sie zu vollziehen. Es war ihnen widerwärtig genug, daß der Kaiser durch den Frieden von 1532 und die darauf ergan- genen Declarationen einen großen Theil der Stände dem Be- reich dieser Gefahren entzogen hatte; aber von ihrem Recht gegen die Übrigen wollten sie darum mit nichten abstehn.
Dadurch entsprang nun aber ein Zustand von Unsicher- heit für die nicht namentlich ausgenommenen Stände, der ganz Deutschland mit Feindseligkeiten erfüllte. Und welch ein zufälliger Unterschied war es doch, daß die Einen im Nürn- berger Frieden genannt worden, die andern nicht! Ein Zu- geständniß das nur auf dem Vortheil der frühern Zeit beruhte konnte unmöglich auf lange Dauer rechnen, wenn das dem- selben entgegengesetzte Prinzip stark genug war, zur Verfol- gung der später hinzugetretenen zu schreiten.
Auf den ersten Blick leuchtete ein, daß das wahre Mittel, diesem Übel abzuhelfen, in der Aufnahme der Ge- fährdeten in den schmalkaldischen Bund bestehe, wodurch dieser verstärkt und jene geschützt werden konnten. Das hatte jedoch die Schwierigkeit, daß im Nürnberger Frieden Dieje- nigen denen er zu Gute kommen sollte, nahmhaft gemacht, und eben dadurch alle Andern von der Wohlthat desselben ausgeschlossen waren. Eine Erweiterung des Bundes war dabei zwar nicht verboten, aber auch nicht vorbehalten. Ge- riethen nicht die namentlich Einbegriffenen, wenn sie Andre in ihren Bund zogen, dadurch in Gefahr, die Concession wie- der zu verlieren, die ihnen zu Theil geworden?
Nur in dem Einen Falle nicht, wenn dieselbe Macht welche die Concession gewährt hatte, sich auch einer Erwei- terung derselben wenigstens nicht geradezu widersetzte.
Siebentes Buch. Zweites Capitel.
ſie zu vollziehen. Es war ihnen widerwärtig genug, daß der Kaiſer durch den Frieden von 1532 und die darauf ergan- genen Declarationen einen großen Theil der Stände dem Be- reich dieſer Gefahren entzogen hatte; aber von ihrem Recht gegen die Übrigen wollten ſie darum mit nichten abſtehn.
Dadurch entſprang nun aber ein Zuſtand von Unſicher- heit für die nicht namentlich ausgenommenen Stände, der ganz Deutſchland mit Feindſeligkeiten erfüllte. Und welch ein zufälliger Unterſchied war es doch, daß die Einen im Nürn- berger Frieden genannt worden, die andern nicht! Ein Zu- geſtändniß das nur auf dem Vortheil der frühern Zeit beruhte konnte unmöglich auf lange Dauer rechnen, wenn das dem- ſelben entgegengeſetzte Prinzip ſtark genug war, zur Verfol- gung der ſpäter hinzugetretenen zu ſchreiten.
Auf den erſten Blick leuchtete ein, daß das wahre Mittel, dieſem Übel abzuhelfen, in der Aufnahme der Ge- fährdeten in den ſchmalkaldiſchen Bund beſtehe, wodurch dieſer verſtärkt und jene geſchützt werden konnten. Das hatte jedoch die Schwierigkeit, daß im Nürnberger Frieden Dieje- nigen denen er zu Gute kommen ſollte, nahmhaft gemacht, und eben dadurch alle Andern von der Wohlthat deſſelben ausgeſchloſſen waren. Eine Erweiterung des Bundes war dabei zwar nicht verboten, aber auch nicht vorbehalten. Ge- riethen nicht die namentlich Einbegriffenen, wenn ſie Andre in ihren Bund zogen, dadurch in Gefahr, die Conceſſion wie- der zu verlieren, die ihnen zu Theil geworden?
Nur in dem Einen Falle nicht, wenn dieſelbe Macht welche die Conceſſion gewährt hatte, ſich auch einer Erwei- terung derſelben wenigſtens nicht geradezu widerſetzte.
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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
ſie zu vollziehen. Es war ihnen widerwärtig genug, daß der
Kaiſer durch den Frieden von 1532 und die darauf ergan-
genen Declarationen einen großen Theil der Stände dem Be-
reich dieſer Gefahren entzogen hatte; aber von ihrem Recht
gegen die Übrigen wollten ſie darum mit nichten abſtehn.
Dadurch entſprang nun aber ein Zuſtand von Unſicher-
heit für die nicht namentlich ausgenommenen Stände, der
ganz Deutſchland mit Feindſeligkeiten erfüllte. Und welch ein
zufälliger Unterſchied war es doch, daß die Einen im Nürn-
berger Frieden genannt worden, die andern nicht! Ein Zu-
geſtändniß das nur auf dem Vortheil der frühern Zeit beruhte
konnte unmöglich auf lange Dauer rechnen, wenn das dem-
ſelben entgegengeſetzte Prinzip ſtark genug war, zur Verfol-
gung der ſpäter hinzugetretenen zu ſchreiten.
Auf den erſten Blick leuchtete ein, daß das wahre
Mittel, dieſem Übel abzuhelfen, in der Aufnahme der Ge-
fährdeten in den ſchmalkaldiſchen Bund beſtehe, wodurch
dieſer verſtärkt und jene geſchützt werden konnten. Das hatte
jedoch die Schwierigkeit, daß im Nürnberger Frieden Dieje-
nigen denen er zu Gute kommen ſollte, nahmhaft gemacht,
und eben dadurch alle Andern von der Wohlthat deſſelben
ausgeſchloſſen waren. Eine Erweiterung des Bundes war
dabei zwar nicht verboten, aber auch nicht vorbehalten. Ge-
riethen nicht die namentlich Einbegriffenen, wenn ſie Andre
in ihren Bund zogen, dadurch in Gefahr, die Conceſſion wie-
der zu verlieren, die ihnen zu Theil geworden?
Nur in dem Einen Falle nicht, wenn dieſelbe Macht
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/84>, abgerufen am 24.11.2024.
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