Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Berathungen über das Kammergericht.
der für das Innere erfundenen Einrichtungen auf die äußern
Verhältnisse beschränkte jeden Dienst, der dem Kaiser für seine
Kriege daraus entspringen konnte, auf Vertheidigung. Und
auch davon wurden nun seine Niederlande noch ausdrücklich
ausgeschlossen. Wie viel Mühe hatte er es sich im J. 1548
kosten lassen, um die Anerkennung der Niederlande als ei-
nes Reichskreises zu bewerkstelligen. Aber die Bedingung
die er dabei gemacht, die Exemtion von den Reichsgerich-
ten, hob jetzt den Nutzen auf, welchen er sich davon ver-
sprochen. Die Stände sagten kein Wort über den burgun-
dischen Vertrag: sie ließen ihn unangetastet stehn; aber der
Defensivverfassung im Reiche, welche sie beschlossen, gaben
sie eine solche Entwickelung, daß sie auf eximirte Lande wie
jene nicht mehr bezogen werden konnte. Es war dabei nicht
einmal Vorbedacht, kein übler Wille: es entsprang ganz aus
der Natur der Dinge.

Auch in einer andern großen Reichsangelegenheit, der
Sache des Kammergerichts, mußte man nach allem was
vorgegangen und den in Passau gefaßten Beschlüssen, von
den Anordnungen des Kaisers zurücktreten.

In dem Vertrag zu Passau war nach manchem Hin
und Herhandeln zuletzt Förderung bei dem Reichstage ver-
heißen, daß die Verwandten der augsburgischen Confession
von dem Kammergericht nicht mehr ausgeschlossen würden.

Der Zweideutigkeit dieses Ausdrucks suchten sich jetzt
einige geistliche Mitglieder des Churfürstencollegiums zu be-
dienen, um ihren Rath zu begründen, daß man alles beim
Alten lassen möge: denn nicht zu eigentlicher Beschlußnahme,
nur zur Förderung seyen sie verpflichtet.


Berathungen uͤber das Kammergericht.
der für das Innere erfundenen Einrichtungen auf die äußern
Verhältniſſe beſchränkte jeden Dienſt, der dem Kaiſer für ſeine
Kriege daraus entſpringen konnte, auf Vertheidigung. Und
auch davon wurden nun ſeine Niederlande noch ausdrücklich
ausgeſchloſſen. Wie viel Mühe hatte er es ſich im J. 1548
koſten laſſen, um die Anerkennung der Niederlande als ei-
nes Reichskreiſes zu bewerkſtelligen. Aber die Bedingung
die er dabei gemacht, die Exemtion von den Reichsgerich-
ten, hob jetzt den Nutzen auf, welchen er ſich davon ver-
ſprochen. Die Stände ſagten kein Wort über den burgun-
diſchen Vertrag: ſie ließen ihn unangetaſtet ſtehn; aber der
Defenſivverfaſſung im Reiche, welche ſie beſchloſſen, gaben
ſie eine ſolche Entwickelung, daß ſie auf eximirte Lande wie
jene nicht mehr bezogen werden konnte. Es war dabei nicht
einmal Vorbedacht, kein übler Wille: es entſprang ganz aus
der Natur der Dinge.

Auch in einer andern großen Reichsangelegenheit, der
Sache des Kammergerichts, mußte man nach allem was
vorgegangen und den in Paſſau gefaßten Beſchlüſſen, von
den Anordnungen des Kaiſers zurücktreten.

In dem Vertrag zu Paſſau war nach manchem Hin
und Herhandeln zuletzt Förderung bei dem Reichstage ver-
heißen, daß die Verwandten der augsburgiſchen Confeſſion
von dem Kammergericht nicht mehr ausgeſchloſſen würden.

Der Zweideutigkeit dieſes Ausdrucks ſuchten ſich jetzt
einige geiſtliche Mitglieder des Churfürſtencollegiums zu be-
dienen, um ihren Rath zu begründen, daß man alles beim
Alten laſſen möge: denn nicht zu eigentlicher Beſchlußnahme,
nur zur Förderung ſeyen ſie verpflichtet.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0391" n="379"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Berathungen u&#x0364;ber das Kammergericht</hi>.</fw><lb/>
der für das Innere erfundenen Einrichtungen auf die äußern<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;chränkte jeden Dien&#x017F;t, der dem Kai&#x017F;er für &#x017F;eine<lb/>
Kriege daraus ent&#x017F;pringen konnte, auf Vertheidigung. Und<lb/>
auch davon wurden nun &#x017F;eine Niederlande noch ausdrücklich<lb/>
ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Wie viel Mühe hatte er es &#x017F;ich im J. 1548<lb/>
ko&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en, um die Anerkennung der Niederlande als ei-<lb/>
nes Reichskrei&#x017F;es zu bewerk&#x017F;telligen. Aber die Bedingung<lb/>
die er dabei gemacht, die Exemtion von den Reichsgerich-<lb/>
ten, hob jetzt den Nutzen auf, welchen er &#x017F;ich davon ver-<lb/>
&#x017F;prochen. Die Stände &#x017F;agten kein Wort über den burgun-<lb/>
di&#x017F;chen Vertrag: &#x017F;ie ließen ihn unangeta&#x017F;tet &#x017F;tehn; aber der<lb/>
Defen&#x017F;ivverfa&#x017F;&#x017F;ung im Reiche, welche &#x017F;ie be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, gaben<lb/>
&#x017F;ie eine &#x017F;olche Entwickelung, daß &#x017F;ie auf eximirte Lande wie<lb/>
jene nicht mehr bezogen werden konnte. Es war dabei nicht<lb/>
einmal Vorbedacht, kein übler Wille: es ent&#x017F;prang ganz aus<lb/>
der Natur der Dinge.</p><lb/>
            <p>Auch in einer andern großen Reichsangelegenheit, der<lb/>
Sache des Kammergerichts, mußte man nach allem was<lb/>
vorgegangen und den in Pa&#x017F;&#x017F;au gefaßten Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en, von<lb/>
den Anordnungen des Kai&#x017F;ers zurücktreten.</p><lb/>
            <p>In dem Vertrag zu Pa&#x017F;&#x017F;au war nach manchem Hin<lb/>
und Herhandeln zuletzt Förderung bei dem Reichstage ver-<lb/>
heißen, daß die Verwandten der augsburgi&#x017F;chen Confe&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
von dem Kammergericht nicht mehr ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en würden.</p><lb/>
            <p>Der Zweideutigkeit die&#x017F;es Ausdrucks &#x017F;uchten &#x017F;ich jetzt<lb/>
einige gei&#x017F;tliche Mitglieder des Churfür&#x017F;tencollegiums zu be-<lb/>
dienen, um ihren Rath zu begründen, daß man alles beim<lb/>
Alten la&#x017F;&#x017F;en möge: denn nicht zu eigentlicher Be&#x017F;chlußnahme,<lb/>
nur zur Förderung &#x017F;eyen &#x017F;ie verpflichtet.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0391] Berathungen uͤber das Kammergericht. der für das Innere erfundenen Einrichtungen auf die äußern Verhältniſſe beſchränkte jeden Dienſt, der dem Kaiſer für ſeine Kriege daraus entſpringen konnte, auf Vertheidigung. Und auch davon wurden nun ſeine Niederlande noch ausdrücklich ausgeſchloſſen. Wie viel Mühe hatte er es ſich im J. 1548 koſten laſſen, um die Anerkennung der Niederlande als ei- nes Reichskreiſes zu bewerkſtelligen. Aber die Bedingung die er dabei gemacht, die Exemtion von den Reichsgerich- ten, hob jetzt den Nutzen auf, welchen er ſich davon ver- ſprochen. Die Stände ſagten kein Wort über den burgun- diſchen Vertrag: ſie ließen ihn unangetaſtet ſtehn; aber der Defenſivverfaſſung im Reiche, welche ſie beſchloſſen, gaben ſie eine ſolche Entwickelung, daß ſie auf eximirte Lande wie jene nicht mehr bezogen werden konnte. Es war dabei nicht einmal Vorbedacht, kein übler Wille: es entſprang ganz aus der Natur der Dinge. Auch in einer andern großen Reichsangelegenheit, der Sache des Kammergerichts, mußte man nach allem was vorgegangen und den in Paſſau gefaßten Beſchlüſſen, von den Anordnungen des Kaiſers zurücktreten. In dem Vertrag zu Paſſau war nach manchem Hin und Herhandeln zuletzt Förderung bei dem Reichstage ver- heißen, daß die Verwandten der augsburgiſchen Confeſſion von dem Kammergericht nicht mehr ausgeſchloſſen würden. Der Zweideutigkeit dieſes Ausdrucks ſuchten ſich jetzt einige geiſtliche Mitglieder des Churfürſtencollegiums zu be- dienen, um ihren Rath zu begründen, daß man alles beim Alten laſſen möge: denn nicht zu eigentlicher Beſchlußnahme, nur zur Förderung ſeyen ſie verpflichtet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/391
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/391>, abgerufen am 09.05.2024.