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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Erstes Capitel.
alles zu Ende zu bringen dachte, erhielt er diese Nachrichten.
In denselben Tagen vernahm man, daß auch Suleiman
nach Constantinopel zurückgekehrt, Barbarossa bei ihm ange-
kommen war. Es leuchtete ein, daß die Osmanen, wie bis-
her immer, eher Gelegenheit finden würden einen erfolgrei-
chen Anfall auf die Christenheit zu machen als diese auf ihn.
Die ganze politische Lage wandelte sich um; alle Gedanken
und Entwürfe mußten eine andre Richtung nehmen.

Welche Gemüthsbewegung dieß dem Kaiser verursachte,
sieht man recht an der Rede die er bei seiner Anwesenheit
in Rom, 18 April, in dem Consistorium der Cardinäle hielt.

Er schilderte ausführlich, was er von jeher, hauptsäch-
lich aber seit den Verträgen von Cambrai gethan, um den
Frieden zu erhalten: wie vieles er habe hingehn lassen, was
dagegen geschehen; jetzt aber habe der König offen gebrochen,
Savoyen überfallen, und rücke in Italien vor. Nicht zufrie-
den mit der Aussicht die einem seiner Söhne auf Mailand er-
öffnet worden, fordere derselbe den Besitz und Nießbrauch
dieses Landes unmittelbar für sich. "Noch immer", fuhr er
fort, "biete ich dem König Frieden an. Vereinigt könnten wir
der Christenheit großes Gute erweisen, sie in die erwünschte
Ruhe setzen. Ich bin noch immer bereit, seinem Sohn von
Angouleme unter hinreichender Sicherheit den Staat von Mai-
land
zu übertragen. Auch biete ich dem König noch einmal
persönlichen Kampf an. Ich will den Staat von Mailand
gegen das Herzogthum Burgund setzen, obgleich auch dieß

König damals noch immer von der engen Freundschaft die zwischen
ihm und dem Kaiser bestehen müsse. Noch am 23 Januar sagt
Hannart: procura y dessea de venir en mas estrechas aliancas
de Vras Mdes.
(Archiv von Simancas.)

Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
alles zu Ende zu bringen dachte, erhielt er dieſe Nachrichten.
In denſelben Tagen vernahm man, daß auch Suleiman
nach Conſtantinopel zurückgekehrt, Barbaroſſa bei ihm ange-
kommen war. Es leuchtete ein, daß die Osmanen, wie bis-
her immer, eher Gelegenheit finden würden einen erfolgrei-
chen Anfall auf die Chriſtenheit zu machen als dieſe auf ihn.
Die ganze politiſche Lage wandelte ſich um; alle Gedanken
und Entwürfe mußten eine andre Richtung nehmen.

Welche Gemüthsbewegung dieß dem Kaiſer verurſachte,
ſieht man recht an der Rede die er bei ſeiner Anweſenheit
in Rom, 18 April, in dem Conſiſtorium der Cardinäle hielt.

Er ſchilderte ausführlich, was er von jeher, hauptſäch-
lich aber ſeit den Verträgen von Cambrai gethan, um den
Frieden zu erhalten: wie vieles er habe hingehn laſſen, was
dagegen geſchehen; jetzt aber habe der König offen gebrochen,
Savoyen überfallen, und rücke in Italien vor. Nicht zufrie-
den mit der Ausſicht die einem ſeiner Söhne auf Mailand er-
öffnet worden, fordere derſelbe den Beſitz und Nießbrauch
dieſes Landes unmittelbar für ſich. „Noch immer“, fuhr er
fort, „biete ich dem König Frieden an. Vereinigt könnten wir
der Chriſtenheit großes Gute erweiſen, ſie in die erwünſchte
Ruhe ſetzen. Ich bin noch immer bereit, ſeinem Sohn von
Angouleme unter hinreichender Sicherheit den Staat von Mai-
land
zu übertragen. Auch biete ich dem König noch einmal
perſönlichen Kampf an. Ich will den Staat von Mailand
gegen das Herzogthum Burgund ſetzen, obgleich auch dieß

Koͤnig damals noch immer von der engen Freundſchaft die zwiſchen
ihm und dem Kaiſer beſtehen muͤſſe. Noch am 23 Januar ſagt
Hannart: procura y dessea de venir en mas estrechas alianças
de Vras Mdes.
(Archiv von Simancas.)
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[28/0040] Siebentes Buch. Erſtes Capitel. alles zu Ende zu bringen dachte, erhielt er dieſe Nachrichten. In denſelben Tagen vernahm man, daß auch Suleiman nach Conſtantinopel zurückgekehrt, Barbaroſſa bei ihm ange- kommen war. Es leuchtete ein, daß die Osmanen, wie bis- her immer, eher Gelegenheit finden würden einen erfolgrei- chen Anfall auf die Chriſtenheit zu machen als dieſe auf ihn. Die ganze politiſche Lage wandelte ſich um; alle Gedanken und Entwürfe mußten eine andre Richtung nehmen. Welche Gemüthsbewegung dieß dem Kaiſer verurſachte, ſieht man recht an der Rede die er bei ſeiner Anweſenheit in Rom, 18 April, in dem Conſiſtorium der Cardinäle hielt. Er ſchilderte ausführlich, was er von jeher, hauptſäch- lich aber ſeit den Verträgen von Cambrai gethan, um den Frieden zu erhalten: wie vieles er habe hingehn laſſen, was dagegen geſchehen; jetzt aber habe der König offen gebrochen, Savoyen überfallen, und rücke in Italien vor. Nicht zufrie- den mit der Ausſicht die einem ſeiner Söhne auf Mailand er- öffnet worden, fordere derſelbe den Beſitz und Nießbrauch dieſes Landes unmittelbar für ſich. „Noch immer“, fuhr er fort, „biete ich dem König Frieden an. Vereinigt könnten wir der Chriſtenheit großes Gute erweiſen, ſie in die erwünſchte Ruhe ſetzen. Ich bin noch immer bereit, ſeinem Sohn von Angouleme unter hinreichender Sicherheit den Staat von Mai- land zu übertragen. Auch biete ich dem König noch einmal perſönlichen Kampf an. Ich will den Staat von Mailand gegen das Herzogthum Burgund ſetzen, obgleich auch dieß 2 2 Koͤnig damals noch immer von der engen Freundſchaft die zwiſchen ihm und dem Kaiſer beſtehen muͤſſe. Noch am 23 Januar ſagt Hannart: procura y dessea de venir en mas estrechas alianças de Vras Mdes. (Archiv von Simancas.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/40>, abgerufen am 29.03.2024.