die Churfürsten machten, daß man nicht so viele Häupter auf einmal haben könne, durch die Abdankung wegfiel. Al- lein ich finde davon keinen Beweis. Noch vor dem Reichs- tag hatte der Kaiser seinem Bruder die Versicherung gege- ben, daß seine Absicht nicht dahin gehe: nach seiner Art nicht ausdrücklich, aber unzweideutig: daran hielt er fest.
In dem Briefwechsel zwischen beiden Brüdern in den Jahren 1555 und 1556, so weit ihn das Brüsseler Archiv aufbewahrt, findet sich überhaupt das alte herzliche Verhält- niß wieder, das früher so lange obgewaltet: war etwas da- zwischen vorgefallen, so war das nun so gut wie vergessen.
"Wo ich auch seyn möge," schreibt Carl am 19ten October 1555, zu einer Zeit wo von seiner nahen Abreise die Rede war, "immer werdet Ihr in mir meine alte brü- derliche Zuneigung finden, und ich will alles dafür thun, daß sich unsre Freundschaft auch unter den Unsern fortsetze."
"Ich darf versichern," antwortet Ferdinand, "daß ich nichts mehr wünsche, als in der Unterthänigkeit und brüder- lichen Freundschaft, die ich bisher gegen Ew. Majestät ge- hegt, bis ans Ende zu verharren: so bleibe es auch unter unserer Nachkommenschaft: ich werde die Meinen anweisen, daß sie denselben Weg wandeln."
Noch einmal versichert hierauf der Kaiser seinen Bru- der der Liebe die er ihm schuldig sey: das wisse Der, der sie geschaffen; ein großer Trost würde es ihm gewesen seyn, Ferdinand noch einmal vor seiner Abreise zu sprechen.
Ferdinand sendete wenigstens Maximilian, der sonst nicht in Gnaden gestanden; aber jetzt ward auch dieß Verhältniß ausgeglichen: alle gegenseitigen Ansprüche wurden freundlich
Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
die Churfürſten machten, daß man nicht ſo viele Häupter auf einmal haben könne, durch die Abdankung wegfiel. Al- lein ich finde davon keinen Beweis. Noch vor dem Reichs- tag hatte der Kaiſer ſeinem Bruder die Verſicherung gege- ben, daß ſeine Abſicht nicht dahin gehe: nach ſeiner Art nicht ausdrücklich, aber unzweideutig: daran hielt er feſt.
In dem Briefwechſel zwiſchen beiden Brüdern in den Jahren 1555 und 1556, ſo weit ihn das Brüſſeler Archiv aufbewahrt, findet ſich überhaupt das alte herzliche Verhält- niß wieder, das früher ſo lange obgewaltet: war etwas da- zwiſchen vorgefallen, ſo war das nun ſo gut wie vergeſſen.
„Wo ich auch ſeyn möge,“ ſchreibt Carl am 19ten October 1555, zu einer Zeit wo von ſeiner nahen Abreiſe die Rede war, „immer werdet Ihr in mir meine alte brü- derliche Zuneigung finden, und ich will alles dafür thun, daß ſich unſre Freundſchaft auch unter den Unſern fortſetze.“
„Ich darf verſichern,“ antwortet Ferdinand, „daß ich nichts mehr wünſche, als in der Unterthänigkeit und brüder- lichen Freundſchaft, die ich bisher gegen Ew. Majeſtät ge- hegt, bis ans Ende zu verharren: ſo bleibe es auch unter unſerer Nachkommenſchaft: ich werde die Meinen anweiſen, daß ſie denſelben Weg wandeln.“
Noch einmal verſichert hierauf der Kaiſer ſeinen Bru- der der Liebe die er ihm ſchuldig ſey: das wiſſe Der, der ſie geſchaffen; ein großer Troſt würde es ihm geweſen ſeyn, Ferdinand noch einmal vor ſeiner Abreiſe zu ſprechen.
Ferdinand ſendete wenigſtens Maximilian, der ſonſt nicht in Gnaden geſtanden; aber jetzt ward auch dieß Verhältniß ausgeglichen: alle gegenſeitigen Anſprüche wurden freundlich
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Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
die Churfürſten machten, daß man nicht ſo viele Häupter
auf einmal haben könne, durch die Abdankung wegfiel. Al-
lein ich finde davon keinen Beweis. Noch vor dem Reichs-
tag hatte der Kaiſer ſeinem Bruder die Verſicherung gege-
ben, daß ſeine Abſicht nicht dahin gehe: nach ſeiner Art
nicht ausdrücklich, aber unzweideutig: daran hielt er feſt.
In dem Briefwechſel zwiſchen beiden Brüdern in den
Jahren 1555 und 1556, ſo weit ihn das Brüſſeler Archiv
aufbewahrt, findet ſich überhaupt das alte herzliche Verhält-
niß wieder, das früher ſo lange obgewaltet: war etwas da-
zwiſchen vorgefallen, ſo war das nun ſo gut wie vergeſſen.
„Wo ich auch ſeyn möge,“ ſchreibt Carl am 19ten
October 1555, zu einer Zeit wo von ſeiner nahen Abreiſe
die Rede war, „immer werdet Ihr in mir meine alte brü-
derliche Zuneigung finden, und ich will alles dafür thun, daß
ſich unſre Freundſchaft auch unter den Unſern fortſetze.“
„Ich darf verſichern,“ antwortet Ferdinand, „daß ich
nichts mehr wünſche, als in der Unterthänigkeit und brüder-
lichen Freundſchaft, die ich bisher gegen Ew. Majeſtät ge-
hegt, bis ans Ende zu verharren: ſo bleibe es auch unter
unſerer Nachkommenſchaft: ich werde die Meinen anweiſen,
daß ſie denſelben Weg wandeln.“
Noch einmal verſichert hierauf der Kaiſer ſeinen Bru-
der der Liebe die er ihm ſchuldig ſey: das wiſſe Der, der ſie
geſchaffen; ein großer Troſt würde es ihm geweſen ſeyn,
Ferdinand noch einmal vor ſeiner Abreiſe zu ſprechen.
Ferdinand ſendete wenigſtens Maximilian, der ſonſt nicht
in Gnaden geſtanden; aber jetzt ward auch dieß Verhältniß
ausgeglichen: alle gegenſeitigen Anſprüche wurden freundlich
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/424>, abgerufen am 24.11.2024.
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