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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Krieg mit Frankreich 1536.
in eine stattliche Kriegsverfassung gesetzt; trotz aller Verbote
des Kaisers waren ihm deutsche, und trotz der Verbote der
eidgenössischen Obrigkeiten schweizerische Fähnlein in großer
Anzahl zugezogen; seit undenklicher Zeit zum ersten Mal hatte
er den Versuch gemacht, das französische Landvolk zu be-
waffnen; der Adel und die Hommes d'Armes umgaben ihn
mit gewohntem Eifer; aber durch alles das ließ er sich nicht
bewegen, dem Kaiser entgegenzugehn. Es war ihm genug,
durch zwei feste Lager bei Avignon und Valence die Ufer der
Rhone und der Durance zu sichern; Montmorency, dem die
oberste Führung anvertraut war, entwickelte alle die Beson-
nenheit und Umsicht welche den Vertheidigungskrieg erfolgreich
machen können. Die Haltung die der König dergestalt annahm
erfüllte ihn mit Selbstgefühl: und lange weigerte er sich, auf
Friedensverhandlungen einzugehn, so lange der Feind in sei-
nem Reiche, gleichsam in seinem Hause sey; ja nur seine Be-
dingungen zu nennen. Als er dieß endlich that, forderte er
nichts geringeres als die unmittelbare Überlieferung von Mai-
land
und Asti; dem Herzog von Savoyen bot er einen
Stillstand von sechs Monat an, in welcher Zeit der Papst
ihre Streitigkeit in Güte beilegen solle. 1

Natürlich verwarf der Kaiser diese Vorschläge. Die bei-
den gewaltigen Heere lagen einander gegenüber, ohne daß

1 La response baillee par le roy de France au legat cardi-
nal Trivulce. Papiers d'etat de Granvelle II, p. 485. "que par
icelluy traicte - - - luy soit promptement et actuellement rendu
et restitue en ses mains l'estat et duche de Millan, ensemble tou-
tes et chascunes les villes et places d'icelluy duche, sans aucune
retenir ou reserver, et pareillement le conte d'Ast" etc.
Dort
folgen dann noch einige andere treffliche Actenstücke über die weitere
Verhandlung.
Ranke D. Gesch. IV. 3

Krieg mit Frankreich 1536.
in eine ſtattliche Kriegsverfaſſung geſetzt; trotz aller Verbote
des Kaiſers waren ihm deutſche, und trotz der Verbote der
eidgenöſſiſchen Obrigkeiten ſchweizeriſche Fähnlein in großer
Anzahl zugezogen; ſeit undenklicher Zeit zum erſten Mal hatte
er den Verſuch gemacht, das franzöſiſche Landvolk zu be-
waffnen; der Adel und die Hommes d’Armes umgaben ihn
mit gewohntem Eifer; aber durch alles das ließ er ſich nicht
bewegen, dem Kaiſer entgegenzugehn. Es war ihm genug,
durch zwei feſte Lager bei Avignon und Valence die Ufer der
Rhone und der Durance zu ſichern; Montmorency, dem die
oberſte Führung anvertraut war, entwickelte alle die Beſon-
nenheit und Umſicht welche den Vertheidigungskrieg erfolgreich
machen können. Die Haltung die der König dergeſtalt annahm
erfüllte ihn mit Selbſtgefühl: und lange weigerte er ſich, auf
Friedensverhandlungen einzugehn, ſo lange der Feind in ſei-
nem Reiche, gleichſam in ſeinem Hauſe ſey; ja nur ſeine Be-
dingungen zu nennen. Als er dieß endlich that, forderte er
nichts geringeres als die unmittelbare Überlieferung von Mai-
land
und Aſti; dem Herzog von Savoyen bot er einen
Stillſtand von ſechs Monat an, in welcher Zeit der Papſt
ihre Streitigkeit in Güte beilegen ſolle. 1

Natürlich verwarf der Kaiſer dieſe Vorſchläge. Die bei-
den gewaltigen Heere lagen einander gegenüber, ohne daß

1 La response baillée par le roy de France au légat cardi-
nal Trivulce. Papiers d’état de Granvelle II, p. 485. „que par
icelluy traicté ‒ ‒ ‒ luy soit promptement et actuellement rendu
et restitué en ses mains l’estat et duché de Millan, ensemble tou-
tes et chascunes les villes et places d’icelluy duché, sans aucune
retenir ou réserver, et pareillement le conté d’Ast“ etc.
Dort
folgen dann noch einige andere treffliche Actenſtuͤcke uͤber die weitere
Verhandlung.
Ranke D. Geſch. IV. 3
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[33/0045] Krieg mit Frankreich 1536. in eine ſtattliche Kriegsverfaſſung geſetzt; trotz aller Verbote des Kaiſers waren ihm deutſche, und trotz der Verbote der eidgenöſſiſchen Obrigkeiten ſchweizeriſche Fähnlein in großer Anzahl zugezogen; ſeit undenklicher Zeit zum erſten Mal hatte er den Verſuch gemacht, das franzöſiſche Landvolk zu be- waffnen; der Adel und die Hommes d’Armes umgaben ihn mit gewohntem Eifer; aber durch alles das ließ er ſich nicht bewegen, dem Kaiſer entgegenzugehn. Es war ihm genug, durch zwei feſte Lager bei Avignon und Valence die Ufer der Rhone und der Durance zu ſichern; Montmorency, dem die oberſte Führung anvertraut war, entwickelte alle die Beſon- nenheit und Umſicht welche den Vertheidigungskrieg erfolgreich machen können. Die Haltung die der König dergeſtalt annahm erfüllte ihn mit Selbſtgefühl: und lange weigerte er ſich, auf Friedensverhandlungen einzugehn, ſo lange der Feind in ſei- nem Reiche, gleichſam in ſeinem Hauſe ſey; ja nur ſeine Be- dingungen zu nennen. Als er dieß endlich that, forderte er nichts geringeres als die unmittelbare Überlieferung von Mai- land und Aſti; dem Herzog von Savoyen bot er einen Stillſtand von ſechs Monat an, in welcher Zeit der Papſt ihre Streitigkeit in Güte beilegen ſolle. 1 Natürlich verwarf der Kaiſer dieſe Vorſchläge. Die bei- den gewaltigen Heere lagen einander gegenüber, ohne daß 1 La response baillée par le roy de France au légat cardi- nal Trivulce. Papiers d’état de Granvelle II, p. 485. „que par icelluy traicté ‒ ‒ ‒ luy soit promptement et actuellement rendu et restitué en ses mains l’estat et duché de Millan, ensemble tou- tes et chascunes les villes et places d’icelluy duché, sans aucune retenir ou réserver, et pareillement le conté d’Ast“ etc. Dort folgen dann noch einige andere treffliche Actenſtuͤcke uͤber die weitere Verhandlung. Ranke D. Geſch. IV. 3

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/45>, abgerufen am 28.03.2024.