Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Stellung und Politik Carls V.
in der Franche-Comte eine Galerie von den Meisterstücken
der Kunst anlegte, durch diese allgemeinen Bestrebungen sei-
nen Geist für die Geschäfte erst recht geschärft hatte und
den wohlbegründeten Ruf genoß, daß er die europäischen
Geschäfte vollkommen verstehe. Er besaß ein ausnehmendes
Talent die Dinge sich von ferne bereiten zu sehen: in den
schwierigsten Fällen fehlte es ihm nie an einem Auskunfts-
mittel. Einige haben gemeint daß er den Kaiser leite: ich
finde daß er sich den Gesichtspuncten desselben ohne eine ei-
gene Richtung jedes Mal mit vollkommener Hingebung an-
schloß. In zwei ganz verschiedenen Epochen der kaiserlichen
Politik, der ersten wo sich der Kaiser den Protestanten geflis-
sentlich annäherte, und der zweiten wo er sie angriff, finden
wir ihn, obwohl es ihm einige Mühe kostete der letzten bei-
zutreten, gleich thätig und unermüdlich. Die Epoche des
Glückes die nunmehr eintrat, war für ihn, wie Mocenigo
sich ausdrückt, ein Brunnen von Gold; doch wußte man
wohl, daß ihn kein Geschenk von der Pflicht gegen den Kai-
ser auch nur um ein Haarbreit abwendig machen könne, der
ihn dafür wie einen Vater ehrte. 1

Die Methode der Verhandlung zwischen Carl und sei-
nen Ministern war, daß bei jedem zu fassenden Entschluß
alles was darüber gesagt werden konnte, unter den Rubri-
ken Für und Wider zusammengestellt, und die Puncte auf
deren Entscheidung es ankam, in Form der Frage dem Kai-
ser vorgelegt wurden. Unzerstreut durch irgend eine fremde

1 Mocenigo räth seiner Signoria nur, ihm "zuccari confetti,
speciarie"
zu schicken. E prudentissimo, destro, piacevole, affabile
molto
- -

Stellung und Politik Carls V.
in der Franche-Comte eine Galerie von den Meiſterſtücken
der Kunſt anlegte, durch dieſe allgemeinen Beſtrebungen ſei-
nen Geiſt für die Geſchäfte erſt recht geſchärft hatte und
den wohlbegründeten Ruf genoß, daß er die europäiſchen
Geſchäfte vollkommen verſtehe. Er beſaß ein ausnehmendes
Talent die Dinge ſich von ferne bereiten zu ſehen: in den
ſchwierigſten Fällen fehlte es ihm nie an einem Auskunfts-
mittel. Einige haben gemeint daß er den Kaiſer leite: ich
finde daß er ſich den Geſichtspuncten deſſelben ohne eine ei-
gene Richtung jedes Mal mit vollkommener Hingebung an-
ſchloß. In zwei ganz verſchiedenen Epochen der kaiſerlichen
Politik, der erſten wo ſich der Kaiſer den Proteſtanten gefliſ-
ſentlich annäherte, und der zweiten wo er ſie angriff, finden
wir ihn, obwohl es ihm einige Mühe koſtete der letzten bei-
zutreten, gleich thätig und unermüdlich. Die Epoche des
Glückes die nunmehr eintrat, war für ihn, wie Mocenigo
ſich ausdrückt, ein Brunnen von Gold; doch wußte man
wohl, daß ihn kein Geſchenk von der Pflicht gegen den Kai-
ſer auch nur um ein Haarbreit abwendig machen könne, der
ihn dafür wie einen Vater ehrte. 1

Die Methode der Verhandlung zwiſchen Carl und ſei-
nen Miniſtern war, daß bei jedem zu faſſenden Entſchluß
alles was darüber geſagt werden konnte, unter den Rubri-
ken Für und Wider zuſammengeſtellt, und die Puncte auf
deren Entſcheidung es ankam, in Form der Frage dem Kai-
ſer vorgelegt wurden. Unzerſtreut durch irgend eine fremde

1 Mocenigo raͤth ſeiner Signoria nur, ihm „zuccari confetti,
speciarie“
zu ſchicken. E prudentissimo, destro, piacevole, affabile
molto
‒ ‒
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0117" n="105"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Stellung und Politik Carls</hi><hi rendition="#aq">V.</hi></fw><lb/>
in der Franche-Comte eine Galerie von den Mei&#x017F;ter&#x017F;tücken<lb/>
der Kun&#x017F;t anlegte, durch die&#x017F;e allgemeinen Be&#x017F;trebungen &#x017F;ei-<lb/>
nen Gei&#x017F;t für die Ge&#x017F;chäfte er&#x017F;t recht ge&#x017F;chärft hatte und<lb/>
den wohlbegründeten Ruf genoß, daß er die europäi&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;chäfte vollkommen ver&#x017F;tehe. Er be&#x017F;aß ein ausnehmendes<lb/>
Talent die Dinge &#x017F;ich von ferne bereiten zu &#x017F;ehen: in den<lb/>
&#x017F;chwierig&#x017F;ten Fällen fehlte es ihm nie an einem Auskunfts-<lb/>
mittel. Einige haben gemeint daß er den Kai&#x017F;er leite: ich<lb/>
finde daß er &#x017F;ich den Ge&#x017F;ichtspuncten de&#x017F;&#x017F;elben ohne eine ei-<lb/>
gene Richtung jedes Mal mit vollkommener Hingebung an-<lb/>
&#x017F;chloß. In zwei ganz ver&#x017F;chiedenen Epochen der kai&#x017F;erlichen<lb/>
Politik, der er&#x017F;ten wo &#x017F;ich der Kai&#x017F;er den Prote&#x017F;tanten gefli&#x017F;-<lb/>
&#x017F;entlich annäherte, und der zweiten wo er &#x017F;ie angriff, finden<lb/>
wir ihn, obwohl es ihm einige Mühe ko&#x017F;tete der letzten bei-<lb/>
zutreten, gleich thätig und unermüdlich. Die Epoche des<lb/>
Glückes die nunmehr eintrat, war für ihn, wie Mocenigo<lb/>
&#x017F;ich ausdrückt, ein Brunnen von Gold; doch wußte man<lb/>
wohl, daß ihn kein Ge&#x017F;chenk von der Pflicht gegen den Kai-<lb/>
&#x017F;er auch nur um ein Haarbreit abwendig machen könne, der<lb/>
ihn dafür wie einen Vater ehrte. <note place="foot" n="1">Mocenigo ra&#x0364;th &#x017F;einer Signoria nur, ihm <hi rendition="#aq">&#x201E;zuccari confetti,<lb/>
speciarie&#x201C;</hi> zu &#x017F;chicken. <hi rendition="#aq">E prudentissimo, destro, piacevole, affabile<lb/>
molto</hi> &#x2012; &#x2012;</note></p><lb/>
          <p>Die Methode der Verhandlung zwi&#x017F;chen Carl und &#x017F;ei-<lb/>
nen Mini&#x017F;tern war, daß bei jedem zu fa&#x017F;&#x017F;enden Ent&#x017F;chluß<lb/>
alles was darüber ge&#x017F;agt werden konnte, unter den Rubri-<lb/>
ken Für und Wider zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellt, und die Puncte auf<lb/>
deren Ent&#x017F;cheidung es ankam, in Form der Frage dem Kai-<lb/>
&#x017F;er vorgelegt wurden. Unzer&#x017F;treut durch irgend eine fremde<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0117] Stellung und Politik Carls V. in der Franche-Comte eine Galerie von den Meiſterſtücken der Kunſt anlegte, durch dieſe allgemeinen Beſtrebungen ſei- nen Geiſt für die Geſchäfte erſt recht geſchärft hatte und den wohlbegründeten Ruf genoß, daß er die europäiſchen Geſchäfte vollkommen verſtehe. Er beſaß ein ausnehmendes Talent die Dinge ſich von ferne bereiten zu ſehen: in den ſchwierigſten Fällen fehlte es ihm nie an einem Auskunfts- mittel. Einige haben gemeint daß er den Kaiſer leite: ich finde daß er ſich den Geſichtspuncten deſſelben ohne eine ei- gene Richtung jedes Mal mit vollkommener Hingebung an- ſchloß. In zwei ganz verſchiedenen Epochen der kaiſerlichen Politik, der erſten wo ſich der Kaiſer den Proteſtanten gefliſ- ſentlich annäherte, und der zweiten wo er ſie angriff, finden wir ihn, obwohl es ihm einige Mühe koſtete der letzten bei- zutreten, gleich thätig und unermüdlich. Die Epoche des Glückes die nunmehr eintrat, war für ihn, wie Mocenigo ſich ausdrückt, ein Brunnen von Gold; doch wußte man wohl, daß ihn kein Geſchenk von der Pflicht gegen den Kai- ſer auch nur um ein Haarbreit abwendig machen könne, der ihn dafür wie einen Vater ehrte. 1 Die Methode der Verhandlung zwiſchen Carl und ſei- nen Miniſtern war, daß bei jedem zu faſſenden Entſchluß alles was darüber geſagt werden konnte, unter den Rubri- ken Für und Wider zuſammengeſtellt, und die Puncte auf deren Entſcheidung es ankam, in Form der Frage dem Kai- ſer vorgelegt wurden. Unzerſtreut durch irgend eine fremde 1 Mocenigo raͤth ſeiner Signoria nur, ihm „zuccari confetti, speciarie“ zu ſchicken. E prudentissimo, destro, piacevole, affabile molto ‒ ‒

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/117
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/117>, abgerufen am 04.05.2024.