Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
Friedrich selbst im Felde die Canzleien regelmäßiger besorgt,
besser berücksichtigt worden seyen als unter Moritz. Das
machte: Johann Friedrich hatte in der Regelmäßigkeit der
Verhandlungen wirklich die Summe der Geschäfte gesehen.
Moritz dagegen trieb das Wichtigste insgeheim, mit einem
oder dem andern vertrauten Secretär, während die übrigen
Räthe, die auch in seinem Vertrauen zu seyn glaubten, und
es bis auf einen gewissen Grad waren, in ihrem einmal ein-
geschlagenen Gange blieben, ohne eine Ahnung von den
Dingen zu haben die ihr Herr eigentlich im Schilde führte.
Wichtige Briefschaften auch nur etwa durch Zufall in ihre
Hände kommen zu lassen hütet er sich sorgfältig: er schickt
sie an seine Gemahlin, die sie in ihrer Truhe wohlpetschiert
aufbewahren soll: 1 sie kannte ihn genug, um sich nicht
daran zu vergreifen. Es giebt eine Art praktischer Zweizün-
gigkeit, in der er so weit als möglich gieng. Im Februar
1551 hatte er sich verpflichtet das Concilium nicht anzuer-
kennen, und war entschlossen dazu: im Februar 1552 war
der gute Melanchthon noch unterwegs in keiner andern Mei-
nung, als er werde sich nach Trient verfügen müssen.

Damals nun hatte Moritz eine ganz entschiedene Rich-
tung zum Bündniß mit den Franzosen und gegen den Kai-
ser genommen: er war nicht der Meinung, vor einer Forde-
rung die Frankreich machen konnte, zurückzuweichen, wofern
sie nur nicht dem Zwecke selber entgegenlief.

Es mochte hinzukommen, daß der König von England
den Antrag, der ihm nunmehr auch geschehen war, mit weit-

1 Brief nr 12 bei Arndt, Nonnulla de ingenio et moribus
Mauritii
1806.

Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
Friedrich ſelbſt im Felde die Canzleien regelmäßiger beſorgt,
beſſer berückſichtigt worden ſeyen als unter Moritz. Das
machte: Johann Friedrich hatte in der Regelmäßigkeit der
Verhandlungen wirklich die Summe der Geſchäfte geſehen.
Moritz dagegen trieb das Wichtigſte insgeheim, mit einem
oder dem andern vertrauten Secretär, während die übrigen
Räthe, die auch in ſeinem Vertrauen zu ſeyn glaubten, und
es bis auf einen gewiſſen Grad waren, in ihrem einmal ein-
geſchlagenen Gange blieben, ohne eine Ahnung von den
Dingen zu haben die ihr Herr eigentlich im Schilde führte.
Wichtige Briefſchaften auch nur etwa durch Zufall in ihre
Hände kommen zu laſſen hütet er ſich ſorgfältig: er ſchickt
ſie an ſeine Gemahlin, die ſie in ihrer Truhe wohlpetſchiert
aufbewahren ſoll: 1 ſie kannte ihn genug, um ſich nicht
daran zu vergreifen. Es giebt eine Art praktiſcher Zweizün-
gigkeit, in der er ſo weit als möglich gieng. Im Februar
1551 hatte er ſich verpflichtet das Concilium nicht anzuer-
kennen, und war entſchloſſen dazu: im Februar 1552 war
der gute Melanchthon noch unterwegs in keiner andern Mei-
nung, als er werde ſich nach Trient verfügen müſſen.

Damals nun hatte Moritz eine ganz entſchiedene Rich-
tung zum Bündniß mit den Franzoſen und gegen den Kai-
ſer genommen: er war nicht der Meinung, vor einer Forde-
rung die Frankreich machen konnte, zurückzuweichen, wofern
ſie nur nicht dem Zwecke ſelber entgegenlief.

Es mochte hinzukommen, daß der König von England
den Antrag, der ihm nunmehr auch geſchehen war, mit weit-

1 Brief nr 12 bei Arndt, Nonnulla de ingenio et moribus
Mauritii
1806.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0236" n="224"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Friedrich &#x017F;elb&#x017F;t im Felde die Canzleien regelmäßiger be&#x017F;orgt,<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er berück&#x017F;ichtigt worden &#x017F;eyen als unter Moritz. Das<lb/>
machte: Johann Friedrich hatte in der Regelmäßigkeit der<lb/>
Verhandlungen wirklich die Summe der Ge&#x017F;chäfte ge&#x017F;ehen.<lb/>
Moritz dagegen trieb das Wichtig&#x017F;te insgeheim, mit einem<lb/>
oder dem andern vertrauten Secretär, während die übrigen<lb/>
Räthe, die auch in &#x017F;einem Vertrauen zu &#x017F;eyn glaubten, und<lb/>
es bis auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grad waren, in ihrem einmal ein-<lb/>
ge&#x017F;chlagenen Gange blieben, ohne eine Ahnung von den<lb/>
Dingen zu haben die ihr Herr eigentlich im Schilde führte.<lb/>
Wichtige Brief&#x017F;chaften auch nur etwa durch Zufall in ihre<lb/>
Hände kommen zu la&#x017F;&#x017F;en hütet er &#x017F;ich &#x017F;orgfältig: er &#x017F;chickt<lb/>
&#x017F;ie an &#x017F;eine Gemahlin, die &#x017F;ie in ihrer Truhe wohlpet&#x017F;chiert<lb/>
aufbewahren &#x017F;oll: <note place="foot" n="1">Brief <hi rendition="#aq">nr</hi> 12 bei Arndt, <hi rendition="#aq">Nonnulla de ingenio et moribus<lb/>
Mauritii</hi> 1806.</note> &#x017F;ie kannte ihn genug, um &#x017F;ich nicht<lb/>
daran zu vergreifen. Es giebt eine Art prakti&#x017F;cher Zweizün-<lb/>
gigkeit, in der er &#x017F;o weit als möglich gieng. Im Februar<lb/>
1551 hatte er &#x017F;ich verpflichtet das Concilium nicht anzuer-<lb/>
kennen, und war ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en dazu: im Februar 1552 war<lb/>
der gute Melanchthon noch unterwegs in keiner andern Mei-<lb/>
nung, als er werde &#x017F;ich nach Trient verfügen mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Damals nun hatte Moritz eine ganz ent&#x017F;chiedene Rich-<lb/>
tung zum Bündniß mit den Franzo&#x017F;en und gegen den Kai-<lb/>
&#x017F;er genommen: er war nicht der Meinung, vor einer Forde-<lb/>
rung die Frankreich machen konnte, zurückzuweichen, wofern<lb/>
&#x017F;ie nur nicht dem Zwecke &#x017F;elber entgegenlief.</p><lb/>
          <p>Es mochte hinzukommen, daß der König von England<lb/>
den Antrag, der ihm nunmehr auch ge&#x017F;chehen war, mit weit-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0236] Neuntes Buch. Sechstes Capitel. Friedrich ſelbſt im Felde die Canzleien regelmäßiger beſorgt, beſſer berückſichtigt worden ſeyen als unter Moritz. Das machte: Johann Friedrich hatte in der Regelmäßigkeit der Verhandlungen wirklich die Summe der Geſchäfte geſehen. Moritz dagegen trieb das Wichtigſte insgeheim, mit einem oder dem andern vertrauten Secretär, während die übrigen Räthe, die auch in ſeinem Vertrauen zu ſeyn glaubten, und es bis auf einen gewiſſen Grad waren, in ihrem einmal ein- geſchlagenen Gange blieben, ohne eine Ahnung von den Dingen zu haben die ihr Herr eigentlich im Schilde führte. Wichtige Briefſchaften auch nur etwa durch Zufall in ihre Hände kommen zu laſſen hütet er ſich ſorgfältig: er ſchickt ſie an ſeine Gemahlin, die ſie in ihrer Truhe wohlpetſchiert aufbewahren ſoll: 1 ſie kannte ihn genug, um ſich nicht daran zu vergreifen. Es giebt eine Art praktiſcher Zweizün- gigkeit, in der er ſo weit als möglich gieng. Im Februar 1551 hatte er ſich verpflichtet das Concilium nicht anzuer- kennen, und war entſchloſſen dazu: im Februar 1552 war der gute Melanchthon noch unterwegs in keiner andern Mei- nung, als er werde ſich nach Trient verfügen müſſen. Damals nun hatte Moritz eine ganz entſchiedene Rich- tung zum Bündniß mit den Franzoſen und gegen den Kai- ſer genommen: er war nicht der Meinung, vor einer Forde- rung die Frankreich machen konnte, zurückzuweichen, wofern ſie nur nicht dem Zwecke ſelber entgegenlief. Es mochte hinzukommen, daß der König von England den Antrag, der ihm nunmehr auch geſchehen war, mit weit- 1 Brief nr 12 bei Arndt, Nonnulla de ingenio et moribus Mauritii 1806.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/236
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/236>, abgerufen am 22.11.2024.