Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Irrungen mit Frankreich.
mir gehört. Wer den Andern überwindet, dem soll beides
zufallen. Will aber der König weder das Eine noch das
Andere, nun denn -- so mag der Krieg ausbrechen: wir wer-
den alles an alles setzen; es wird das Verderben des Ei-
nen oder des Andern seyn; mögen derweile Türken und
Ungläubige Herrn der Christenheit werden." 1

Zwar wurde auch hierauf noch unterhandelt; es liefen
Briefe aus Frankreich ein, und der Cardinal von Lothrin-
gen
, der in Italien anlangte, machte Äußerungen, nach denen
es sich anließ als werde der König auf den Vorschlag wegen
seines jüngsten Sohnes am Ende doch eingehn. War das nun
aber Irrthum, oder Täuschung, in Wahrheit drang der König
doch nach wie vor auf die Ausstattung des Herzogs von Or-
leans
ohne sich um die Sicherheiten zu bekümmern, die sein
Gegner verlangte; dessen Herausforderung behandelte er wie
einen Scherz. Die Anmuthung, die ihm geschah, Piemont
und Savoyen wieder zu räumen, wies er um so mehr von
sich, da sich auf der Stelle zeigte, wie sehr er durch diesen
plötzlichen Schlag sein Ansehn in der Welt erneuert hatte. Die
italienischen Mächte, die Venezianer, der Papst, fiengen an zu
schwanken, die florentinischen Verjagten regten sich; -- Eng-
land
, einige deutsche Fürsten, die nordischen Könige, Alles was
gegen den Kaiser Opposition machte, war für ihn; und so

1 Die Relationen über diese Rede sind sehr unzuverläßig. Die
beiden gleichzeitigen Flugschriften: Kaiser Carln Fridbieten und Hand-
lung, aus einem Schreiben aus Rom 18 April, und Kaiserlicher Ma-
jestät Protestation wider den König von Frankreich, weichen ganz von
einander ab, und sind beide unrichtig. Aus der letztern schöpfte Bel-
lay
. In dem Archiv von Simancas zu Paris findet sich Copia de
la carta que S. Md escrivio a su Embaxador 17 Abril 1536 de
Roma,
welche authentischen Bericht giebt, und hier zu Grunde liegt.

Irrungen mit Frankreich.
mir gehört. Wer den Andern überwindet, dem ſoll beides
zufallen. Will aber der König weder das Eine noch das
Andere, nun denn — ſo mag der Krieg ausbrechen: wir wer-
den alles an alles ſetzen; es wird das Verderben des Ei-
nen oder des Andern ſeyn; mögen derweile Türken und
Ungläubige Herrn der Chriſtenheit werden.“ 1

Zwar wurde auch hierauf noch unterhandelt; es liefen
Briefe aus Frankreich ein, und der Cardinal von Lothrin-
gen
, der in Italien anlangte, machte Äußerungen, nach denen
es ſich anließ als werde der König auf den Vorſchlag wegen
ſeines jüngſten Sohnes am Ende doch eingehn. War das nun
aber Irrthum, oder Täuſchung, in Wahrheit drang der König
doch nach wie vor auf die Ausſtattung des Herzogs von Or-
leans
ohne ſich um die Sicherheiten zu bekümmern, die ſein
Gegner verlangte; deſſen Herausforderung behandelte er wie
einen Scherz. Die Anmuthung, die ihm geſchah, Piemont
und Savoyen wieder zu räumen, wies er um ſo mehr von
ſich, da ſich auf der Stelle zeigte, wie ſehr er durch dieſen
plötzlichen Schlag ſein Anſehn in der Welt erneuert hatte. Die
italieniſchen Mächte, die Venezianer, der Papſt, fiengen an zu
ſchwanken, die florentiniſchen Verjagten regten ſich; — Eng-
land
, einige deutſche Fürſten, die nordiſchen Könige, Alles was
gegen den Kaiſer Oppoſition machte, war für ihn; und ſo

1 Die Relationen uͤber dieſe Rede ſind ſehr unzuverlaͤßig. Die
beiden gleichzeitigen Flugſchriften: Kaiſer Carln Fridbieten und Hand-
lung, aus einem Schreiben aus Rom 18 April, und Kaiſerlicher Ma-
jeſtaͤt Proteſtation wider den Koͤnig von Frankreich, weichen ganz von
einander ab, und ſind beide unrichtig. Aus der letztern ſchoͤpfte Bel-
lay
. In dem Archiv von Simancas zu Paris findet ſich Copia de
la carta que S. Md escriviò a su Embaxador 17 Abril 1536 de
Roma,
welche authentiſchen Bericht giebt, und hier zu Grunde liegt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0041" n="29"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Irrungen mit <placeName>Frankreich</placeName></hi>.</fw><lb/>
mir gehört. Wer den Andern überwindet, dem &#x017F;oll beides<lb/>
zufallen. Will aber der König weder das Eine noch das<lb/>
Andere, nun denn &#x2014; &#x017F;o mag der Krieg ausbrechen: wir wer-<lb/>
den alles an alles &#x017F;etzen; es wird das Verderben des Ei-<lb/>
nen oder des Andern &#x017F;eyn; mögen derweile Türken und<lb/>
Ungläubige Herrn der Chri&#x017F;tenheit werden.&#x201C; <note place="foot" n="1">Die Relationen u&#x0364;ber die&#x017F;e Rede &#x017F;ind &#x017F;ehr unzuverla&#x0364;ßig. Die<lb/>
beiden gleichzeitigen Flug&#x017F;chriften: Kai&#x017F;er <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118560093">Carln</persName> Fridbieten und Hand-<lb/>
lung, aus einem Schreiben aus <placeName>Rom</placeName> 18 April, und Kai&#x017F;erlicher Ma-<lb/>
je&#x017F;ta&#x0364;t Prote&#x017F;tation wider den Ko&#x0364;nig von <placeName>Frankreich</placeName>, weichen ganz von<lb/>
einander ab, und &#x017F;ind beide unrichtig. Aus der letztern &#x017F;cho&#x0364;pfte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/129084794">Bel-<lb/>
lay</persName>. In dem Archiv von <placeName>Simancas</placeName> zu <placeName>Paris</placeName> findet &#x017F;ich <hi rendition="#aq">Copia de<lb/>
la carta que S. M<hi rendition="#sup">d</hi> escriviò a su Embaxador 17 Abril 1536 de<lb/><placeName>Roma</placeName>,</hi> welche authenti&#x017F;chen Bericht giebt, und hier zu Grunde liegt.</note></p><lb/>
            <p>Zwar wurde auch hierauf noch unterhandelt; es liefen<lb/>
Briefe aus <placeName>Frankreich</placeName> ein, und der Cardinal von <placeName>Lothrin-<lb/>
gen</placeName>, der in <placeName>Italien</placeName> anlangte, machte Äußerungen, nach denen<lb/>
es &#x017F;ich anließ als werde der König auf den Vor&#x017F;chlag wegen<lb/>
&#x017F;eines jüng&#x017F;ten Sohnes am Ende doch eingehn. War das nun<lb/>
aber Irrthum, oder Täu&#x017F;chung, in Wahrheit drang der König<lb/>
doch nach wie vor auf die Aus&#x017F;tattung des Herzogs von <placeName>Or-<lb/>
leans</placeName> ohne &#x017F;ich um die Sicherheiten zu bekümmern, die &#x017F;ein<lb/>
Gegner verlangte; de&#x017F;&#x017F;en Herausforderung behandelte er wie<lb/>
einen Scherz. Die Anmuthung, die ihm ge&#x017F;chah, <placeName>Piemont</placeName><lb/>
und <placeName>Savoyen</placeName> wieder zu räumen, wies er um &#x017F;o mehr von<lb/>
&#x017F;ich, da &#x017F;ich auf der Stelle zeigte, wie &#x017F;ehr er durch die&#x017F;en<lb/>
plötzlichen Schlag &#x017F;ein An&#x017F;ehn in der Welt erneuert hatte. Die<lb/>
italieni&#x017F;chen Mächte, die Venezianer, der Pap&#x017F;t, fiengen an zu<lb/>
&#x017F;chwanken, die florentini&#x017F;chen Verjagten regten &#x017F;ich; &#x2014; <placeName>Eng-<lb/>
land</placeName>, einige deut&#x017F;che Für&#x017F;ten, die nordi&#x017F;chen Könige, Alles was<lb/>
gegen den Kai&#x017F;er Oppo&#x017F;ition machte, war für ihn; und &#x017F;o<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0041] Irrungen mit Frankreich. mir gehört. Wer den Andern überwindet, dem ſoll beides zufallen. Will aber der König weder das Eine noch das Andere, nun denn — ſo mag der Krieg ausbrechen: wir wer- den alles an alles ſetzen; es wird das Verderben des Ei- nen oder des Andern ſeyn; mögen derweile Türken und Ungläubige Herrn der Chriſtenheit werden.“ 1 Zwar wurde auch hierauf noch unterhandelt; es liefen Briefe aus Frankreich ein, und der Cardinal von Lothrin- gen, der in Italien anlangte, machte Äußerungen, nach denen es ſich anließ als werde der König auf den Vorſchlag wegen ſeines jüngſten Sohnes am Ende doch eingehn. War das nun aber Irrthum, oder Täuſchung, in Wahrheit drang der König doch nach wie vor auf die Ausſtattung des Herzogs von Or- leans ohne ſich um die Sicherheiten zu bekümmern, die ſein Gegner verlangte; deſſen Herausforderung behandelte er wie einen Scherz. Die Anmuthung, die ihm geſchah, Piemont und Savoyen wieder zu räumen, wies er um ſo mehr von ſich, da ſich auf der Stelle zeigte, wie ſehr er durch dieſen plötzlichen Schlag ſein Anſehn in der Welt erneuert hatte. Die italieniſchen Mächte, die Venezianer, der Papſt, fiengen an zu ſchwanken, die florentiniſchen Verjagten regten ſich; — Eng- land, einige deutſche Fürſten, die nordiſchen Könige, Alles was gegen den Kaiſer Oppoſition machte, war für ihn; und ſo 1 Die Relationen uͤber dieſe Rede ſind ſehr unzuverlaͤßig. Die beiden gleichzeitigen Flugſchriften: Kaiſer Carln Fridbieten und Hand- lung, aus einem Schreiben aus Rom 18 April, und Kaiſerlicher Ma- jeſtaͤt Proteſtation wider den Koͤnig von Frankreich, weichen ganz von einander ab, und ſind beide unrichtig. Aus der letztern ſchoͤpfte Bel- lay. In dem Archiv von Simancas zu Paris findet ſich Copia de la carta que S. Md escriviò a su Embaxador 17 Abril 1536 de Roma, welche authentiſchen Bericht giebt, und hier zu Grunde liegt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/41
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/41>, abgerufen am 20.04.2024.