Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Erstes Capitel. eben schloß er einen Vertrag mit den Osmanen; er nahmwieder eine Stellung ein, wie er sie vor dem Frieden von Cam- brai besessen, und unmöglich konnte er diese gegen eine Ver- sorgung seines jüngsten Sohnes aufgeben, der doch nichts als ein kleiner italienischer Fürst unter dem Einfluß des Kaisers geworden wäre. Die kaiserlichen Räthe waren überzeugt, daß der König Von jeher hatten sie geglaubt, das beste Mittel, den Man dürfte dem Kaiser nicht die bestimmte Absicht 1 Bei Bellay zwar heißt es, Antonio Leiva habe sich wider
die Unternehmung erklärt "jusques a se vouloir faire mettre a ge- noux hors de sa chaire", XIX, 296. Dagegen wissen wir von denen die im kaiserlichen Lager waren, z. B. dem Bischof von Fos- sombrone, Lettere di principi III, 45, daß Leiva dort im Lager fast als der Urheber der ganzen Unternehmung betrachtet wurde. Über- haupt verkennt Bellay wie den General so auch den Kaiser: er ge- fällt sich darin, den Kaiser ruhmredig bis zum Aberwitz darzustellen, was sein Fehler sonst eben nicht war. Siebentes Buch. Erſtes Capitel. eben ſchloß er einen Vertrag mit den Osmanen; er nahmwieder eine Stellung ein, wie er ſie vor dem Frieden von Cam- brai beſeſſen, und unmöglich konnte er dieſe gegen eine Ver- ſorgung ſeines jüngſten Sohnes aufgeben, der doch nichts als ein kleiner italieniſcher Fürſt unter dem Einfluß des Kaiſers geworden wäre. Die kaiſerlichen Räthe waren überzeugt, daß der König Von jeher hatten ſie geglaubt, das beſte Mittel, den Man dürfte dem Kaiſer nicht die beſtimmte Abſicht 1 Bei Bellay zwar heißt es, Antonio Leiva habe ſich wider
die Unternehmung erklaͤrt „jusques à se vouloir faire mettre à ge- noux hors de sa chaire“, XIX, 296. Dagegen wiſſen wir von denen die im kaiſerlichen Lager waren, z. B. dem Biſchof von Foſ- ſombrone, Lettere di principi III, 45, daß Leiva dort im Lager faſt als der Urheber der ganzen Unternehmung betrachtet wurde. Uͤber- haupt verkennt Bellay wie den General ſo auch den Kaiſer: er ge- faͤllt ſich darin, den Kaiſer ruhmredig bis zum Aberwitz darzuſtellen, was ſein Fehler ſonſt eben nicht war. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0042" n="30"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> eben ſchloß er einen Vertrag mit den Osmanen; er nahm<lb/> wieder eine Stellung ein, wie er ſie vor dem Frieden von <placeName>Cam-<lb/> brai</placeName> beſeſſen, und unmöglich konnte er dieſe gegen eine Ver-<lb/> ſorgung ſeines jüngſten Sohnes aufgeben, der doch nichts<lb/> als ein kleiner italieniſcher Fürſt unter dem Einfluß des<lb/> Kaiſers geworden wäre.</p><lb/> <p>Die kaiſerlichen Räthe waren überzeugt, daß der König<lb/> nicht allein nichts herausgeben, ſondern immer weiter vor-<lb/> dringen werde: es wäre denn daß man ihn mit Gewalt be-<lb/> zwinge. Man müſſe ihn entweder zum Frieden nöthigen<lb/> oder überhaupt unſchädlich machen.</p><lb/> <p>Von jeher hatten ſie geglaubt, das beſte Mittel, den<lb/> König von <placeName>Frankreich</placeName> zu überwältigen, ſey ein Einfall in<lb/><placeName>Frankreich</placeName>. Wie oft war früher eine Verbindung von nie-<lb/> derländiſchen und oberdeutſchen, ſpaniſchen und italieniſchen<lb/> Kräften zu dieſem Zwecke verſucht worden! Auch jetzt mein-<lb/> ten ſie, nur damit zu Ende kommen zu können. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/1026430437">Antonio<lb/> Leiva</persName> ſoll geſagt haben: ein Raubthier müſſe man in ſeiner<lb/> Höle aufſuchen. <note place="foot" n="1">Bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/129084794">Bellay</persName> zwar heißt es, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/1026430437">Antonio Leiva</persName> habe ſich wider<lb/> die Unternehmung erklaͤrt <hi rendition="#aq">„jusques à se vouloir faire mettre à ge-<lb/> noux hors de sa chaire“, XIX,</hi> 296. Dagegen wiſſen wir von<lb/> denen die im kaiſerlichen Lager waren, z. B. dem Biſchof von <placeName>Foſ-<lb/> ſombrone</placeName>, <hi rendition="#aq">Lettere di principi III,</hi> 45, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/1026430437">Leiva</persName> dort im Lager faſt<lb/> als der Urheber der ganzen Unternehmung betrachtet wurde. Uͤber-<lb/> haupt verkennt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/129084794">Bellay</persName> wie den General ſo auch den Kaiſer: er ge-<lb/> faͤllt ſich darin, den Kaiſer ruhmredig bis zum Aberwitz darzuſtellen,<lb/> was ſein Fehler ſonſt eben nicht war.</note></p><lb/> <p>Man dürfte dem Kaiſer nicht die beſtimmte Abſicht<lb/> oder Hofnung beimeſſen, <placeName>Frankreich</placeName> zu erobern oder etwa<lb/> einer großen Provinz zu berauben. Seiner Schweſter ſchreibt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0042]
Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
eben ſchloß er einen Vertrag mit den Osmanen; er nahm
wieder eine Stellung ein, wie er ſie vor dem Frieden von Cam-
brai beſeſſen, und unmöglich konnte er dieſe gegen eine Ver-
ſorgung ſeines jüngſten Sohnes aufgeben, der doch nichts
als ein kleiner italieniſcher Fürſt unter dem Einfluß des
Kaiſers geworden wäre.
Die kaiſerlichen Räthe waren überzeugt, daß der König
nicht allein nichts herausgeben, ſondern immer weiter vor-
dringen werde: es wäre denn daß man ihn mit Gewalt be-
zwinge. Man müſſe ihn entweder zum Frieden nöthigen
oder überhaupt unſchädlich machen.
Von jeher hatten ſie geglaubt, das beſte Mittel, den
König von Frankreich zu überwältigen, ſey ein Einfall in
Frankreich. Wie oft war früher eine Verbindung von nie-
derländiſchen und oberdeutſchen, ſpaniſchen und italieniſchen
Kräften zu dieſem Zwecke verſucht worden! Auch jetzt mein-
ten ſie, nur damit zu Ende kommen zu können. Antonio
Leiva ſoll geſagt haben: ein Raubthier müſſe man in ſeiner
Höle aufſuchen. 1
Man dürfte dem Kaiſer nicht die beſtimmte Abſicht
oder Hofnung beimeſſen, Frankreich zu erobern oder etwa
einer großen Provinz zu berauben. Seiner Schweſter ſchreibt
1 Bei Bellay zwar heißt es, Antonio Leiva habe ſich wider
die Unternehmung erklaͤrt „jusques à se vouloir faire mettre à ge-
noux hors de sa chaire“, XIX, 296. Dagegen wiſſen wir von
denen die im kaiſerlichen Lager waren, z. B. dem Biſchof von Foſ-
ſombrone, Lettere di principi III, 45, daß Leiva dort im Lager faſt
als der Urheber der ganzen Unternehmung betrachtet wurde. Uͤber-
haupt verkennt Bellay wie den General ſo auch den Kaiſer: er ge-
faͤllt ſich darin, den Kaiſer ruhmredig bis zum Aberwitz darzuſtellen,
was ſein Fehler ſonſt eben nicht war.
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