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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Schlacht bei Mühlberg.
gelassen, sah sich plötzlich selbst im Holz mit einem Husaren
gleichsam in Zweikampf. Er wehrte sich männlich, und schon
meinte der Husar ihn entleiben zu müssen: als ein Edelmann
vom Hofgesind des Herzog Moritz, Thilo von Trotha, her-
beikam. Nur einem Deutschen wollte der Fürst seine Ehre
verpfänden: dem Husaren überließ er seinen Dolch und sein
Schwert: dem Deutschen gab er seinen Ring.

Während nun die Zersprengten verfolgt wurden, -- die
Reiter setzten sich dann und wann noch zur Wehre, aber
das Fußvolk ward ohne Erbarmen niedergemetzelt: bis jen-
seit der Heide sah man die Leichen, -- ward der gefangene
Fürst nach dem kaiserlichen Heerhaufen abgeführt.

Vor einer Stunde hatte er sich noch als ein Oberhaupt
des deutschen Protestantismus mit aller Hofnung des Wider-
standes, als eins der wichtigsten Glieder der großen europäi-
schen Opposition betrachten können, und wenigstens als einen
Vorfechter des göttlichen Wortes hatte er sich gefühlt; jetzt
war er gefangen: "nun bin ich hier," sagte er, "nun erbarme
dich mein, du getreuer Gott." Der Kaiser sah ihn von ferne
kommen: er erkannte den friesischen Hengst den Johann Fried-
rich
vor drei Jahren in Speier geritten, an jenem Reichstag, an
welchem sich die Protestanten unter der Leitung desselben die ver-
haßtesten Concessionen erzwungen. Johann Friedrich wollte ab-
steigen: der Kaiser winkte ihm, er möge sitzen bleiben: es war
ihm genug, daß er ihn sah, mit Blut besprützt, den Kopf ge-
neigt, mit dem Ausdruck der Demuth. "Erkennt Ihr mich
nun", rief er ihm entgegen, "für einen römischen Kaiser?"
"Ich bin", antwortete der Churfürst, "auf diesen Tag ein
armer Gefangener: Kaiserl. Majestät wolle sich gegen mich

Schlacht bei Muͤhlberg.
gelaſſen, ſah ſich plötzlich ſelbſt im Holz mit einem Huſaren
gleichſam in Zweikampf. Er wehrte ſich männlich, und ſchon
meinte der Huſar ihn entleiben zu müſſen: als ein Edelmann
vom Hofgeſind des Herzog Moritz, Thilo von Trotha, her-
beikam. Nur einem Deutſchen wollte der Fürſt ſeine Ehre
verpfänden: dem Huſaren überließ er ſeinen Dolch und ſein
Schwert: dem Deutſchen gab er ſeinen Ring.

Während nun die Zerſprengten verfolgt wurden, — die
Reiter ſetzten ſich dann und wann noch zur Wehre, aber
das Fußvolk ward ohne Erbarmen niedergemetzelt: bis jen-
ſeit der Heide ſah man die Leichen, — ward der gefangene
Fürſt nach dem kaiſerlichen Heerhaufen abgeführt.

Vor einer Stunde hatte er ſich noch als ein Oberhaupt
des deutſchen Proteſtantismus mit aller Hofnung des Wider-
ſtandes, als eins der wichtigſten Glieder der großen europäi-
ſchen Oppoſition betrachten können, und wenigſtens als einen
Vorfechter des göttlichen Wortes hatte er ſich gefühlt; jetzt
war er gefangen: „nun bin ich hier,“ ſagte er, „nun erbarme
dich mein, du getreuer Gott.“ Der Kaiſer ſah ihn von ferne
kommen: er erkannte den frieſiſchen Hengſt den Johann Fried-
rich
vor drei Jahren in Speier geritten, an jenem Reichstag, an
welchem ſich die Proteſtanten unter der Leitung deſſelben die ver-
haßteſten Conceſſionen erzwungen. Johann Friedrich wollte ab-
ſteigen: der Kaiſer winkte ihm, er möge ſitzen bleiben: es war
ihm genug, daß er ihn ſah, mit Blut beſprützt, den Kopf ge-
neigt, mit dem Ausdruck der Demuth. „Erkennt Ihr mich
nun“, rief er ihm entgegen, „für einen römiſchen Kaiſer?“
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[517/0529] Schlacht bei Muͤhlberg. gelaſſen, ſah ſich plötzlich ſelbſt im Holz mit einem Huſaren gleichſam in Zweikampf. Er wehrte ſich männlich, und ſchon meinte der Huſar ihn entleiben zu müſſen: als ein Edelmann vom Hofgeſind des Herzog Moritz, Thilo von Trotha, her- beikam. Nur einem Deutſchen wollte der Fürſt ſeine Ehre verpfänden: dem Huſaren überließ er ſeinen Dolch und ſein Schwert: dem Deutſchen gab er ſeinen Ring. Während nun die Zerſprengten verfolgt wurden, — die Reiter ſetzten ſich dann und wann noch zur Wehre, aber das Fußvolk ward ohne Erbarmen niedergemetzelt: bis jen- ſeit der Heide ſah man die Leichen, — ward der gefangene Fürſt nach dem kaiſerlichen Heerhaufen abgeführt. Vor einer Stunde hatte er ſich noch als ein Oberhaupt des deutſchen Proteſtantismus mit aller Hofnung des Wider- ſtandes, als eins der wichtigſten Glieder der großen europäi- ſchen Oppoſition betrachten können, und wenigſtens als einen Vorfechter des göttlichen Wortes hatte er ſich gefühlt; jetzt war er gefangen: „nun bin ich hier,“ ſagte er, „nun erbarme dich mein, du getreuer Gott.“ Der Kaiſer ſah ihn von ferne kommen: er erkannte den frieſiſchen Hengſt den Johann Fried- rich vor drei Jahren in Speier geritten, an jenem Reichstag, an welchem ſich die Proteſtanten unter der Leitung deſſelben die ver- haßteſten Conceſſionen erzwungen. Johann Friedrich wollte ab- ſteigen: der Kaiſer winkte ihm, er möge ſitzen bleiben: es war ihm genug, daß er ihn ſah, mit Blut beſprützt, den Kopf ge- neigt, mit dem Ausdruck der Demuth. „Erkennt Ihr mich nun“, rief er ihm entgegen, „für einen römiſchen Kaiſer?“ „Ich bin“, antwortete der Churfürſt, „auf dieſen Tag ein armer Gefangener: Kaiſerl. Majeſtät wolle ſich gegen mich

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/529>, abgerufen am 11.05.2024.