ten, der Friede müsse beiderlei Ständen zu Gute kommen und sie gegen einander sicher stellen. Am 6ten Juni 1552 verfaßten die Fürsten dieses auf ewig merkwürdige Gutach- ten; am 7ten erklärte König Ferdinand in diesem Puncte seine Beistimmung dazu.
Wie nun aber dieser Grundsatz in den Ordnungen des Reiches geltend zu machen sey, darüber konnte man sich nicht sogleich vereinigen. Die vermittelnden Fürsten vermie- den noch die Erwähnung der speierschen Beschlüsse von 1544, die ihnen oder ihren Vorgängern größtentheils zuwider gewe- sen: nur Eine Stimme trug auf Wiedererneuerung und Voll- ziehung derselben an; aber sie bewilligten, daß bei dem Abschluß des Friedens auch über die Besetzung des Kammergerichts Bestimmung getroffen würde. König Ferdinand trat noch einen Schritt weiter zurück: er wollte diese Bestimmung so wie die Beschwerden die Moritz vorgebracht, auf den Reichs- tag verweisen. Churfürst Moritz war hiemit nicht zufrieden: er forderte die ausdrückliche Zusicherung unparteiischen Rech- tes und die Aufhebung des Reichsabschiedes von 1530, auf den die Assessoren bisher verpflichtet worden. Es kam hier- über zu einem lebhaften Schriftwechsel, in welchem jeder Theil auf seiner Meinung bestand. Glücklicherweise hatte Moritz auch seinerseits etwas anzubieten. Bei der Versicherung der katholischen Fürsten in ihren Besitzthümern, die eine andre Hauptgrundlage des Friedens bildete, hatte er die Worte ein- fließen lassen: "so viel sie noch in Possession derselben seyen": eine Clausel von der größten Bedeutung, da schon manches Amt bischöflicher Lande von Markgraf Albrecht in Besitz genommen worden. Die vermittelnden Fürsten machten ihn
Verhandlungen zu Paſſau.
ten, der Friede müſſe beiderlei Ständen zu Gute kommen und ſie gegen einander ſicher ſtellen. Am 6ten Juni 1552 verfaßten die Fürſten dieſes auf ewig merkwürdige Gutach- ten; am 7ten erklärte König Ferdinand in dieſem Puncte ſeine Beiſtimmung dazu.
Wie nun aber dieſer Grundſatz in den Ordnungen des Reiches geltend zu machen ſey, darüber konnte man ſich nicht ſogleich vereinigen. Die vermittelnden Fürſten vermie- den noch die Erwähnung der ſpeierſchen Beſchlüſſe von 1544, die ihnen oder ihren Vorgängern größtentheils zuwider gewe- ſen: nur Eine Stimme trug auf Wiedererneuerung und Voll- ziehung derſelben an; aber ſie bewilligten, daß bei dem Abſchluß des Friedens auch über die Beſetzung des Kammergerichts Beſtimmung getroffen würde. König Ferdinand trat noch einen Schritt weiter zurück: er wollte dieſe Beſtimmung ſo wie die Beſchwerden die Moritz vorgebracht, auf den Reichs- tag verweiſen. Churfürſt Moritz war hiemit nicht zufrieden: er forderte die ausdrückliche Zuſicherung unparteiiſchen Rech- tes und die Aufhebung des Reichsabſchiedes von 1530, auf den die Aſſeſſoren bisher verpflichtet worden. Es kam hier- über zu einem lebhaften Schriftwechſel, in welchem jeder Theil auf ſeiner Meinung beſtand. Glücklicherweiſe hatte Moritz auch ſeinerſeits etwas anzubieten. Bei der Verſicherung der katholiſchen Fürſten in ihren Beſitzthümern, die eine andre Hauptgrundlage des Friedens bildete, hatte er die Worte ein- fließen laſſen: „ſo viel ſie noch in Poſſeſſion derſelben ſeyen“: eine Clauſel von der größten Bedeutung, da ſchon manches Amt biſchöflicher Lande von Markgraf Albrecht in Beſitz genommen worden. Die vermittelnden Fürſten machten ihn
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Verhandlungen zu Paſſau.
ten, der Friede müſſe beiderlei Ständen zu Gute kommen
und ſie gegen einander ſicher ſtellen. Am 6ten Juni 1552
verfaßten die Fürſten dieſes auf ewig merkwürdige Gutach-
ten; am 7ten erklärte König Ferdinand in dieſem Puncte
ſeine Beiſtimmung dazu.
Wie nun aber dieſer Grundſatz in den Ordnungen des
Reiches geltend zu machen ſey, darüber konnte man ſich
nicht ſogleich vereinigen. Die vermittelnden Fürſten vermie-
den noch die Erwähnung der ſpeierſchen Beſchlüſſe von 1544,
die ihnen oder ihren Vorgängern größtentheils zuwider gewe-
ſen: nur Eine Stimme trug auf Wiedererneuerung und Voll-
ziehung derſelben an; aber ſie bewilligten, daß bei dem Abſchluß
des Friedens auch über die Beſetzung des Kammergerichts
Beſtimmung getroffen würde. König Ferdinand trat noch
einen Schritt weiter zurück: er wollte dieſe Beſtimmung ſo
wie die Beſchwerden die Moritz vorgebracht, auf den Reichs-
tag verweiſen. Churfürſt Moritz war hiemit nicht zufrieden:
er forderte die ausdrückliche Zuſicherung unparteiiſchen Rech-
tes und die Aufhebung des Reichsabſchiedes von 1530, auf
den die Aſſeſſoren bisher verpflichtet worden. Es kam hier-
über zu einem lebhaften Schriftwechſel, in welchem jeder Theil
auf ſeiner Meinung beſtand. Glücklicherweiſe hatte Moritz
auch ſeinerſeits etwas anzubieten. Bei der Verſicherung der
katholiſchen Fürſten in ihren Beſitzthümern, die eine andre
Hauptgrundlage des Friedens bildete, hatte er die Worte ein-
fließen laſſen: „ſo viel ſie noch in Poſſeſſion derſelben ſeyen“:
eine Clauſel von der größten Bedeutung, da ſchon manches
Amt biſchöflicher Lande von Markgraf Albrecht in Beſitz
genommen worden. Die vermittelnden Fürſten machten ihn
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/277>, abgerufen am 09.05.2024.
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