gen, hin und wieder erwogen werden: und so geschieht es wohl daß sie zuweilen ein wenig gedehnt erscheinen; allein sie zeigen ein vollkommenes, den Geist erfüllendes Bewußt- seyn des gegenwärtigen Moments, den sie auf das trefflichste erläutern: sie sind gründlich und fein, umfassend und ein- dringend, sie eröffnen die Motive der Handlungen mit über- raschender Klarheit, und halten immer an der großen Ten- denz fest, welche einmal ergriffen worden. Man dürfte aber nicht glauben daß sie alles sagen. Ferdinand redet wohl einmal von der Möglichkeit, daß der Kaiser Herr von Deutschland werden könne: Carl V würde dieß Wort nie- mals aussprechen, niemals giebt er sich bloß.
Vielmehr mit der unausgesprochenen Absicht die in sei- ner Seele lebt, beherrscht er alle und leitet er alles.
Anfangs führten Chievres und Gattinara die Geschäfte: da bemerkte man nur, wie eifrig der junge Fürst sich denselben widme, wie er sein vornehmstes Vergnügen daran finde; nach Gattinaras Tod nahm er sie selber in die Hand.
Noch heißt es eine Zeitlang, er thue nichts ohne seine Minister: bald darauf hören wir, daß sie nichts thun ohne ihn; allmählig bekennt ein Jeder, daß er selbst die Haupt- sache ausrichtet, daß er von den klugen Leuten die er um sich versammelt, selber der Klügste ist.
In dem Minister der ihm während der großen Ereig- nisse die wir betrachtet, vornehmlich zur Seite stand, Nico- las Perrenot Granvella, dem ältern, hatte er jedoch in die- sem Rufe fast einen Nebenbuhler und gewiß einen unver- gleichlichen Gehülfen gefunden. Granvella war ein Mann der den halben Virgil auswendig wußte, sich in seiner Heimath
Neuntes Buch. Drittes Capitel.
gen, hin und wieder erwogen werden: und ſo geſchieht es wohl daß ſie zuweilen ein wenig gedehnt erſcheinen; allein ſie zeigen ein vollkommenes, den Geiſt erfüllendes Bewußt- ſeyn des gegenwärtigen Moments, den ſie auf das trefflichſte erläutern: ſie ſind gründlich und fein, umfaſſend und ein- dringend, ſie eröffnen die Motive der Handlungen mit über- raſchender Klarheit, und halten immer an der großen Ten- denz feſt, welche einmal ergriffen worden. Man dürfte aber nicht glauben daß ſie alles ſagen. Ferdinand redet wohl einmal von der Möglichkeit, daß der Kaiſer Herr von Deutſchland werden könne: Carl V würde dieß Wort nie- mals ausſprechen, niemals giebt er ſich bloß.
Vielmehr mit der unausgeſprochenen Abſicht die in ſei- ner Seele lebt, beherrſcht er alle und leitet er alles.
Anfangs führten Chievres und Gattinara die Geſchäfte: da bemerkte man nur, wie eifrig der junge Fürſt ſich denſelben widme, wie er ſein vornehmſtes Vergnügen daran finde; nach Gattinaras Tod nahm er ſie ſelber in die Hand.
Noch heißt es eine Zeitlang, er thue nichts ohne ſeine Miniſter: bald darauf hören wir, daß ſie nichts thun ohne ihn; allmählig bekennt ein Jeder, daß er ſelbſt die Haupt- ſache ausrichtet, daß er von den klugen Leuten die er um ſich verſammelt, ſelber der Klügſte iſt.
In dem Miniſter der ihm während der großen Ereig- niſſe die wir betrachtet, vornehmlich zur Seite ſtand, Nico- las Perrenot Granvella, dem ältern, hatte er jedoch in die- ſem Rufe faſt einen Nebenbuhler und gewiß einen unver- gleichlichen Gehülfen gefunden. Granvella war ein Mann der den halben Virgil auswendig wußte, ſich in ſeiner Heimath
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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
gen, hin und wieder erwogen werden: und ſo geſchieht es
wohl daß ſie zuweilen ein wenig gedehnt erſcheinen; allein
ſie zeigen ein vollkommenes, den Geiſt erfüllendes Bewußt-
ſeyn des gegenwärtigen Moments, den ſie auf das trefflichſte
erläutern: ſie ſind gründlich und fein, umfaſſend und ein-
dringend, ſie eröffnen die Motive der Handlungen mit über-
raſchender Klarheit, und halten immer an der großen Ten-
denz feſt, welche einmal ergriffen worden. Man dürfte aber
nicht glauben daß ſie alles ſagen. Ferdinand redet wohl
einmal von der Möglichkeit, daß der Kaiſer Herr von
Deutſchland werden könne: Carl V würde dieß Wort nie-
mals ausſprechen, niemals giebt er ſich bloß.
Vielmehr mit der unausgeſprochenen Abſicht die in ſei-
ner Seele lebt, beherrſcht er alle und leitet er alles.
Anfangs führten Chievres und Gattinara die Geſchäfte:
da bemerkte man nur, wie eifrig der junge Fürſt ſich denſelben
widme, wie er ſein vornehmſtes Vergnügen daran finde;
nach Gattinaras Tod nahm er ſie ſelber in die Hand.
Noch heißt es eine Zeitlang, er thue nichts ohne ſeine
Miniſter: bald darauf hören wir, daß ſie nichts thun ohne
ihn; allmählig bekennt ein Jeder, daß er ſelbſt die Haupt-
ſache ausrichtet, daß er von den klugen Leuten die er um
ſich verſammelt, ſelber der Klügſte iſt.
In dem Miniſter der ihm während der großen Ereig-
niſſe die wir betrachtet, vornehmlich zur Seite ſtand, Nico-
las Perrenot Granvella, dem ältern, hatte er jedoch in die-
ſem Rufe faſt einen Nebenbuhler und gewiß einen unver-
gleichlichen Gehülfen gefunden. Granvella war ein Mann der
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/116>, abgerufen am 23.07.2024.
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