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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Erstes Capitel.
kleines Truppencorps unter Montejan und Boisy, das einzige
das sich ihm entgegensetzte, und schlug gegen Mitte August
sein Lager bei Aix auf. In diesen Tagen drang auch das
niederländische Heer die große Straße, die nach St. Jago
von Campostella
führte, daher, unter dem Grafen von Nassau,
in Frankreich ein und eroberte Guise. Der Kaiser hoffte,
der König werde seine Streitkräfte theilen müssen, und auch
schon aus dem Ehrgeiz, keinen Feind auf französischem Bo-
den zu dulden, ihm in offenem Felde begegnen: dann zwei-
felte er nicht, mit seinen krieggeübteren Truppen denselben
zu schlagen und zu einem Frieden zu nöthigen, in welchem die
Sicherheiten lägen, die er immer gefordert. Den päpstlichen
Gesandten, die zur Vermittelung an beide Fürsten geschickt wa-
ren, erklärte er, er wolle Rechenschaft fordern über das Betra-
gen des Königs gegen ihn den Kaiser und gegen seine Freunde;
er müsse wissen, wie sie fortan mit einander zu stehn hätten, er
und der König von Frankreich. Der Vortheil, in welchen
der König durch die Besitznahme von Savoyen und seine all-
gemeine Politik gekommen, war ihm unerträglich; er wollte
das Verhältniß des Übergewichtes, das ihm die letzten Frie-
densschlüsse gegeben, erneuern und auf immer befestigen; er
fühlte ganz richtig, daß er dann erst gegen andre Feinde freie
Hand haben würde.

Allein der König wußte durch Erfahrung, was die Ent-
scheidung eines Schlachttages auf sich habe. Er hatte sich
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1 Kriegs Sachen So zwischen Keyserlicher Maiestat und dem
könige in Frankreich sich zugetragen Im 1536 sten Jahre. Durch
Herrn Veit Weidenern Feldt Prediger der vier feinlein Knecht So
Kay. May. durch Churfürstl. Durchl. zu Sachsen zugeschicket worden
seindt, treulich beschrieben. (Handschrift zu Gotha.)

Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
kleines Truppencorps unter Montejan und Boiſy, das einzige
das ſich ihm entgegenſetzte, und ſchlug gegen Mitte Auguſt
ſein Lager bei Aix auf. In dieſen Tagen drang auch das
niederländiſche Heer die große Straße, die nach St. Jago
von Campoſtella
führte, daher, unter dem Grafen von Naſſau,
in Frankreich ein und eroberte Guiſe. Der Kaiſer hoffte,
der König werde ſeine Streitkräfte theilen müſſen, und auch
ſchon aus dem Ehrgeiz, keinen Feind auf franzöſiſchem Bo-
den zu dulden, ihm in offenem Felde begegnen: dann zwei-
felte er nicht, mit ſeinen krieggeübteren Truppen denſelben
zu ſchlagen und zu einem Frieden zu nöthigen, in welchem die
Sicherheiten lägen, die er immer gefordert. Den päpſtlichen
Geſandten, die zur Vermittelung an beide Fürſten geſchickt wa-
ren, erklärte er, er wolle Rechenſchaft fordern über das Betra-
gen des Königs gegen ihn den Kaiſer und gegen ſeine Freunde;
er müſſe wiſſen, wie ſie fortan mit einander zu ſtehn hätten, er
und der König von Frankreich. Der Vortheil, in welchen
der König durch die Beſitznahme von Savoyen und ſeine all-
gemeine Politik gekommen, war ihm unerträglich; er wollte
das Verhältniß des Übergewichtes, das ihm die letzten Frie-
densſchlüſſe gegeben, erneuern und auf immer befeſtigen; er
fühlte ganz richtig, daß er dann erſt gegen andre Feinde freie
Hand haben würde.

Allein der König wußte durch Erfahrung, was die Ent-
ſcheidung eines Schlachttages auf ſich habe. Er hatte ſich
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1 Kriegs Sachen So zwiſchen Keyſerlicher Maieſtat und dem
koͤnige in Frankreich ſich zugetragen Im 1536 ſten Jahre. Durch
Herrn Veit Weidenern Feldt Prediger der vier feinlein Knecht So
Kay. May. durch Churfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen zugeſchicket worden
ſeindt, treulich beſchrieben. (Handſchrift zu Gotha.)
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[32/0044] Siebentes Buch. Erſtes Capitel. kleines Truppencorps unter Montejan und Boiſy, das einzige das ſich ihm entgegenſetzte, und ſchlug gegen Mitte Auguſt ſein Lager bei Aix auf. In dieſen Tagen drang auch das niederländiſche Heer die große Straße, die nach St. Jago von Campoſtella führte, daher, unter dem Grafen von Naſſau, in Frankreich ein und eroberte Guiſe. Der Kaiſer hoffte, der König werde ſeine Streitkräfte theilen müſſen, und auch ſchon aus dem Ehrgeiz, keinen Feind auf franzöſiſchem Bo- den zu dulden, ihm in offenem Felde begegnen: dann zwei- felte er nicht, mit ſeinen krieggeübteren Truppen denſelben zu ſchlagen und zu einem Frieden zu nöthigen, in welchem die Sicherheiten lägen, die er immer gefordert. Den päpſtlichen Geſandten, die zur Vermittelung an beide Fürſten geſchickt wa- ren, erklärte er, er wolle Rechenſchaft fordern über das Betra- gen des Königs gegen ihn den Kaiſer und gegen ſeine Freunde; er müſſe wiſſen, wie ſie fortan mit einander zu ſtehn hätten, er und der König von Frankreich. Der Vortheil, in welchen der König durch die Beſitznahme von Savoyen und ſeine all- gemeine Politik gekommen, war ihm unerträglich; er wollte das Verhältniß des Übergewichtes, das ihm die letzten Frie- densſchlüſſe gegeben, erneuern und auf immer befeſtigen; er fühlte ganz richtig, daß er dann erſt gegen andre Feinde freie Hand haben würde. Allein der König wußte durch Erfahrung, was die Ent- ſcheidung eines Schlachttages auf ſich habe. Er hatte ſich 1 1 Kriegs Sachen So zwiſchen Keyſerlicher Maieſtat und dem koͤnige in Frankreich ſich zugetragen Im 1536 ſten Jahre. Durch Herrn Veit Weidenern Feldt Prediger der vier feinlein Knecht So Kay. May. durch Churfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen zugeſchicket worden ſeindt, treulich beſchrieben. (Handſchrift zu Gotha.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/44>, abgerufen am 29.03.2024.