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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Moritz.

In der Regel hielt er sich leutselig. Zwar gerieth er
leicht in Zorn; man bemerkte aber daß er den Beleidig-
ten dann wieder durch irgend einen Gnadenbeweis zu fes-
seln suche.

Die religiöse Richtung seines Jahrhunderts hatte auf
ihn, so viel ich sehe, weniger beherrschenden Einfluß als
vielleicht auf irgend einen andern fürstlichen Zeitgenossen. In
seinen Briefen gedenkt er des allmächtigen Gottes, des ge-
rechten Gottes, der alles wohl machen werde: tiefer geht er
nicht; er scherzt wohl selbst darüber, daß er wenig bete.

Allgemeine große Ideen von weltgestaltendem Inhalt,
wie sie der Kaiser hegte, finde ich nicht in ihm; desto schär-
fer aber faßt er das Näher-liegende, bringe es nun Gefahr
oder Vortheil, ins Auge; unaufhörlich arbeitet seine Seele
an geheimen Plänen.

Er ist dafür bekannt daß er verschwiegen ist: er sagt
einmal selbst, man wisse daß ihm der Schnabel nicht lang
gewachsen, es wäre denn indem er dieß schreibe. Geht
er ja mit seinen Gedanken heraus, so fängt er wohl damit
an, das Entgegengesetzte von dem was er wünscht vorzu-
schlagen, z. B. im Gespräch mit dem Markgrafen die Be-
freiung seines Vetters Johann Friedrich, an der ihm nichts
liegt, nur damit dieser selbst die Befreiung des Landgrafen
zur Sprache bringe, die er zu bewirken wünscht. An Brie-
fen liegt ihm wenig: "ein Gespräch ist besser als viel be-
schriebenes Papier." Niemals hat er große Eile: ein paar
Monat mehr kümmern ihn wenig, wenn die Sache nur
gründlich vorbereitet wird und verborgen bleibt. Seine Rä-
the beklagten sich nicht mit Unrecht, daß unter Johann

Moritz.

In der Regel hielt er ſich leutſelig. Zwar gerieth er
leicht in Zorn; man bemerkte aber daß er den Beleidig-
ten dann wieder durch irgend einen Gnadenbeweis zu feſ-
ſeln ſuche.

Die religiöſe Richtung ſeines Jahrhunderts hatte auf
ihn, ſo viel ich ſehe, weniger beherrſchenden Einfluß als
vielleicht auf irgend einen andern fürſtlichen Zeitgenoſſen. In
ſeinen Briefen gedenkt er des allmächtigen Gottes, des ge-
rechten Gottes, der alles wohl machen werde: tiefer geht er
nicht; er ſcherzt wohl ſelbſt darüber, daß er wenig bete.

Allgemeine große Ideen von weltgeſtaltendem Inhalt,
wie ſie der Kaiſer hegte, finde ich nicht in ihm; deſto ſchär-
fer aber faßt er das Näher-liegende, bringe es nun Gefahr
oder Vortheil, ins Auge; unaufhörlich arbeitet ſeine Seele
an geheimen Plänen.

Er iſt dafür bekannt daß er verſchwiegen iſt: er ſagt
einmal ſelbſt, man wiſſe daß ihm der Schnabel nicht lang
gewachſen, es wäre denn indem er dieß ſchreibe. Geht
er ja mit ſeinen Gedanken heraus, ſo fängt er wohl damit
an, das Entgegengeſetzte von dem was er wünſcht vorzu-
ſchlagen, z. B. im Geſpräch mit dem Markgrafen die Be-
freiung ſeines Vetters Johann Friedrich, an der ihm nichts
liegt, nur damit dieſer ſelbſt die Befreiung des Landgrafen
zur Sprache bringe, die er zu bewirken wünſcht. An Brie-
fen liegt ihm wenig: „ein Geſpräch iſt beſſer als viel be-
ſchriebenes Papier.“ Niemals hat er große Eile: ein paar
Monat mehr kümmern ihn wenig, wenn die Sache nur
gründlich vorbereitet wird und verborgen bleibt. Seine Rä-
the beklagten ſich nicht mit Unrecht, daß unter Johann

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[223/0235] Moritz. In der Regel hielt er ſich leutſelig. Zwar gerieth er leicht in Zorn; man bemerkte aber daß er den Beleidig- ten dann wieder durch irgend einen Gnadenbeweis zu feſ- ſeln ſuche. Die religiöſe Richtung ſeines Jahrhunderts hatte auf ihn, ſo viel ich ſehe, weniger beherrſchenden Einfluß als vielleicht auf irgend einen andern fürſtlichen Zeitgenoſſen. In ſeinen Briefen gedenkt er des allmächtigen Gottes, des ge- rechten Gottes, der alles wohl machen werde: tiefer geht er nicht; er ſcherzt wohl ſelbſt darüber, daß er wenig bete. Allgemeine große Ideen von weltgeſtaltendem Inhalt, wie ſie der Kaiſer hegte, finde ich nicht in ihm; deſto ſchär- fer aber faßt er das Näher-liegende, bringe es nun Gefahr oder Vortheil, ins Auge; unaufhörlich arbeitet ſeine Seele an geheimen Plänen. Er iſt dafür bekannt daß er verſchwiegen iſt: er ſagt einmal ſelbſt, man wiſſe daß ihm der Schnabel nicht lang gewachſen, es wäre denn indem er dieß ſchreibe. Geht er ja mit ſeinen Gedanken heraus, ſo fängt er wohl damit an, das Entgegengeſetzte von dem was er wünſcht vorzu- ſchlagen, z. B. im Geſpräch mit dem Markgrafen die Be- freiung ſeines Vetters Johann Friedrich, an der ihm nichts liegt, nur damit dieſer ſelbſt die Befreiung des Landgrafen zur Sprache bringe, die er zu bewirken wünſcht. An Brie- fen liegt ihm wenig: „ein Geſpräch iſt beſſer als viel be- ſchriebenes Papier.“ Niemals hat er große Eile: ein paar Monat mehr kümmern ihn wenig, wenn die Sache nur gründlich vorbereitet wird und verborgen bleibt. Seine Rä- the beklagten ſich nicht mit Unrecht, daß unter Johann

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/235>, abgerufen am 23.11.2024.