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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Erstes Capitel.
Moritz noch einmal die alten Bedingungen an, die freilich,
wenn sie dem Kaiser abgerungen waren, weit eine andre
Bedeutung erhielten, als wenn er sie frei und gern bewil-
ligt hätte.

Und auf die erste dieser Forderungen nun giengen die
in Passau versammelten Fürsten mit allgemeiner Beistimmung
ein. Jene Idee einer Herstellung der Einheit, wie sie von
dem Kaiser angestrebt ward, hatte sich ihnen allen selber ge-
fahrbringend erwiesen. Auch sie fanden, daß das tridenti-
nische Concilium nicht geeignet sey die Spaltung in der Re-
ligion zu heben. Zwar wollten sie sich hiebei nicht im Vor-
aus gegen ein andres allgemeines Concilium erklären: sie
behielten dem Reichstag vor, nochmals zu untersuchen, auf
welchem Wege das Ziel am besten erreicht werden könne,
durch ein nationales oder doch wieder ein allgemeines Con-
cil, oder durch welches andre Mittel. 1 Darin aber stimm-
ten sie dem Churfürsten bei, daß auf jeden Fall Friede be-
stehn müsse, welches auch der Erfolg der Vergleichsversuche
seyn möge, und eben darauf kam es an. Die Frage war,
ob im Kreise der abendländischen Christenheit ein friedliches
und sicheres Daseyn möglich sey, ohne die Oberhoheit des
Papstthums oder auch eines Concils anzuerkennen, mochte
nun da ein Kaiser oder ein Papst den größern Einfluß ha-
ben. Diese Frage bejahten jetzt die mächtigsten Reichsfür-
sten, auf welchen seit dem dreizehnten Jahrhundert das Reich
und zum guten Theil die Kirche gegründet gewesen, katho-
lische und protestantische, geistliche und weltliche. Sie mein-

1 Gutachten der Churfürsten und Fürsten am 6ten Juni, im
Berliner Archiv.

Zehntes Buch. Erſtes Capitel.
Moritz noch einmal die alten Bedingungen an, die freilich,
wenn ſie dem Kaiſer abgerungen waren, weit eine andre
Bedeutung erhielten, als wenn er ſie frei und gern bewil-
ligt hätte.

Und auf die erſte dieſer Forderungen nun giengen die
in Paſſau verſammelten Fürſten mit allgemeiner Beiſtimmung
ein. Jene Idee einer Herſtellung der Einheit, wie ſie von
dem Kaiſer angeſtrebt ward, hatte ſich ihnen allen ſelber ge-
fahrbringend erwieſen. Auch ſie fanden, daß das tridenti-
niſche Concilium nicht geeignet ſey die Spaltung in der Re-
ligion zu heben. Zwar wollten ſie ſich hiebei nicht im Vor-
aus gegen ein andres allgemeines Concilium erklären: ſie
behielten dem Reichstag vor, nochmals zu unterſuchen, auf
welchem Wege das Ziel am beſten erreicht werden könne,
durch ein nationales oder doch wieder ein allgemeines Con-
cil, oder durch welches andre Mittel. 1 Darin aber ſtimm-
ten ſie dem Churfürſten bei, daß auf jeden Fall Friede be-
ſtehn müſſe, welches auch der Erfolg der Vergleichsverſuche
ſeyn möge, und eben darauf kam es an. Die Frage war,
ob im Kreiſe der abendländiſchen Chriſtenheit ein friedliches
und ſicheres Daſeyn möglich ſey, ohne die Oberhoheit des
Papſtthums oder auch eines Concils anzuerkennen, mochte
nun da ein Kaiſer oder ein Papſt den größern Einfluß ha-
ben. Dieſe Frage bejahten jetzt die mächtigſten Reichsfür-
ſten, auf welchen ſeit dem dreizehnten Jahrhundert das Reich
und zum guten Theil die Kirche gegründet geweſen, katho-
liſche und proteſtantiſche, geiſtliche und weltliche. Sie mein-

1 Gutachten der Churfuͤrſten und Fuͤrſten am 6ten Juni, im
Berliner Archiv.
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[264/0276] Zehntes Buch. Erſtes Capitel. Moritz noch einmal die alten Bedingungen an, die freilich, wenn ſie dem Kaiſer abgerungen waren, weit eine andre Bedeutung erhielten, als wenn er ſie frei und gern bewil- ligt hätte. Und auf die erſte dieſer Forderungen nun giengen die in Paſſau verſammelten Fürſten mit allgemeiner Beiſtimmung ein. Jene Idee einer Herſtellung der Einheit, wie ſie von dem Kaiſer angeſtrebt ward, hatte ſich ihnen allen ſelber ge- fahrbringend erwieſen. Auch ſie fanden, daß das tridenti- niſche Concilium nicht geeignet ſey die Spaltung in der Re- ligion zu heben. Zwar wollten ſie ſich hiebei nicht im Vor- aus gegen ein andres allgemeines Concilium erklären: ſie behielten dem Reichstag vor, nochmals zu unterſuchen, auf welchem Wege das Ziel am beſten erreicht werden könne, durch ein nationales oder doch wieder ein allgemeines Con- cil, oder durch welches andre Mittel. 1 Darin aber ſtimm- ten ſie dem Churfürſten bei, daß auf jeden Fall Friede be- ſtehn müſſe, welches auch der Erfolg der Vergleichsverſuche ſeyn möge, und eben darauf kam es an. Die Frage war, ob im Kreiſe der abendländiſchen Chriſtenheit ein friedliches und ſicheres Daſeyn möglich ſey, ohne die Oberhoheit des Papſtthums oder auch eines Concils anzuerkennen, mochte nun da ein Kaiſer oder ein Papſt den größern Einfluß ha- ben. Dieſe Frage bejahten jetzt die mächtigſten Reichsfür- ſten, auf welchen ſeit dem dreizehnten Jahrhundert das Reich und zum guten Theil die Kirche gegründet geweſen, katho- liſche und proteſtantiſche, geiſtliche und weltliche. Sie mein- 1 Gutachten der Churfuͤrſten und Fuͤrſten am 6ten Juni, im Berliner Archiv.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/276>, abgerufen am 09.05.2024.