Ich finde, der kaiserliche Hof erschrak hierüber; der Kai- ser und der Prinz giengen mit den beiden Granvellas förm- lich zu Rathe. "Der Hunger", meinten sie, "treibe den Wolf aus dem Holz." Sie beschlossen jedoch ihre Absichten noch nicht zu entdecken; fortwährend vermied der Kaiser mit sei- nem Bruder in die Region dieser Pläne zu kommen; der jüngere Granvella ward sogar beauftragt demselben seine Be- sorgnisse auszureden. 1
Erst als Maria angekommen, im September, geschah die Eröffnung.
Der König erklärte jedoch, er könne ohne die Anwesen- heit seines Sohnes, den die Sache am meisten angehe, sich in nichts einlassen. Schon waren alle Vorbereitungen zur Rückkehr desselben getroffen. Als Maximilian angelangt, kam auch Maria aus den Niederlanden wieder, und nun erst, im December 1550, begannen ernstliche Unterhandlungen.
Da sie mündlich gepflogen wurden, so sind wir über ihren Gang nicht authentisch unterrichtet.
Der päpstliche Nuntius, der die Verhandlung mit ge- spannter Aufmerksamkeit verfolgte, behauptet, bei den ersten Eröffnungen sey von einer Erledigung der noch schwebenden Würtenberger Irrungen zu Gunsten des Königs die Rede gewesen; eine Geldhülfe von ein paar Millionen sey ihm zur Fortsetzung des türkischen Krieges angetragen worden.
Später wollte man wissen, die Königin sey unwillig über die Räthe Ferdinands, ja über ihren Bruder selber, der
1 Schreiben Granvellas 25 August, im Anhang. Bei der Sammlung der Pap. d'et. hätte man sich nicht so ausschließend an die Besanconschen Papiere halten, sondern Wien und besonders Brüs- sel consultiren sollen.
Neuntes Buch. Drittes Capitel.
Ich finde, der kaiſerliche Hof erſchrak hierüber; der Kai- ſer und der Prinz giengen mit den beiden Granvellas förm- lich zu Rathe. „Der Hunger“, meinten ſie, „treibe den Wolf aus dem Holz.“ Sie beſchloſſen jedoch ihre Abſichten noch nicht zu entdecken; fortwährend vermied der Kaiſer mit ſei- nem Bruder in die Region dieſer Pläne zu kommen; der jüngere Granvella ward ſogar beauftragt demſelben ſeine Be- ſorgniſſe auszureden. 1
Erſt als Maria angekommen, im September, geſchah die Eröffnung.
Der König erklärte jedoch, er könne ohne die Anweſen- heit ſeines Sohnes, den die Sache am meiſten angehe, ſich in nichts einlaſſen. Schon waren alle Vorbereitungen zur Rückkehr deſſelben getroffen. Als Maximilian angelangt, kam auch Maria aus den Niederlanden wieder, und nun erſt, im December 1550, begannen ernſtliche Unterhandlungen.
Da ſie mündlich gepflogen wurden, ſo ſind wir über ihren Gang nicht authentiſch unterrichtet.
Der päpſtliche Nuntius, der die Verhandlung mit ge- ſpannter Aufmerkſamkeit verfolgte, behauptet, bei den erſten Eröffnungen ſey von einer Erledigung der noch ſchwebenden Würtenberger Irrungen zu Gunſten des Königs die Rede geweſen; eine Geldhülfe von ein paar Millionen ſey ihm zur Fortſetzung des türkiſchen Krieges angetragen worden.
Später wollte man wiſſen, die Königin ſey unwillig über die Räthe Ferdinands, ja über ihren Bruder ſelber, der
1 Schreiben Granvellas 25 Auguſt, im Anhang. Bei der Sammlung der Pap. d’ét. haͤtte man ſich nicht ſo ausſchließend an die Beſançonſchen Papiere halten, ſondern Wien und beſonders Bruͤſ- ſel conſultiren ſollen.
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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
Ich finde, der kaiſerliche Hof erſchrak hierüber; der Kai-
ſer und der Prinz giengen mit den beiden Granvellas förm-
lich zu Rathe. „Der Hunger“, meinten ſie, „treibe den Wolf
aus dem Holz.“ Sie beſchloſſen jedoch ihre Abſichten noch
nicht zu entdecken; fortwährend vermied der Kaiſer mit ſei-
nem Bruder in die Region dieſer Pläne zu kommen; der
jüngere Granvella ward ſogar beauftragt demſelben ſeine Be-
ſorgniſſe auszureden. 1
Erſt als Maria angekommen, im September, geſchah
die Eröffnung.
Der König erklärte jedoch, er könne ohne die Anweſen-
heit ſeines Sohnes, den die Sache am meiſten angehe, ſich
in nichts einlaſſen. Schon waren alle Vorbereitungen zur
Rückkehr deſſelben getroffen. Als Maximilian angelangt, kam
auch Maria aus den Niederlanden wieder, und nun erſt,
im December 1550, begannen ernſtliche Unterhandlungen.
Da ſie mündlich gepflogen wurden, ſo ſind wir über
ihren Gang nicht authentiſch unterrichtet.
Der päpſtliche Nuntius, der die Verhandlung mit ge-
ſpannter Aufmerkſamkeit verfolgte, behauptet, bei den erſten
Eröffnungen ſey von einer Erledigung der noch ſchwebenden
Würtenberger Irrungen zu Gunſten des Königs die Rede
geweſen; eine Geldhülfe von ein paar Millionen ſey ihm
zur Fortſetzung des türkiſchen Krieges angetragen worden.
Später wollte man wiſſen, die Königin ſey unwillig
über die Räthe Ferdinands, ja über ihren Bruder ſelber, der
1 Schreiben Granvellas 25 Auguſt, im Anhang. Bei der
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die Beſançonſchen Papiere halten, ſondern Wien und beſonders Bruͤſ-
ſel conſultiren ſollen.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/136>, abgerufen am 16.02.2025.
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