Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehntes Buch. Fünftes Capitel.
schlägen wurden einige schon innerhalb des Fürstenraths be-
seitigt; die übrigen zu verwerfen, blieb den Churfürsten über-
lassen, deren Gutachten zuletzt in diesem, wie in den mei-
sten andern Puncten angenommen und zum Reichsgesetz er-
hoben ward.

Und nicht allein gegen innere Unruhen sollte die neue
Ordnung dienen, sondern man beschloß sie auch bei den An-
griffen auswärtiger Feinde in Anwendung zu bringen.

Nur erhob sich hiebei der Zweifel, ob die Verpflich-
tung einem Kreise zu Hülfe zu kommen auch auf den nie-
derländischen erstreckt werden solle, der in einem beinahe fort-
währenden Kriege mit Frankreich lag. Die Sache würde gar
nicht haben in Frage kommen können, wenn sich die Nieder-
lande ernstlich zum Reiche gehalten, besonders, worauf alles
ankam, sich dem Kammergericht unterworfen hätten. König
Ferdinand vertheidigte eine Zeitlang die Ansprüche der Nie-
derlande. Die Einwendung aber, daß eine auf die Hand-
habung des Landfriedens bezügliche Ordnung unmöglich De-
nen zu Gute kommen könne, von denen die Reichsgerichts-
barkeit in Landfriedensbruchsachen gar nicht einmal anerkannt
werde, wußte er nicht zu beseitigen. Er erlangte nur so viel,
daß es durch eine neue Clausel in den Willen des Kaisers
gestellt wurde, ob er sich mit seinen Niedererblanden jener
Jurisdiction unterwerfen wolle.

Wir sehen wohl: zum Vortheil Carls V und seiner
kaiserlichen Macht gereichten diese Beschlüsse mit nichten.

Die executive Gewalt gerieth dadurch eben so gut in die
Hände der Reichsstände, wie ihnen die legislative dem Her-
kommen nach fast ausschließend zustand. Die Anwendung

Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
ſchlägen wurden einige ſchon innerhalb des Fürſtenraths be-
ſeitigt; die übrigen zu verwerfen, blieb den Churfürſten über-
laſſen, deren Gutachten zuletzt in dieſem, wie in den mei-
ſten andern Puncten angenommen und zum Reichsgeſetz er-
hoben ward.

Und nicht allein gegen innere Unruhen ſollte die neue
Ordnung dienen, ſondern man beſchloß ſie auch bei den An-
griffen auswärtiger Feinde in Anwendung zu bringen.

Nur erhob ſich hiebei der Zweifel, ob die Verpflich-
tung einem Kreiſe zu Hülfe zu kommen auch auf den nie-
derländiſchen erſtreckt werden ſolle, der in einem beinahe fort-
währenden Kriege mit Frankreich lag. Die Sache würde gar
nicht haben in Frage kommen können, wenn ſich die Nieder-
lande ernſtlich zum Reiche gehalten, beſonders, worauf alles
ankam, ſich dem Kammergericht unterworfen hätten. König
Ferdinand vertheidigte eine Zeitlang die Anſprüche der Nie-
derlande. Die Einwendung aber, daß eine auf die Hand-
habung des Landfriedens bezügliche Ordnung unmöglich De-
nen zu Gute kommen könne, von denen die Reichsgerichts-
barkeit in Landfriedensbruchſachen gar nicht einmal anerkannt
werde, wußte er nicht zu beſeitigen. Er erlangte nur ſo viel,
daß es durch eine neue Clauſel in den Willen des Kaiſers
geſtellt wurde, ob er ſich mit ſeinen Niedererblanden jener
Jurisdiction unterwerfen wolle.

Wir ſehen wohl: zum Vortheil Carls V und ſeiner
kaiſerlichen Macht gereichten dieſe Beſchlüſſe mit nichten.

Die executive Gewalt gerieth dadurch eben ſo gut in die
Hände der Reichsſtände, wie ihnen die legislative dem Her-
kommen nach faſt ausſchließend zuſtand. Die Anwendung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0390" n="378"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Fu&#x0364;nftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;chlägen wurden einige &#x017F;chon innerhalb des Für&#x017F;tenraths be-<lb/>
&#x017F;eitigt; die übrigen zu verwerfen, blieb den Churfür&#x017F;ten über-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, deren Gutachten zuletzt in die&#x017F;em, wie in den mei-<lb/>
&#x017F;ten andern Puncten angenommen und zum Reichsge&#x017F;etz er-<lb/>
hoben ward.</p><lb/>
            <p>Und nicht allein gegen innere Unruhen &#x017F;ollte die neue<lb/>
Ordnung dienen, &#x017F;ondern man be&#x017F;chloß &#x017F;ie auch bei den An-<lb/>
griffen auswärtiger Feinde in Anwendung zu bringen.</p><lb/>
            <p>Nur erhob &#x017F;ich hiebei der Zweifel, ob die Verpflich-<lb/>
tung einem Krei&#x017F;e zu Hülfe zu kommen auch auf den nie-<lb/>
derländi&#x017F;chen er&#x017F;treckt werden &#x017F;olle, der in einem beinahe fort-<lb/>
währenden Kriege mit Frankreich lag. Die Sache würde gar<lb/>
nicht haben in Frage kommen können, wenn &#x017F;ich die Nieder-<lb/>
lande ern&#x017F;tlich zum Reiche gehalten, be&#x017F;onders, worauf alles<lb/>
ankam, &#x017F;ich dem Kammergericht unterworfen hätten. König<lb/>
Ferdinand vertheidigte eine Zeitlang die An&#x017F;prüche der Nie-<lb/>
derlande. Die Einwendung aber, daß eine auf die Hand-<lb/>
habung des Landfriedens bezügliche Ordnung unmöglich De-<lb/>
nen zu Gute kommen könne, von denen die Reichsgerichts-<lb/>
barkeit in Landfriedensbruch&#x017F;achen gar nicht einmal anerkannt<lb/>
werde, wußte er nicht zu be&#x017F;eitigen. Er erlangte nur &#x017F;o viel,<lb/>
daß es durch eine neue Clau&#x017F;el in den Willen des Kai&#x017F;ers<lb/>
ge&#x017F;tellt wurde, ob er &#x017F;ich mit &#x017F;einen Niedererblanden jener<lb/>
Jurisdiction unterwerfen wolle.</p><lb/>
            <p>Wir &#x017F;ehen wohl: zum Vortheil Carls <hi rendition="#aq">V</hi> und &#x017F;einer<lb/>
kai&#x017F;erlichen Macht gereichten die&#x017F;e Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e mit nichten.</p><lb/>
            <p>Die executive Gewalt gerieth dadurch eben &#x017F;o gut in die<lb/>
Hände der Reichs&#x017F;tände, wie ihnen die legislative dem Her-<lb/>
kommen nach fa&#x017F;t aus&#x017F;chließend zu&#x017F;tand. Die Anwendung<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0390] Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel. ſchlägen wurden einige ſchon innerhalb des Fürſtenraths be- ſeitigt; die übrigen zu verwerfen, blieb den Churfürſten über- laſſen, deren Gutachten zuletzt in dieſem, wie in den mei- ſten andern Puncten angenommen und zum Reichsgeſetz er- hoben ward. Und nicht allein gegen innere Unruhen ſollte die neue Ordnung dienen, ſondern man beſchloß ſie auch bei den An- griffen auswärtiger Feinde in Anwendung zu bringen. Nur erhob ſich hiebei der Zweifel, ob die Verpflich- tung einem Kreiſe zu Hülfe zu kommen auch auf den nie- derländiſchen erſtreckt werden ſolle, der in einem beinahe fort- währenden Kriege mit Frankreich lag. Die Sache würde gar nicht haben in Frage kommen können, wenn ſich die Nieder- lande ernſtlich zum Reiche gehalten, beſonders, worauf alles ankam, ſich dem Kammergericht unterworfen hätten. König Ferdinand vertheidigte eine Zeitlang die Anſprüche der Nie- derlande. Die Einwendung aber, daß eine auf die Hand- habung des Landfriedens bezügliche Ordnung unmöglich De- nen zu Gute kommen könne, von denen die Reichsgerichts- barkeit in Landfriedensbruchſachen gar nicht einmal anerkannt werde, wußte er nicht zu beſeitigen. Er erlangte nur ſo viel, daß es durch eine neue Clauſel in den Willen des Kaiſers geſtellt wurde, ob er ſich mit ſeinen Niedererblanden jener Jurisdiction unterwerfen wolle. Wir ſehen wohl: zum Vortheil Carls V und ſeiner kaiſerlichen Macht gereichten dieſe Beſchlüſſe mit nichten. Die executive Gewalt gerieth dadurch eben ſo gut in die Hände der Reichsſtände, wie ihnen die legislative dem Her- kommen nach faſt ausſchließend zuſtand. Die Anwendung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/390
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/390>, abgerufen am 09.05.2024.