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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Erweiterung des schmalkaldischen Bundes.

So eben ließ sich das hoffen.

Französische Agenten durchzogen im Jahre 1535 Deutsch-
land
, und suchten besonders die evangelischen Stände auf
ihre Seite zu bringen: Franz I rechnete auf sie bei seinem
Vorhaben alle Gegner des Kaisers um sich zu sammeln und
dadurch das Gleichgewicht mit demselben wiederherzustellen.
Das Haus Östreich wandte alles an um dieß zu verhindern:
besonders König Ferdinand, der vor dem Jahre empfunden,
zu welchen Folgen eine Verbindung dieser Art führen konnte.

Und dazu kam, daß sich an dem Hofe des Königs eine
gewisse Sympathie für die Protestanten regte.

Sie beruhte darauf, daß der König, der das Land mit
vielen Schulden und überhaupt in bedrängtem finanziellen
Zustand übernommen, auf die Bewilligungen seiner Landtage
angewiesen war, wo Herren und Edelleute das meiste ver-
mochten: unter diesen aber die Hinneigung zu den Grund-
sätzen der religiösen Reform schon damals sehr stark um sich
griff. Der Erzbischof von Lunden berichtet dem Kaiser im No-
vember 1534, in seines Bruders Gebieten seyen Herren und
Edelleute fast sämmtlich den lutherischen Meinungen zuge-
than; keiner lasse sich sagen; schon werde auch der Bürger-
stand und das gemeine Volk davon ergriffen. 1 Die Ein-
gaben der Landstände, die unter andern bereits im Jahre 1531
die Predigt des lauteren Gotteswortes ohne menschlichen Zu-
satz forderten, bezeugen diese Gesinnung. Geistliche Güter wur-
den in Östreich fortwährend eingezogen, und man nannte

1 Lyntii d. XI Novembris 1534. Praeterea in omnibus do-
miniis regiae Majestatis proceres et nobiles quasi omnes sequuntur
Lutheri opinionem, et nemo verbo corrigitur, quisque agit pro
suo arbitrio.
Arch. zu Brüssel.
Erweiterung des ſchmalkaldiſchen Bundes.

So eben ließ ſich das hoffen.

Franzöſiſche Agenten durchzogen im Jahre 1535 Deutſch-
land
, und ſuchten beſonders die evangeliſchen Stände auf
ihre Seite zu bringen: Franz I rechnete auf ſie bei ſeinem
Vorhaben alle Gegner des Kaiſers um ſich zu ſammeln und
dadurch das Gleichgewicht mit demſelben wiederherzuſtellen.
Das Haus Öſtreich wandte alles an um dieß zu verhindern:
beſonders König Ferdinand, der vor dem Jahre empfunden,
zu welchen Folgen eine Verbindung dieſer Art führen konnte.

Und dazu kam, daß ſich an dem Hofe des Königs eine
gewiſſe Sympathie für die Proteſtanten regte.

Sie beruhte darauf, daß der König, der das Land mit
vielen Schulden und überhaupt in bedrängtem finanziellen
Zuſtand übernommen, auf die Bewilligungen ſeiner Landtage
angewieſen war, wo Herren und Edelleute das meiſte ver-
mochten: unter dieſen aber die Hinneigung zu den Grund-
ſätzen der religiöſen Reform ſchon damals ſehr ſtark um ſich
griff. Der Erzbiſchof von Lunden berichtet dem Kaiſer im No-
vember 1534, in ſeines Bruders Gebieten ſeyen Herren und
Edelleute faſt ſämmtlich den lutheriſchen Meinungen zuge-
than; keiner laſſe ſich ſagen; ſchon werde auch der Bürger-
ſtand und das gemeine Volk davon ergriffen. 1 Die Ein-
gaben der Landſtände, die unter andern bereits im Jahre 1531
die Predigt des lauteren Gotteswortes ohne menſchlichen Zu-
ſatz forderten, bezeugen dieſe Geſinnung. Geiſtliche Güter wur-
den in Öſtreich fortwährend eingezogen, und man nannte

1 Lyntii d. XI Novembris 1534. Praeterea in omnibus do-
miniis regiae Majestatis proceres et nobiles quasi omnes sequuntur
Lutheri opinionem, et nemo verbo corrigitur, quisque agit pro
suo arbitrio.
Arch. zu Bruͤſſel.
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[73/0085] Erweiterung des ſchmalkaldiſchen Bundes. So eben ließ ſich das hoffen. Franzöſiſche Agenten durchzogen im Jahre 1535 Deutſch- land, und ſuchten beſonders die evangeliſchen Stände auf ihre Seite zu bringen: Franz I rechnete auf ſie bei ſeinem Vorhaben alle Gegner des Kaiſers um ſich zu ſammeln und dadurch das Gleichgewicht mit demſelben wiederherzuſtellen. Das Haus Öſtreich wandte alles an um dieß zu verhindern: beſonders König Ferdinand, der vor dem Jahre empfunden, zu welchen Folgen eine Verbindung dieſer Art führen konnte. Und dazu kam, daß ſich an dem Hofe des Königs eine gewiſſe Sympathie für die Proteſtanten regte. Sie beruhte darauf, daß der König, der das Land mit vielen Schulden und überhaupt in bedrängtem finanziellen Zuſtand übernommen, auf die Bewilligungen ſeiner Landtage angewieſen war, wo Herren und Edelleute das meiſte ver- mochten: unter dieſen aber die Hinneigung zu den Grund- ſätzen der religiöſen Reform ſchon damals ſehr ſtark um ſich griff. Der Erzbiſchof von Lunden berichtet dem Kaiſer im No- vember 1534, in ſeines Bruders Gebieten ſeyen Herren und Edelleute faſt ſämmtlich den lutheriſchen Meinungen zuge- than; keiner laſſe ſich ſagen; ſchon werde auch der Bürger- ſtand und das gemeine Volk davon ergriffen. 1 Die Ein- gaben der Landſtände, die unter andern bereits im Jahre 1531 die Predigt des lauteren Gotteswortes ohne menſchlichen Zu- ſatz forderten, bezeugen dieſe Geſinnung. Geiſtliche Güter wur- den in Öſtreich fortwährend eingezogen, und man nannte 1 Lyntii d. XI Novembris 1534. Praeterea in omnibus do- miniis regiae Majestatis proceres et nobiles quasi omnes sequuntur Lutheri opinionem, et nemo verbo corrigitur, quisque agit pro suo arbitrio. Arch. zu Bruͤſſel.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/85>, abgerufen am 05.05.2024.