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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Irrungen mit Frankreich.
früheren Frieden, der eine Berechtigung hiezu enthielt, in Besitz
genommen. In Genf ward die Reform auf immer festge-
stellt; in der Waat ward sie zuerst begründet.

Man hat damals angenommen, erst durch diesen glück-
lichen Erfolg der Schweizer sey auch der König bewogen wor-
den allem Verzug ein Ende zu machen. 1 Während die Unter-
handlungen -- der Kaiser behauptet, ihm sey ausdrücklich auf
diese Zeit Stillstand für Savoyen versprochen gewesen -- durch
die beiderseitigen Gesandten noch fortgesetzt wurden, brach
Franz I im März 1536 daselbst ein. Er gab an, der Herzog
habe sein Land dem Kaiser einräumen wollen, und dem habe
Frankreich zuvorkommen müssen. In Savoyen hielt sich nur
Montmelian einen Augenblick: ohne auf eigentlichen Wider-
stand zu treffen, giengen die Franzosen über die Berge; der
Herzog fand auch seine Hauptstadt Turin nicht fest genug um
sich gegen die Franzosen zu vertheidigen; am 3 April zogen
diese daselbst ein.

Indem der Kaiser noch immer an Constantinopel dachte,
und der Hofnung lebte, durch Nachgiebigkeit und geschickte
Benutzung der Umstände den König von Frankreich zu be-
friedigen, ja die Macht desselben mit der seinen zur Aufrecht-
erhaltung des Katholicismus und zur Bekämpfung der Un-
gläubigen zu vereinigen, 2 auf dem Wege nach Rom, wo er

1 Z. B. Memoire remis a l'empereur. Daß der Kaiser den
Herzog nicht geschützt, wird erklärt: pour non avoir peu conjecturer
l'invasion tant subite des Bernois ny d'en penser que le roy de
France eust voulsu prendre si malheureuse dampnable et effron-
tee occasion p[o]ur courir sus audit duc. (Pap. de Gr. II,
446.)
Der Kaiser leitet in seinem Gegenbericht 1536 Bog. C alles aus dem
Neid ab, "den er unser schwagerschaft halber gegen ihn gefaßt, das er
sich auch als ein gehorsamer Fürst und Lehensmann gen mir erzeigt."
2 Nach dem Schreiben Hannarts vom 12 Januar sprach der

Irrungen mit Frankreich.
früheren Frieden, der eine Berechtigung hiezu enthielt, in Beſitz
genommen. In Genf ward die Reform auf immer feſtge-
ſtellt; in der Waat ward ſie zuerſt begründet.

Man hat damals angenommen, erſt durch dieſen glück-
lichen Erfolg der Schweizer ſey auch der König bewogen wor-
den allem Verzug ein Ende zu machen. 1 Während die Unter-
handlungen — der Kaiſer behauptet, ihm ſey ausdrücklich auf
dieſe Zeit Stillſtand für Savoyen verſprochen geweſen — durch
die beiderſeitigen Geſandten noch fortgeſetzt wurden, brach
Franz I im März 1536 daſelbſt ein. Er gab an, der Herzog
habe ſein Land dem Kaiſer einräumen wollen, und dem habe
Frankreich zuvorkommen müſſen. In Savoyen hielt ſich nur
Montmelian einen Augenblick: ohne auf eigentlichen Wider-
ſtand zu treffen, giengen die Franzoſen über die Berge; der
Herzog fand auch ſeine Hauptſtadt Turin nicht feſt genug um
ſich gegen die Franzoſen zu vertheidigen; am 3 April zogen
dieſe daſelbſt ein.

Indem der Kaiſer noch immer an Conſtantinopel dachte,
und der Hofnung lebte, durch Nachgiebigkeit und geſchickte
Benutzung der Umſtände den König von Frankreich zu be-
friedigen, ja die Macht deſſelben mit der ſeinen zur Aufrecht-
erhaltung des Katholicismus und zur Bekämpfung der Un-
gläubigen zu vereinigen, 2 auf dem Wege nach Rom, wo er

1 Z. B. Mémoire remis à l’empereur. Daß der Kaiſer den
Herzog nicht geſchuͤtzt, wird erklaͤrt: pour non avoir peu conjecturer
l’invasion tant subite des Bernois ny d’en penser que le roy de
France eust voulsu prendre si malheureuse dampnable et effron-
tée occasion p[o]ur courir sus audit duc. (Pap. de Gr. II,
446.)
Der Kaiſer leitet in ſeinem Gegenbericht 1536 Bog. C alles aus dem
Neid ab, „den er unſer ſchwagerſchaft halber gegen ihn gefaßt, das er
ſich auch als ein gehorſamer Fuͤrſt und Lehensmann gen mir erzeigt.“
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[27/0039] Irrungen mit Frankreich. früheren Frieden, der eine Berechtigung hiezu enthielt, in Beſitz genommen. In Genf ward die Reform auf immer feſtge- ſtellt; in der Waat ward ſie zuerſt begründet. Man hat damals angenommen, erſt durch dieſen glück- lichen Erfolg der Schweizer ſey auch der König bewogen wor- den allem Verzug ein Ende zu machen. 1 Während die Unter- handlungen — der Kaiſer behauptet, ihm ſey ausdrücklich auf dieſe Zeit Stillſtand für Savoyen verſprochen geweſen — durch die beiderſeitigen Geſandten noch fortgeſetzt wurden, brach Franz I im März 1536 daſelbſt ein. Er gab an, der Herzog habe ſein Land dem Kaiſer einräumen wollen, und dem habe Frankreich zuvorkommen müſſen. In Savoyen hielt ſich nur Montmelian einen Augenblick: ohne auf eigentlichen Wider- ſtand zu treffen, giengen die Franzoſen über die Berge; der Herzog fand auch ſeine Hauptſtadt Turin nicht feſt genug um ſich gegen die Franzoſen zu vertheidigen; am 3 April zogen dieſe daſelbſt ein. Indem der Kaiſer noch immer an Conſtantinopel dachte, und der Hofnung lebte, durch Nachgiebigkeit und geſchickte Benutzung der Umſtände den König von Frankreich zu be- friedigen, ja die Macht deſſelben mit der ſeinen zur Aufrecht- erhaltung des Katholicismus und zur Bekämpfung der Un- gläubigen zu vereinigen, 2 auf dem Wege nach Rom, wo er 1 Z. B. Mémoire remis à l’empereur. Daß der Kaiſer den Herzog nicht geſchuͤtzt, wird erklaͤrt: pour non avoir peu conjecturer l’invasion tant subite des Bernois ny d’en penser que le roy de France eust voulsu prendre si malheureuse dampnable et effron- tée occasion pour courir sus audit duc. (Pap. de Gr. II, 446.) Der Kaiſer leitet in ſeinem Gegenbericht 1536 Bog. C alles aus dem Neid ab, „den er unſer ſchwagerſchaft halber gegen ihn gefaßt, das er ſich auch als ein gehorſamer Fuͤrſt und Lehensmann gen mir erzeigt.“ 2 Nach dem Schreiben Hannarts vom 12 Januar ſprach der

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/39>, abgerufen am 18.04.2024.