", schließen sie, "gemeine Stände um Kaiserl. Majestät auch unterthänigst zu verdienen willig, und thun sich derselben zu Gnaden hie- mit unterthänigst befehlen." Welch eine Häufung des Gnä-
1 Bedenken des Ausschusses 28 Mai; Antwort der Stände 5 Juni; Kaiserl. Resolution 6 Juni; der Stände letzte Antwort 10 Juni.
Anſehen CarlsV.
ganzen Romzug zu erhöhen. Es bezeichnet die Einfachheit der Epoche, daß ſie den erſten Termin dieſer Zahlung auf Weihnachten anſetzten, weil man den Unterthanen Zeit laſſen müſſe ihre Ernte einzubringen und zu verkaufen. 1
Seit vielen Jahrhunderten hatte nie ein Kaiſer eine grö- ßere Hingebung erfahren. Bemerken wir nur mit welcher Rückſicht ihm die gerechteſten Beſchwerden vorgetragen wur- den. Denn gewiß lief es ſeiner Capitulation entgegen, daß er ſpaniſche Truppen ins Reich geführt und ſie ſogar hie und da in Beſatzung gelegt hatte. Nichts erregte lebhaftere Klagen, und endlich entſchloſſen ſich die Stände auf den An- trag von Pfalz, die Abſchaffung dieſes Kriegsvolks in Er- innerung zu bringen. Sie thaten das aber nur, indem ſie die Worte wegließen die dem Kaiſer hätten empfindlich fallen können: ſpaniſch, fremd: und es dem kaiſerlichen Ermeſſen überließen, ob die Zeit dazu ſchon gekommen. Der Kaiſer er- wiederte: er wiſſe wohl, daß die Klagen die man gegen ſein Kriegsvolk erhebe, größtentheils ungegründet ſeyen, doch wolle er ſie unterſuchen laſſen: an der Abſchaffung der Mannſchaf- ten aber werde er durch unvermeidliche Nothwendigkeit gehin- dert. Und für dieſe „allergnädigſte“ Antwort nun, die doch abſchläglich iſt, danken ihm die Stände unterthänigſt, flehen ihn nur an, das nothwendige Einſehen zu haben: dann werde er ein gottgefällig Werk thun: „ſo ſind es“, ſchließen ſie, „gemeine Stände um Kaiſerl. Majeſtät auch unterthänigſt zu verdienen willig, und thun ſich derſelben zu Gnaden hie- mit unterthänigſt befehlen.“ Welch eine Häufung des Gnä-
1 Bedenken des Ausſchuſſes 28 Mai; Antwort der Staͤnde 5 Juni; Kaiſerl. Reſolution 6 Juni; der Staͤnde letzte Antwort 10 Juni.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0043"n="31"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Anſehen Carls</hi><hirendition="#aq">V.</hi></fw><lb/>
ganzen Romzug zu erhöhen. Es bezeichnet die Einfachheit<lb/>
der Epoche, daß ſie den erſten Termin dieſer Zahlung auf<lb/>
Weihnachten anſetzten, weil man den Unterthanen Zeit laſſen<lb/>
müſſe ihre Ernte einzubringen und zu verkaufen. <noteplace="foot"n="1">Bedenken des Ausſchuſſes 28 Mai; Antwort der Staͤnde<lb/>
5 Juni; Kaiſerl. Reſolution 6 Juni; der Staͤnde letzte Antwort<lb/>
10 Juni.</note></p><lb/><p>Seit vielen Jahrhunderten hatte nie ein Kaiſer eine grö-<lb/>
ßere Hingebung erfahren. Bemerken wir nur mit welcher<lb/>
Rückſicht ihm die gerechteſten Beſchwerden vorgetragen wur-<lb/>
den. Denn gewiß lief es ſeiner Capitulation entgegen, daß<lb/>
er ſpaniſche Truppen ins Reich geführt und ſie ſogar hie<lb/>
und da in Beſatzung gelegt hatte. Nichts erregte lebhaftere<lb/>
Klagen, und endlich entſchloſſen ſich die Stände auf den An-<lb/>
trag von Pfalz, die Abſchaffung dieſes Kriegsvolks in Er-<lb/>
innerung zu bringen. Sie thaten das aber nur, indem ſie<lb/>
die Worte wegließen die dem Kaiſer hätten empfindlich fallen<lb/>
können: ſpaniſch, fremd: und es dem kaiſerlichen Ermeſſen<lb/>
überließen, ob die Zeit dazu ſchon gekommen. Der Kaiſer er-<lb/>
wiederte: er wiſſe wohl, daß die Klagen die man gegen ſein<lb/>
Kriegsvolk erhebe, größtentheils ungegründet ſeyen, doch wolle<lb/>
er ſie unterſuchen laſſen: an der Abſchaffung der Mannſchaf-<lb/>
ten aber werde er durch unvermeidliche Nothwendigkeit gehin-<lb/>
dert. Und für dieſe „allergnädigſte“ Antwort nun, die doch<lb/>
abſchläglich iſt, danken ihm die Stände unterthänigſt, flehen<lb/>
ihn nur an, das nothwendige Einſehen zu haben: dann werde<lb/>
er ein gottgefällig Werk thun: „ſo ſind es“, ſchließen ſie,<lb/>„gemeine Stände um Kaiſerl. Majeſtät auch unterthänigſt<lb/>
zu verdienen willig, und thun ſich derſelben zu Gnaden hie-<lb/>
mit unterthänigſt befehlen.“ Welch eine Häufung des Gnä-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[31/0043]
Anſehen Carls V.
ganzen Romzug zu erhöhen. Es bezeichnet die Einfachheit
der Epoche, daß ſie den erſten Termin dieſer Zahlung auf
Weihnachten anſetzten, weil man den Unterthanen Zeit laſſen
müſſe ihre Ernte einzubringen und zu verkaufen. 1
Seit vielen Jahrhunderten hatte nie ein Kaiſer eine grö-
ßere Hingebung erfahren. Bemerken wir nur mit welcher
Rückſicht ihm die gerechteſten Beſchwerden vorgetragen wur-
den. Denn gewiß lief es ſeiner Capitulation entgegen, daß
er ſpaniſche Truppen ins Reich geführt und ſie ſogar hie
und da in Beſatzung gelegt hatte. Nichts erregte lebhaftere
Klagen, und endlich entſchloſſen ſich die Stände auf den An-
trag von Pfalz, die Abſchaffung dieſes Kriegsvolks in Er-
innerung zu bringen. Sie thaten das aber nur, indem ſie
die Worte wegließen die dem Kaiſer hätten empfindlich fallen
können: ſpaniſch, fremd: und es dem kaiſerlichen Ermeſſen
überließen, ob die Zeit dazu ſchon gekommen. Der Kaiſer er-
wiederte: er wiſſe wohl, daß die Klagen die man gegen ſein
Kriegsvolk erhebe, größtentheils ungegründet ſeyen, doch wolle
er ſie unterſuchen laſſen: an der Abſchaffung der Mannſchaf-
ten aber werde er durch unvermeidliche Nothwendigkeit gehin-
dert. Und für dieſe „allergnädigſte“ Antwort nun, die doch
abſchläglich iſt, danken ihm die Stände unterthänigſt, flehen
ihn nur an, das nothwendige Einſehen zu haben: dann werde
er ein gottgefällig Werk thun: „ſo ſind es“, ſchließen ſie,
„gemeine Stände um Kaiſerl. Majeſtät auch unterthänigſt
zu verdienen willig, und thun ſich derſelben zu Gnaden hie-
mit unterthänigſt befehlen.“ Welch eine Häufung des Gnä-
1 Bedenken des Ausſchuſſes 28 Mai; Antwort der Staͤnde
5 Juni; Kaiſerl. Reſolution 6 Juni; der Staͤnde letzte Antwort
10 Juni.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/43>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.