Einst hatte es in seiner Wahl gestanden, an der Spitze der deutschen Nation, mit Begünstigung des reformatorischen Elementes, laut der Reichsschlüsse von 1544, seine Macht gegen die auswärtigen Feinde zu richten, wie die Franze- sen, welche besonders durch deutsche Unterstützung früher in Italien besiegt und damals in ihrer Heimath zum Frieden genöthigt worden: so hauptsächlich gegen die Osmanen, was in jener Zeit das größte Interesse hatte und der allgemeine Wunsch war. Dann hätte er das Kaiserthum in dem Sinne, wie es ihm bei seinen Zügen nach Africa vorschwebte, ent- wickeln können. Freilich hätte er z. B. Philipp von Hessen nicht als Feind, sondern als Mitstreiter behandeln, die Ein- heit der abendländischen Christenheit nicht in die Gleichför- migkeit des Bekenntnisses setzen müssen: dafür wäre es ihm aber, so lange die Türken sich noch nicht in Ungarn befestigt hatten, vielleicht möglich gewesen zugleich dieses Land zu be- freien und den Trieb der Cultur und Ausbreitung der in den Deutschen lebte, nach der mittlern Donau, dem südöstlichen Europa hinzuleiten. Aber er schlug einen entgegengesetzten Weg ein. Er traf eine Abkunft mit den Osmanen, die ihnen Zeit ließ sich in den eingenommenen Landschaften zu befesti- gen, mit dem Werke der Barbarisirung fortzuschreiten, und nahm sich vor, in den Streitigkeiten des Glaubens und des Ritus, welche die Jahrhunderte nicht haben beseitigen kön- nen, beiden Parteien Maaß zu geben, er, von seinem po- litischen Standpunct aus. Nun konnte aber die natür- liche Feindseligkeit gegen die Osmanen doch nicht auf die Länge beseitigt werden: im Jahr 1551 brach sie wieder in volle Flammen aus. Überhaupt wurde die kaiserliche Politik
Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
Einſt hatte es in ſeiner Wahl geſtanden, an der Spitze der deutſchen Nation, mit Begünſtigung des reformatoriſchen Elementes, laut der Reichsſchlüſſe von 1544, ſeine Macht gegen die auswärtigen Feinde zu richten, wie die Franze- ſen, welche beſonders durch deutſche Unterſtützung früher in Italien beſiegt und damals in ihrer Heimath zum Frieden genöthigt worden: ſo hauptſächlich gegen die Osmanen, was in jener Zeit das größte Intereſſe hatte und der allgemeine Wunſch war. Dann hätte er das Kaiſerthum in dem Sinne, wie es ihm bei ſeinen Zügen nach Africa vorſchwebte, ent- wickeln können. Freilich hätte er z. B. Philipp von Heſſen nicht als Feind, ſondern als Mitſtreiter behandeln, die Ein- heit der abendländiſchen Chriſtenheit nicht in die Gleichför- migkeit des Bekenntniſſes ſetzen müſſen: dafür wäre es ihm aber, ſo lange die Türken ſich noch nicht in Ungarn befeſtigt hatten, vielleicht möglich geweſen zugleich dieſes Land zu be- freien und den Trieb der Cultur und Ausbreitung der in den Deutſchen lebte, nach der mittlern Donau, dem ſüdöſtlichen Europa hinzuleiten. Aber er ſchlug einen entgegengeſetzten Weg ein. Er traf eine Abkunft mit den Osmanen, die ihnen Zeit ließ ſich in den eingenommenen Landſchaften zu befeſti- gen, mit dem Werke der Barbariſirung fortzuſchreiten, und nahm ſich vor, in den Streitigkeiten des Glaubens und des Ritus, welche die Jahrhunderte nicht haben beſeitigen kön- nen, beiden Parteien Maaß zu geben, er, von ſeinem po- litiſchen Standpunct aus. Nun konnte aber die natür- liche Feindſeligkeit gegen die Osmanen doch nicht auf die Länge beſeitigt werden: im Jahr 1551 brach ſie wieder in volle Flammen aus. Überhaupt wurde die kaiſerliche Politik
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Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
Einſt hatte es in ſeiner Wahl geſtanden, an der Spitze
der deutſchen Nation, mit Begünſtigung des reformatoriſchen
Elementes, laut der Reichsſchlüſſe von 1544, ſeine Macht
gegen die auswärtigen Feinde zu richten, wie die Franze-
ſen, welche beſonders durch deutſche Unterſtützung früher in
Italien beſiegt und damals in ihrer Heimath zum Frieden
genöthigt worden: ſo hauptſächlich gegen die Osmanen, was
in jener Zeit das größte Intereſſe hatte und der allgemeine
Wunſch war. Dann hätte er das Kaiſerthum in dem Sinne,
wie es ihm bei ſeinen Zügen nach Africa vorſchwebte, ent-
wickeln können. Freilich hätte er z. B. Philipp von Heſſen
nicht als Feind, ſondern als Mitſtreiter behandeln, die Ein-
heit der abendländiſchen Chriſtenheit nicht in die Gleichför-
migkeit des Bekenntniſſes ſetzen müſſen: dafür wäre es ihm
aber, ſo lange die Türken ſich noch nicht in Ungarn befeſtigt
hatten, vielleicht möglich geweſen zugleich dieſes Land zu be-
freien und den Trieb der Cultur und Ausbreitung der in den
Deutſchen lebte, nach der mittlern Donau, dem ſüdöſtlichen
Europa hinzuleiten. Aber er ſchlug einen entgegengeſetzten
Weg ein. Er traf eine Abkunft mit den Osmanen, die ihnen
Zeit ließ ſich in den eingenommenen Landſchaften zu befeſti-
gen, mit dem Werke der Barbariſirung fortzuſchreiten, und
nahm ſich vor, in den Streitigkeiten des Glaubens und des
Ritus, welche die Jahrhunderte nicht haben beſeitigen kön-
nen, beiden Parteien Maaß zu geben, er, von ſeinem po-
litiſchen Standpunct aus. Nun konnte aber die natür-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/252>, abgerufen am 25.11.2024.
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