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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
die Familien die dadurch reich geworden. Unmöglich konnte
in einem Lande, von welchem der Venezianer Cavalli be
merkt, der Adel sey darin mächtiger als der Fürst, die Po-
litik sich von diesen Einflüssen auf die Länge frei halten.

Als den ersten Repräsentanten der deutsch-östreichischen,
von den spanischen und römischen Interessen nicht geradezu
fortgerissenen Politik müssen wir den Rath des Königs Jo-
hann Hofmann
ansehen, den wir zuerst als Hauptmann in
Neustadt, und Schatzmeister finden, der aber allmählig am
Hof die größte Rolle spielte. Längst war Salamanca ge-
wichen; auch der Bischof von Trient hielt sich entfernt, weil
er sah daß er doch nur wenig ausrichten könne; Hofmann,
Rogendorf, Dietrichstein, Leonhard von Fels, enge unter ein-
ander verbunden, hatten die wichtigsten Geschäfte in den
Händen. Schon war Östreich den Herzogen von Baiern
und dem Erzbischof von Salzburg nicht katholisch genug;
sie wollten mit Hofmann nichts zu thun haben; "sie hal-
ten ihn", sagt Lunden, "für verdächtig in unserer Religion";
Lunden versichert, "es gebe wenig Leute am Hof, an de-
nen man nicht einen Geruch der neuen Lehre spüre." Noch
weniger zufrieden waren die norddeutschen Katholiken, welche
den Abschluß eines katholischen Bundes und die Errichtung
eines Heeres, das dann wie gegen die Protestanten so auch
gegen Frankreich gebraucht werden könnte, 1 in Antrag ge-

1 Schreiben des Erzbischofs von Lunden 8 April 1535. Op-
tabant ob id, ut notabilis exercitus in Germania Mtis Vestre no-
mine conscribatur, - - medietatem majestates vestre ambo sti-
pendia exolverent; reliquam medietatem ipsi principes in im-
perio stabilire atque exigente necessitate exercitum totum con-
tra Francorum regem aut Wayvodam emittere, et eorum opera
pro voluntate uti.

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
die Familien die dadurch reich geworden. Unmöglich konnte
in einem Lande, von welchem der Venezianer Cavalli be
merkt, der Adel ſey darin mächtiger als der Fürſt, die Po-
litik ſich von dieſen Einflüſſen auf die Länge frei halten.

Als den erſten Repräſentanten der deutſch-öſtreichiſchen,
von den ſpaniſchen und römiſchen Intereſſen nicht geradezu
fortgeriſſenen Politik müſſen wir den Rath des Königs Jo-
hann Hofmann
anſehen, den wir zuerſt als Hauptmann in
Neuſtadt, und Schatzmeiſter finden, der aber allmählig am
Hof die größte Rolle ſpielte. Längſt war Salamanca ge-
wichen; auch der Biſchof von Trient hielt ſich entfernt, weil
er ſah daß er doch nur wenig ausrichten könne; Hofmann,
Rogendorf, Dietrichſtein, Leonhard von Fels, enge unter ein-
ander verbunden, hatten die wichtigſten Geſchäfte in den
Händen. Schon war Öſtreich den Herzogen von Baiern
und dem Erzbiſchof von Salzburg nicht katholiſch genug;
ſie wollten mit Hofmann nichts zu thun haben; „ſie hal-
ten ihn“, ſagt Lunden, „für verdächtig in unſerer Religion“;
Lunden verſichert, „es gebe wenig Leute am Hof, an de-
nen man nicht einen Geruch der neuen Lehre ſpüre.“ Noch
weniger zufrieden waren die norddeutſchen Katholiken, welche
den Abſchluß eines katholiſchen Bundes und die Errichtung
eines Heeres, das dann wie gegen die Proteſtanten ſo auch
gegen Frankreich gebraucht werden könnte, 1 in Antrag ge-

1 Schreiben des Erzbiſchofs von Lunden 8 April 1535. Op-
tabant ob id, ut notabilis exercitus in Germania Mtis Vestre no-
mine conscribatur, ‒ ‒ medietatem majestates vestre ambo sti-
pendia exolverent; reliquam medietatem ipsi principes in im-
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tra Francorum regem aut Wayvodam emittere, et eorum opera
pro voluntate uti.
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[74/0086] Siebentes Buch. Zweites Capitel. die Familien die dadurch reich geworden. Unmöglich konnte in einem Lande, von welchem der Venezianer Cavalli be merkt, der Adel ſey darin mächtiger als der Fürſt, die Po- litik ſich von dieſen Einflüſſen auf die Länge frei halten. Als den erſten Repräſentanten der deutſch-öſtreichiſchen, von den ſpaniſchen und römiſchen Intereſſen nicht geradezu fortgeriſſenen Politik müſſen wir den Rath des Königs Jo- hann Hofmann anſehen, den wir zuerſt als Hauptmann in Neuſtadt, und Schatzmeiſter finden, der aber allmählig am Hof die größte Rolle ſpielte. Längſt war Salamanca ge- wichen; auch der Biſchof von Trient hielt ſich entfernt, weil er ſah daß er doch nur wenig ausrichten könne; Hofmann, Rogendorf, Dietrichſtein, Leonhard von Fels, enge unter ein- ander verbunden, hatten die wichtigſten Geſchäfte in den Händen. Schon war Öſtreich den Herzogen von Baiern und dem Erzbiſchof von Salzburg nicht katholiſch genug; ſie wollten mit Hofmann nichts zu thun haben; „ſie hal- ten ihn“, ſagt Lunden, „für verdächtig in unſerer Religion“; Lunden verſichert, „es gebe wenig Leute am Hof, an de- nen man nicht einen Geruch der neuen Lehre ſpüre.“ Noch weniger zufrieden waren die norddeutſchen Katholiken, welche den Abſchluß eines katholiſchen Bundes und die Errichtung eines Heeres, das dann wie gegen die Proteſtanten ſo auch gegen Frankreich gebraucht werden könnte, 1 in Antrag ge- 1 Schreiben des Erzbiſchofs von Lunden 8 April 1535. Op- tabant ob id, ut notabilis exercitus in Germania Mtis Vestre no- mine conscribatur, ‒ ‒ medietatem majestates vestre ambo sti- pendia exolverent; reliquam medietatem ipsi principes in im- perio stabilire atque exigente necessitate exercitum totum con- tra Francorum regem aut Wayvodam emittere, et eorum opera pro voluntate uti.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/86>, abgerufen am 04.05.2024.