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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Erstes Capitel.
selbständig, durch die Mehrheit der Stimmen am Reichstag,
oder unter der Führung des Kaisers: jetzt sahen sie ein, daß
daran nicht mehr gedacht werden könne.

Die Übermacht der protestantischen Fürsten war in die-
sem Augenblick vielmehr so groß, daß sie selber von ihnen
überwältigt, ja vertilgt zu werden fürchten mußten. Der
Kaiser war nicht im Stande sie zu schützen, aber wäre ers
auch gewesen, so hätten sie wenig Freude daran gehabt: sie
fühlten so gut wie die andern, daß sein überwiegendes An-
sehen ihre Selbständigkeit, die Autonomie der Nation bedrohe.
Eine der wirksamsten Veränderungen bildete der Regierungs-
wechsel in Baiern. Jetzt setzte sich kein Leonhard von Eck
mehr in den Besitz des maaßgebenden Einflusses bei den
katholischen Berathungen; Albrecht V, von Natur gemäßigt
und nachgiebig, in seinen ersten Jahren sogar evangelischen
Anwandlungen nicht unzugänglich, jetzt überdieß bedroht und
gefährdet, hütete sich die Politik seines Vaters fortzusetzen,
die wenigstens im Verhältniß zum Kaiser nur zu Nachthei-
len geführt hatte.

In seinem ersten Gutachten nun gieng Churfürst Moritz
von dem Zugeständniß Ferdinands aus, daß ein Concilium
wie das tridentinische schwerlich jemals zur Vergleichung füh-
ren dürfte, und kam auf die Idee eines Nationalconciliums
zurück, das so oft vorgeschlagen worden und nie hatte erreicht
werden können. 1 Doch wollte er es auch auf dessen Ent-

1 "darin die Gelehrten der h. Schrift beiderseits gehört wer-
den und einander guten christlichen Bescheid geben." Die Verhand-
lungen begannen 1sten Juni früh 7 Uhr, wo Ferdinand Moritz auf-
forderte, wie er dem Kaiser meldet, "de bailler sa reponse et deli-
beration sur les articles de Linz."
Hierauf folgt die Erklärung
von Moritz.

Zehntes Buch. Erſtes Capitel.
ſelbſtändig, durch die Mehrheit der Stimmen am Reichstag,
oder unter der Führung des Kaiſers: jetzt ſahen ſie ein, daß
daran nicht mehr gedacht werden könne.

Die Übermacht der proteſtantiſchen Fürſten war in die-
ſem Augenblick vielmehr ſo groß, daß ſie ſelber von ihnen
überwältigt, ja vertilgt zu werden fürchten mußten. Der
Kaiſer war nicht im Stande ſie zu ſchützen, aber wäre ers
auch geweſen, ſo hätten ſie wenig Freude daran gehabt: ſie
fühlten ſo gut wie die andern, daß ſein überwiegendes An-
ſehen ihre Selbſtändigkeit, die Autonomie der Nation bedrohe.
Eine der wirkſamſten Veränderungen bildete der Regierungs-
wechſel in Baiern. Jetzt ſetzte ſich kein Leonhard von Eck
mehr in den Beſitz des maaßgebenden Einfluſſes bei den
katholiſchen Berathungen; Albrecht V, von Natur gemäßigt
und nachgiebig, in ſeinen erſten Jahren ſogar evangeliſchen
Anwandlungen nicht unzugänglich, jetzt überdieß bedroht und
gefährdet, hütete ſich die Politik ſeines Vaters fortzuſetzen,
die wenigſtens im Verhältniß zum Kaiſer nur zu Nachthei-
len geführt hatte.

In ſeinem erſten Gutachten nun gieng Churfürſt Moritz
von dem Zugeſtändniß Ferdinands aus, daß ein Concilium
wie das tridentiniſche ſchwerlich jemals zur Vergleichung füh-
ren dürfte, und kam auf die Idee eines Nationalconciliums
zurück, das ſo oft vorgeſchlagen worden und nie hatte erreicht
werden können. 1 Doch wollte er es auch auf deſſen Ent-

1 „darin die Gelehrten der h. Schrift beiderſeits gehoͤrt wer-
den und einander guten chriſtlichen Beſcheid geben.“ Die Verhand-
lungen begannen 1ſten Juni fruͤh 7 Uhr, wo Ferdinand Moritz auf-
forderte, wie er dem Kaiſer meldet, „de bailler sa reponse et deli-
beration sur les articles de Linz.“
Hierauf folgt die Erklaͤrung
von Moritz.
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[262/0274] Zehntes Buch. Erſtes Capitel. ſelbſtändig, durch die Mehrheit der Stimmen am Reichstag, oder unter der Führung des Kaiſers: jetzt ſahen ſie ein, daß daran nicht mehr gedacht werden könne. Die Übermacht der proteſtantiſchen Fürſten war in die- ſem Augenblick vielmehr ſo groß, daß ſie ſelber von ihnen überwältigt, ja vertilgt zu werden fürchten mußten. Der Kaiſer war nicht im Stande ſie zu ſchützen, aber wäre ers auch geweſen, ſo hätten ſie wenig Freude daran gehabt: ſie fühlten ſo gut wie die andern, daß ſein überwiegendes An- ſehen ihre Selbſtändigkeit, die Autonomie der Nation bedrohe. Eine der wirkſamſten Veränderungen bildete der Regierungs- wechſel in Baiern. Jetzt ſetzte ſich kein Leonhard von Eck mehr in den Beſitz des maaßgebenden Einfluſſes bei den katholiſchen Berathungen; Albrecht V, von Natur gemäßigt und nachgiebig, in ſeinen erſten Jahren ſogar evangeliſchen Anwandlungen nicht unzugänglich, jetzt überdieß bedroht und gefährdet, hütete ſich die Politik ſeines Vaters fortzuſetzen, die wenigſtens im Verhältniß zum Kaiſer nur zu Nachthei- len geführt hatte. In ſeinem erſten Gutachten nun gieng Churfürſt Moritz von dem Zugeſtändniß Ferdinands aus, daß ein Concilium wie das tridentiniſche ſchwerlich jemals zur Vergleichung füh- ren dürfte, und kam auf die Idee eines Nationalconciliums zurück, das ſo oft vorgeſchlagen worden und nie hatte erreicht werden können. 1 Doch wollte er es auch auf deſſen Ent- 1 „darin die Gelehrten der h. Schrift beiderſeits gehoͤrt wer- den und einander guten chriſtlichen Beſcheid geben.“ Die Verhand- lungen begannen 1ſten Juni fruͤh 7 Uhr, wo Ferdinand Moritz auf- forderte, wie er dem Kaiſer meldet, „de bailler sa reponse et deli- beration sur les articles de Linz.“ Hierauf folgt die Erklaͤrung von Moritz.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/274>, abgerufen am 23.11.2024.