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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
geboren worden, und so viele ergebene Vasallen verlassen
müsse; der Tod seiner Mutter rufe ihn nach Spanien. 1

Auch Königin Maria legte in dieser Versammlung das
Amt einer Regentin nieder. Den andern Tag leisteten die
Stände dem neuen Fürsten den Eid der Treue.

Sogleich aber mußte sich das begonnene Ereigniß noch
einen Schritt weiter zu seiner letzten Vollendung entwickeln.

Da widrige Winde und ein Krankheitsanfall den Kai-
ser an sofortiger Abreise verhinderten, so wurden die wich-
tigsten Sachen, auch wenn sie z. B. Italien betrafen, wie
denn der florentinische Gesandte den Auftrag hatte den Kai-
ser von allem in Kenntniß zu setzen, nach wie vor an ihn
gebracht. Er wies sie nicht von sich; da er aber nicht ge-
sund genug war sie zu erledigen, und nur die Antipathien
und Reibungen der beiderseitigen Minister darüber erwach-
ten, so führte dieß zu einer Crisis, aus der die vollständige
Abdankung hervorgieng.

An sich leuchtet ein, daß bei den engen Beziehungen die
sich zwischen den Ländern des Kaisers gebildet, eine Trennung
derselben in zwei verschiedene Administrationen die größten
Schwierigkeiten darbot. Ganz unübersteiglich zeigten sie sich
in einem Augenblicke, wo ein neuer großer Krieg bevorstand.
Gegen Ende des Jahres liefen Nachrichten von einem zwi-
schen Paul IV, dem König von Frankreich und dem Her-

1 Die letzte Wendung berichtet der florentinische Gesandte. Über
die Rede des Kaisers giebt es überhaupt verschiedene Versionen, doch
stimmen sie in allem Wesentlichen überein. Eine der merkwürdigsten
ist die des Pontus Heuterus XIV, ii. Er begeht allerdings den Feh-
ler, den fast alle Geschichtschreiber theilen, daß er die Verhandlung
mit den Rittern v. g. Vl. auch auf den 25sten setzt. Das kann aber
seine Glaubwürdigkeit, namentlich über die Äußerlichkeiten, nicht schwä-
chen, da er selbst, 20 Jahr alt, der Versammlung beiwohnte.

Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
geboren worden, und ſo viele ergebene Vaſallen verlaſſen
müſſe; der Tod ſeiner Mutter rufe ihn nach Spanien. 1

Auch Königin Maria legte in dieſer Verſammlung das
Amt einer Regentin nieder. Den andern Tag leiſteten die
Stände dem neuen Fürſten den Eid der Treue.

Sogleich aber mußte ſich das begonnene Ereigniß noch
einen Schritt weiter zu ſeiner letzten Vollendung entwickeln.

Da widrige Winde und ein Krankheitsanfall den Kai-
ſer an ſofortiger Abreiſe verhinderten, ſo wurden die wich-
tigſten Sachen, auch wenn ſie z. B. Italien betrafen, wie
denn der florentiniſche Geſandte den Auftrag hatte den Kai-
ſer von allem in Kenntniß zu ſetzen, nach wie vor an ihn
gebracht. Er wies ſie nicht von ſich; da er aber nicht ge-
ſund genug war ſie zu erledigen, und nur die Antipathien
und Reibungen der beiderſeitigen Miniſter darüber erwach-
ten, ſo führte dieß zu einer Criſis, aus der die vollſtändige
Abdankung hervorgieng.

An ſich leuchtet ein, daß bei den engen Beziehungen die
ſich zwiſchen den Ländern des Kaiſers gebildet, eine Trennung
derſelben in zwei verſchiedene Adminiſtrationen die größten
Schwierigkeiten darbot. Ganz unüberſteiglich zeigten ſie ſich
in einem Augenblicke, wo ein neuer großer Krieg bevorſtand.
Gegen Ende des Jahres liefen Nachrichten von einem zwi-
ſchen Paul IV, dem König von Frankreich und dem Her-

1 Die letzte Wendung berichtet der florentiniſche Geſandte. Uͤber
die Rede des Kaiſers giebt es uͤberhaupt verſchiedene Verſionen, doch
ſtimmen ſie in allem Weſentlichen uͤberein. Eine der merkwuͤrdigſten
iſt die des Pontus Heuterus XIV, ii. Er begeht allerdings den Feh-
ler, den faſt alle Geſchichtſchreiber theilen, daß er die Verhandlung
mit den Rittern v. g. Vl. auch auf den 25ſten ſetzt. Das kann aber
ſeine Glaubwuͤrdigkeit, namentlich uͤber die Aͤußerlichkeiten, nicht ſchwaͤ-
chen, da er ſelbſt, 20 Jahr alt, der Verſammlung beiwohnte.
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[408/0420] Zehntes Buch. Sechstes Capitel. geboren worden, und ſo viele ergebene Vaſallen verlaſſen müſſe; der Tod ſeiner Mutter rufe ihn nach Spanien. 1 Auch Königin Maria legte in dieſer Verſammlung das Amt einer Regentin nieder. Den andern Tag leiſteten die Stände dem neuen Fürſten den Eid der Treue. Sogleich aber mußte ſich das begonnene Ereigniß noch einen Schritt weiter zu ſeiner letzten Vollendung entwickeln. Da widrige Winde und ein Krankheitsanfall den Kai- ſer an ſofortiger Abreiſe verhinderten, ſo wurden die wich- tigſten Sachen, auch wenn ſie z. B. Italien betrafen, wie denn der florentiniſche Geſandte den Auftrag hatte den Kai- ſer von allem in Kenntniß zu ſetzen, nach wie vor an ihn gebracht. Er wies ſie nicht von ſich; da er aber nicht ge- ſund genug war ſie zu erledigen, und nur die Antipathien und Reibungen der beiderſeitigen Miniſter darüber erwach- ten, ſo führte dieß zu einer Criſis, aus der die vollſtändige Abdankung hervorgieng. An ſich leuchtet ein, daß bei den engen Beziehungen die ſich zwiſchen den Ländern des Kaiſers gebildet, eine Trennung derſelben in zwei verſchiedene Adminiſtrationen die größten Schwierigkeiten darbot. Ganz unüberſteiglich zeigten ſie ſich in einem Augenblicke, wo ein neuer großer Krieg bevorſtand. Gegen Ende des Jahres liefen Nachrichten von einem zwi- ſchen Paul IV, dem König von Frankreich und dem Her- 1 Die letzte Wendung berichtet der florentiniſche Geſandte. Uͤber die Rede des Kaiſers giebt es uͤberhaupt verſchiedene Verſionen, doch ſtimmen ſie in allem Weſentlichen uͤberein. Eine der merkwuͤrdigſten iſt die des Pontus Heuterus XIV, ii. Er begeht allerdings den Feh- ler, den faſt alle Geſchichtſchreiber theilen, daß er die Verhandlung mit den Rittern v. g. Vl. auch auf den 25ſten ſetzt. Das kann aber ſeine Glaubwuͤrdigkeit, namentlich uͤber die Aͤußerlichkeiten, nicht ſchwaͤ- chen, da er ſelbſt, 20 Jahr alt, der Verſammlung beiwohnte.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/420>, abgerufen am 20.05.2024.