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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Neuntes Capitel.
ders die Aussicht, welche damals eröffnet wurde, auf eine
nationale Berathung der religiösen Angelegenheiten, mußten
seinen Unternehmungen zu Hülfe kommen: die Umwandelung
schritt unaufhaltsam fort.

Die sehr besondre Gestalt welche der Gegensatz in dem
Capitel annahm, daß der größere Theil der adlichen Mitglie-
der desselben für die Reform war, die entgegengesetzte Ma-
jorität aber hauptsächlich durch die Priester die darin saßen,
bewirkt wurde, führte wohl zu der unerwarteten Besorg-
niß, daß diese, auf welche das hochadliche Stift doch ur-
sprünglich nicht gestiftet sey, die edlen Herrn am Ende noch
daraus verjagen dürften. 1

Überhaupt zeigte der stiftsfähige Adel in Deutschland in
diesem Augenblick eine große Hinneigung zur kirchlichen Reform.

In einem Verzeichniß der Grafen welche auf die prote-
stantischen Versammlungen eingeladen werden sollen, finden
wir aus den Häusern Erpach, Öttingen, Mansfeld, Limpurg,
Solms, Schwarzenberg, Stolberg, von jedem drei Mitglie-
der, fünf Grafen von Nassau, zwei Witgenstein, zwei von
Hanau, -- ferner die Grafen von Wertheim, Helffenstein,
Rheineck, Rheinstein, Barby, Gleichen, Warburg, Beichlin-
gen, Isenburg, Manderscheid, Nuenar, Reifferscheid, Vinne-
burg, Oberstein, Bentheim, Rietberg, Diepholt, Hoya, Lippe,
Spiegelberg, Schauenburg, Teklenburg. Doch war man über-

1 Sie klagen: daß etzliche wenige adliche Personen vom Thum-
capitel sich dem Erzbischof widersetzen "sammt den Priestern Cano-
niken so das fürnemlich getrieben;" und sprechen die Furcht aus,
"daß Priester und Canonici, darauf das hochadliche Stift doch im
Anfang nicht gestift, mit der Zeit die edlen Hern verdringen werden."

Siebentes Buch. Neuntes Capitel.
ders die Ausſicht, welche damals eröffnet wurde, auf eine
nationale Berathung der religiöſen Angelegenheiten, mußten
ſeinen Unternehmungen zu Hülfe kommen: die Umwandelung
ſchritt unaufhaltſam fort.

Die ſehr beſondre Geſtalt welche der Gegenſatz in dem
Capitel annahm, daß der größere Theil der adlichen Mitglie-
der deſſelben für die Reform war, die entgegengeſetzte Ma-
jorität aber hauptſächlich durch die Prieſter die darin ſaßen,
bewirkt wurde, führte wohl zu der unerwarteten Beſorg-
niß, daß dieſe, auf welche das hochadliche Stift doch ur-
ſprünglich nicht geſtiftet ſey, die edlen Herrn am Ende noch
daraus verjagen dürften. 1

Überhaupt zeigte der ſtiftsfähige Adel in Deutſchland in
dieſem Augenblick eine große Hinneigung zur kirchlichen Reform.

In einem Verzeichniß der Grafen welche auf die prote-
ſtantiſchen Verſammlungen eingeladen werden ſollen, finden
wir aus den Häuſern Erpach, Öttingen, Mansfeld, Limpurg,
Solms, Schwarzenberg, Stolberg, von jedem drei Mitglie-
der, fünf Grafen von Naſſau, zwei Witgenſtein, zwei von
Hanau, — ferner die Grafen von Wertheim, Helffenſtein,
Rheineck, Rheinſtein, Barby, Gleichen, Warburg, Beichlin-
gen, Iſenburg, Manderſcheid, Nuenar, Reifferſcheid, Vinne-
burg, Oberſtein, Bentheim, Rietberg, Diepholt, Hoya, Lippe,
Spiegelberg, Schauenburg, Teklenburg. Doch war man über-

1 Sie klagen: daß etzliche wenige adliche Perſonen vom Thum-
capitel ſich dem Erzbiſchof widerſetzen „ſammt den Prieſtern Cano-
niken ſo das fuͤrnemlich getrieben;“ und ſprechen die Furcht aus,
„daß Prieſter und Canonici, darauf das hochadliche Stift doch im
Anfang nicht geſtift, mit der Zeit die edlen Hern verdringen werden.“
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[340/0352] Siebentes Buch. Neuntes Capitel. ders die Ausſicht, welche damals eröffnet wurde, auf eine nationale Berathung der religiöſen Angelegenheiten, mußten ſeinen Unternehmungen zu Hülfe kommen: die Umwandelung ſchritt unaufhaltſam fort. Die ſehr beſondre Geſtalt welche der Gegenſatz in dem Capitel annahm, daß der größere Theil der adlichen Mitglie- der deſſelben für die Reform war, die entgegengeſetzte Ma- jorität aber hauptſächlich durch die Prieſter die darin ſaßen, bewirkt wurde, führte wohl zu der unerwarteten Beſorg- niß, daß dieſe, auf welche das hochadliche Stift doch ur- ſprünglich nicht geſtiftet ſey, die edlen Herrn am Ende noch daraus verjagen dürften. 1 Überhaupt zeigte der ſtiftsfähige Adel in Deutſchland in dieſem Augenblick eine große Hinneigung zur kirchlichen Reform. In einem Verzeichniß der Grafen welche auf die prote- ſtantiſchen Verſammlungen eingeladen werden ſollen, finden wir aus den Häuſern Erpach, Öttingen, Mansfeld, Limpurg, Solms, Schwarzenberg, Stolberg, von jedem drei Mitglie- der, fünf Grafen von Naſſau, zwei Witgenſtein, zwei von Hanau, — ferner die Grafen von Wertheim, Helffenſtein, Rheineck, Rheinſtein, Barby, Gleichen, Warburg, Beichlin- gen, Iſenburg, Manderſcheid, Nuenar, Reifferſcheid, Vinne- burg, Oberſtein, Bentheim, Rietberg, Diepholt, Hoya, Lippe, Spiegelberg, Schauenburg, Teklenburg. Doch war man über- 1 Sie klagen: daß etzliche wenige adliche Perſonen vom Thum- capitel ſich dem Erzbiſchof widerſetzen „ſammt den Prieſtern Cano- niken ſo das fuͤrnemlich getrieben;“ und ſprechen die Furcht aus, „daß Prieſter und Canonici, darauf das hochadliche Stift doch im Anfang nicht geſtift, mit der Zeit die edlen Hern verdringen werden.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/352>, abgerufen am 22.11.2024.