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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
Gegenwart, mit sich allein, in der Ruhe des Cabinets, er-
wog der Herr -- denn mit diesem und keinem andern Na-
men wird er in seinem Hause bezeichnet -- die aufgestell-
ten Fragen, und entschied sie mit Ja oder Nein, Worte die
er an den Rand des Blattes schrieb, zuweilen mit ein paar
näheren Bestimmungen. Alle Morgen trug der Kammer-
diener Adrian, eine wichtige Person an diesem Hofe, da er
die Stimmung des Augenblickes kannte, -- man sagt, es
sey ihm zu Statten gekommen daß er weder lesen noch
schreiben konnte -- die Papiere hin und her. 1 Conferen-
zen folgten, doch waren sie nicht so häufig, wie man glau-
ben sollte: in schriftlichem Verfahren wurden die Beschlüsse
eingeleitet und gereift.

Überhaupt gieng es am Hofe des Kaisers sehr still
her. Er verschmähte sinnliche Genüsse nicht, wie er denn
zu viel und zu gut aß: 2 von andern Unordnungen möchte
er, wenigstens während seines Witwerstandes, nicht frei zu
sprechen seyn; dagegen war an lärmende Vergnügungen,
Festlichkeiten, äußere Pracht bei ihm nicht zu denken: zu-
mal da die Krankheit sein gewöhnlicher Zustand und Ge-
sundheit die Ausnahme war. Schon im Februar 1549
wird er uns geschildert, wie er mit gebücktem Rücken,
todtenbleich, mit farbloser Lippe, in seinem Zimmer am

1 Dieser Adriano della camera spielt in den Berichten der
Gesandten, z. B. der florentinischen, immer eine Rolle.
2 Cose da generar humori, wie Badoero sagt. Er klagte
einst gegen Monfalcourt, daß die Speisen unschmackhaft bereitet wür-
den; dieser drohte ihm: di far fare una nuova vivanda di polaggi
et horologi.
Badoero wiederholt freilich nur den Ruf des Hofes,
aber er sagt unumwunden: e stato nei piaceri venerei di non tem-
perata volonta.

Neuntes Buch. Drittes Capitel.
Gegenwart, mit ſich allein, in der Ruhe des Cabinets, er-
wog der Herr — denn mit dieſem und keinem andern Na-
men wird er in ſeinem Hauſe bezeichnet — die aufgeſtell-
ten Fragen, und entſchied ſie mit Ja oder Nein, Worte die
er an den Rand des Blattes ſchrieb, zuweilen mit ein paar
näheren Beſtimmungen. Alle Morgen trug der Kammer-
diener Adrian, eine wichtige Perſon an dieſem Hofe, da er
die Stimmung des Augenblickes kannte, — man ſagt, es
ſey ihm zu Statten gekommen daß er weder leſen noch
ſchreiben konnte — die Papiere hin und her. 1 Conferen-
zen folgten, doch waren ſie nicht ſo häufig, wie man glau-
ben ſollte: in ſchriftlichem Verfahren wurden die Beſchlüſſe
eingeleitet und gereift.

Überhaupt gieng es am Hofe des Kaiſers ſehr ſtill
her. Er verſchmähte ſinnliche Genüſſe nicht, wie er denn
zu viel und zu gut aß: 2 von andern Unordnungen möchte
er, wenigſtens während ſeines Witwerſtandes, nicht frei zu
ſprechen ſeyn; dagegen war an lärmende Vergnügungen,
Feſtlichkeiten, äußere Pracht bei ihm nicht zu denken: zu-
mal da die Krankheit ſein gewöhnlicher Zuſtand und Ge-
ſundheit die Ausnahme war. Schon im Februar 1549
wird er uns geſchildert, wie er mit gebücktem Rücken,
todtenbleich, mit farbloſer Lippe, in ſeinem Zimmer am

1 Dieſer Adriano della camera ſpielt in den Berichten der
Geſandten, z. B. der florentiniſchen, immer eine Rolle.
2 Cose da generar humori, wie Badoero ſagt. Er klagte
einſt gegen Monfalcourt, daß die Speiſen unſchmackhaft bereitet wuͤr-
den; dieſer drohte ihm: di far fare una nuova vivanda di polaggi
et horologi.
Badoero wiederholt freilich nur den Ruf des Hofes,
aber er ſagt unumwunden: è stato nei piaceri venerei di non tem-
perata volontà.
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[106/0118] Neuntes Buch. Drittes Capitel. Gegenwart, mit ſich allein, in der Ruhe des Cabinets, er- wog der Herr — denn mit dieſem und keinem andern Na- men wird er in ſeinem Hauſe bezeichnet — die aufgeſtell- ten Fragen, und entſchied ſie mit Ja oder Nein, Worte die er an den Rand des Blattes ſchrieb, zuweilen mit ein paar näheren Beſtimmungen. Alle Morgen trug der Kammer- diener Adrian, eine wichtige Perſon an dieſem Hofe, da er die Stimmung des Augenblickes kannte, — man ſagt, es ſey ihm zu Statten gekommen daß er weder leſen noch ſchreiben konnte — die Papiere hin und her. 1 Conferen- zen folgten, doch waren ſie nicht ſo häufig, wie man glau- ben ſollte: in ſchriftlichem Verfahren wurden die Beſchlüſſe eingeleitet und gereift. Überhaupt gieng es am Hofe des Kaiſers ſehr ſtill her. Er verſchmähte ſinnliche Genüſſe nicht, wie er denn zu viel und zu gut aß: 2 von andern Unordnungen möchte er, wenigſtens während ſeines Witwerſtandes, nicht frei zu ſprechen ſeyn; dagegen war an lärmende Vergnügungen, Feſtlichkeiten, äußere Pracht bei ihm nicht zu denken: zu- mal da die Krankheit ſein gewöhnlicher Zuſtand und Ge- ſundheit die Ausnahme war. Schon im Februar 1549 wird er uns geſchildert, wie er mit gebücktem Rücken, todtenbleich, mit farbloſer Lippe, in ſeinem Zimmer am 1 Dieſer Adriano della camera ſpielt in den Berichten der Geſandten, z. B. der florentiniſchen, immer eine Rolle. 2 Cose da generar humori, wie Badoero ſagt. Er klagte einſt gegen Monfalcourt, daß die Speiſen unſchmackhaft bereitet wuͤr- den; dieſer drohte ihm: di far fare una nuova vivanda di polaggi et horologi. Badoero wiederholt freilich nur den Ruf des Hofes, aber er ſagt unumwunden: è stato nei piaceri venerei di non tem- perata volontà.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/118>, abgerufen am 24.11.2024.