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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Erstes Capitel.
aber unmöglich seyn, so müsse er den Kaiser bitten, mit ihm
und seiner Landschaft Geduld zu haben. Granvella wollte
anfangs auch davon nichts hören: denn einem allgemeinen
Concil sey Jedermann, ohne Bedingung, Gehorsam schul-
dig: der Kaiser müsse wissen, ob der Herzog die Schlüsse
des Conciliums annehmen wolle oder nicht. Die sächsischen
Räthe bestanden jedoch darauf, daß ihnen eine unbedingte
Unterwerfung unmöglich sey, hauptsächlich aus dem Grunde,
weil den Unterthanen bei der Huldigung die Erhaltung ihres
Glaubens zugesagt worden. Hierauf trat Granvella einen
Schritt näher: er wünschte zu wissen, welches die Meinun-
gen seyen, in denen die Unterthanen nicht nachgeben möch-
ten. Am 5ten Juni gaben die sächsischen Räthe eine Denk-
schrift ein, lateinisch und deutsch, in welcher sie diese Puncte
nahmhaft machten. Es waren die Lehre von der Rechtfer-
tigung, der Gebrauch des Sacramentes und die Priesterehe;
sollte es darin nicht zur Vergleichung kommen, so möge der
Kaiser so lange Geduld haben, bis sich später vielleicht ein-
mal dazu gelangen lasse. Und gewiß war es etwas andres,
einen allgemeinen und vieldeutigen, als einen so ganz bestimm-
ten Vorbehalt anzuerkennen: der in der lateinischen Kirche
nicht ohne Beispiel war. Granvella zeigte sich eingehender,
als man hätte erwarten mögen: über die Justification, sagte
er, habe man sich ja schon verglichen: mit Pfaffenehe und
Communion solle es keine Noth haben. Auch über die mehr
weltliche Seite dieser Dinge verständigte man sich. Gran-
vella
meinte, eine Verwendung der Klostergüter, wie man
sie in dem albertinischen Sachsen getroffen, zum Besten von
Schulen und Universitäten, werde der Kaiser nicht anfechten.

Achtes Buch. Erſtes Capitel.
aber unmöglich ſeyn, ſo müſſe er den Kaiſer bitten, mit ihm
und ſeiner Landſchaft Geduld zu haben. Granvella wollte
anfangs auch davon nichts hören: denn einem allgemeinen
Concil ſey Jedermann, ohne Bedingung, Gehorſam ſchul-
dig: der Kaiſer müſſe wiſſen, ob der Herzog die Schlüſſe
des Conciliums annehmen wolle oder nicht. Die ſächſiſchen
Räthe beſtanden jedoch darauf, daß ihnen eine unbedingte
Unterwerfung unmöglich ſey, hauptſächlich aus dem Grunde,
weil den Unterthanen bei der Huldigung die Erhaltung ihres
Glaubens zugeſagt worden. Hierauf trat Granvella einen
Schritt näher: er wünſchte zu wiſſen, welches die Meinun-
gen ſeyen, in denen die Unterthanen nicht nachgeben möch-
ten. Am 5ten Juni gaben die ſächſiſchen Räthe eine Denk-
ſchrift ein, lateiniſch und deutſch, in welcher ſie dieſe Puncte
nahmhaft machten. Es waren die Lehre von der Rechtfer-
tigung, der Gebrauch des Sacramentes und die Prieſterehe;
ſollte es darin nicht zur Vergleichung kommen, ſo möge der
Kaiſer ſo lange Geduld haben, bis ſich ſpäter vielleicht ein-
mal dazu gelangen laſſe. Und gewiß war es etwas andres,
einen allgemeinen und vieldeutigen, als einen ſo ganz beſtimm-
ten Vorbehalt anzuerkennen: der in der lateiniſchen Kirche
nicht ohne Beiſpiel war. Granvella zeigte ſich eingehender,
als man hätte erwarten mögen: über die Juſtification, ſagte
er, habe man ſich ja ſchon verglichen: mit Pfaffenehe und
Communion ſolle es keine Noth haben. Auch über die mehr
weltliche Seite dieſer Dinge verſtändigte man ſich. Gran-
vella
meinte, eine Verwendung der Kloſtergüter, wie man
ſie in dem albertiniſchen Sachſen getroffen, zum Beſten von
Schulen und Univerſitäten, werde der Kaiſer nicht anfechten.

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[406/0418] Achtes Buch. Erſtes Capitel. aber unmöglich ſeyn, ſo müſſe er den Kaiſer bitten, mit ihm und ſeiner Landſchaft Geduld zu haben. Granvella wollte anfangs auch davon nichts hören: denn einem allgemeinen Concil ſey Jedermann, ohne Bedingung, Gehorſam ſchul- dig: der Kaiſer müſſe wiſſen, ob der Herzog die Schlüſſe des Conciliums annehmen wolle oder nicht. Die ſächſiſchen Räthe beſtanden jedoch darauf, daß ihnen eine unbedingte Unterwerfung unmöglich ſey, hauptſächlich aus dem Grunde, weil den Unterthanen bei der Huldigung die Erhaltung ihres Glaubens zugeſagt worden. Hierauf trat Granvella einen Schritt näher: er wünſchte zu wiſſen, welches die Meinun- gen ſeyen, in denen die Unterthanen nicht nachgeben möch- ten. Am 5ten Juni gaben die ſächſiſchen Räthe eine Denk- ſchrift ein, lateiniſch und deutſch, in welcher ſie dieſe Puncte nahmhaft machten. Es waren die Lehre von der Rechtfer- tigung, der Gebrauch des Sacramentes und die Prieſterehe; ſollte es darin nicht zur Vergleichung kommen, ſo möge der Kaiſer ſo lange Geduld haben, bis ſich ſpäter vielleicht ein- mal dazu gelangen laſſe. Und gewiß war es etwas andres, einen allgemeinen und vieldeutigen, als einen ſo ganz beſtimm- ten Vorbehalt anzuerkennen: der in der lateiniſchen Kirche nicht ohne Beiſpiel war. Granvella zeigte ſich eingehender, als man hätte erwarten mögen: über die Juſtification, ſagte er, habe man ſich ja ſchon verglichen: mit Pfaffenehe und Communion ſolle es keine Noth haben. Auch über die mehr weltliche Seite dieſer Dinge verſtändigte man ſich. Gran- vella meinte, eine Verwendung der Kloſtergüter, wie man ſie in dem albertiniſchen Sachſen getroffen, zum Beſten von Schulen und Univerſitäten, werde der Kaiſer nicht anfechten.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/418>, abgerufen am 13.05.2024.