Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Reformation im Erzstift Cölln.

Die Abgeordneten des Capitels erklärten sich nicht gera-
dezu dagegen, sie behielten sich aber Rückfrage bei der ge-
sammten Körperschaft vor, und gar bald zeigte sich, daß diese
an ihrer bisherigen Meinung festhielt. 1

Auch die Stadt war keinen Schritt weiter zu bringen.
Im Rathsprotocoll finden wir bei Lunä -- denn so wird
da noch der Montag bezeichnet -- am 30 Juli die Anzeich-
nung, daß eine Supplication Philippi Melanchthonis und
Martini Buceri gelesen, darüber auch allerlei Gespräch ge-
halten, zuletzt aber dahin geschlossen worden, daß damit nichts
anders gesucht werde als Zwist und Zwietracht.

Indessen man zweifelte nicht, daß auch dieser Wider-
stand, der sich auf wenige Priester und ein paar Rathsher-
ren beschränkte, bald überwunden seyn werde.

In der Stadt zeigten sich wie in dem Volke so in ei-
nigen Vornehmen, welche das Abendmahl unter beiderlei Ge-
stalt nahmen, entschieden reformatorische Tendenzen. Man er-
wartete einen oder den andern Tag eine gewaltsame Explosion.

Die kleinern Städte im Stift, Bonn, Andernach, Linz,
konnten schon als evangelisch betrachtet werden.

Es mag seyn daß der kaiserliche Hof die katholische
Partei ermunterte, aber auch der Erzbischof behauptet, seinen
Reformationsentwurf dem Kaiser vorgelegt und eine keines-
wegs mißbilligende Erklärung desselben empfangen zu ha-
ben. 2 Die Beschlüsse des Reichstags von Speier, beson-

polliciti sunt, se ecclesias ad normam propositam instauraturos
esse. (V,
159.)
1 Schreiben des Capitels 1 October 1543, womit sie ihr Anti-
didagma begleiten, bei Meshovius, 79.
2 Reck p. 166. Faber an Pocci bei Rainaldus 224.
22*
Reformation im Erzſtift Coͤlln.

Die Abgeordneten des Capitels erklärten ſich nicht gera-
dezu dagegen, ſie behielten ſich aber Rückfrage bei der ge-
ſammten Körperſchaft vor, und gar bald zeigte ſich, daß dieſe
an ihrer bisherigen Meinung feſthielt. 1

Auch die Stadt war keinen Schritt weiter zu bringen.
Im Rathsprotocoll finden wir bei Lunä — denn ſo wird
da noch der Montag bezeichnet — am 30 Juli die Anzeich-
nung, daß eine Supplication Philippi Melanchthonis und
Martini Buceri geleſen, darüber auch allerlei Geſpräch ge-
halten, zuletzt aber dahin geſchloſſen worden, daß damit nichts
anders geſucht werde als Zwiſt und Zwietracht.

Indeſſen man zweifelte nicht, daß auch dieſer Wider-
ſtand, der ſich auf wenige Prieſter und ein paar Rathsher-
ren beſchränkte, bald überwunden ſeyn werde.

In der Stadt zeigten ſich wie in dem Volke ſo in ei-
nigen Vornehmen, welche das Abendmahl unter beiderlei Ge-
ſtalt nahmen, entſchieden reformatoriſche Tendenzen. Man er-
wartete einen oder den andern Tag eine gewaltſame Exploſion.

Die kleinern Städte im Stift, Bonn, Andernach, Linz,
konnten ſchon als evangeliſch betrachtet werden.

Es mag ſeyn daß der kaiſerliche Hof die katholiſche
Partei ermunterte, aber auch der Erzbiſchof behauptet, ſeinen
Reformationsentwurf dem Kaiſer vorgelegt und eine keines-
wegs mißbilligende Erklärung deſſelben empfangen zu ha-
ben. 2 Die Beſchlüſſe des Reichstags von Speier, beſon-

polliciti sunt, se ecclesias ad normam propositam instauraturos
esse. (V,
159.)
1 Schreiben des Capitels 1 October 1543, womit ſie ihr Anti-
didagma begleiten, bei Meshovius, 79.
2 Reck p. 166. Faber an Pocci bei Rainaldus 224.
22*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0351" n="339"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reformation im Erz&#x017F;tift <placeName>Co&#x0364;lln</placeName></hi>.</fw><lb/>
          <p>Die Abgeordneten des Capitels erklärten &#x017F;ich nicht gera-<lb/>
dezu dagegen, &#x017F;ie behielten &#x017F;ich aber Rückfrage bei der ge-<lb/>
&#x017F;ammten Körper&#x017F;chaft vor, und gar bald zeigte &#x017F;ich, daß die&#x017F;e<lb/>
an ihrer bisherigen Meinung fe&#x017F;thielt. <note place="foot" n="1">Schreiben des Capitels 1 October 1543, womit &#x017F;ie ihr Anti-<lb/>
didagma begleiten, bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/123214548">Meshovius</persName>, 79.</note></p><lb/>
          <p>Auch die Stadt war keinen Schritt weiter zu bringen.<lb/>
Im Rathsprotocoll finden wir bei Lunä &#x2014; denn &#x017F;o wird<lb/>
da noch der Montag bezeichnet &#x2014; am 30 Juli die Anzeich-<lb/>
nung, daß eine Supplication <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118580485">Philippi Melanchthonis</persName> und<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118516507">Martini Buceri</persName> gele&#x017F;en, darüber auch allerlei Ge&#x017F;präch ge-<lb/>
halten, zuletzt aber dahin ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden, daß damit nichts<lb/>
anders ge&#x017F;ucht werde als Zwi&#x017F;t und Zwietracht.</p><lb/>
          <p>Inde&#x017F;&#x017F;en man zweifelte nicht, daß auch die&#x017F;er Wider-<lb/>
&#x017F;tand, der &#x017F;ich auf wenige Prie&#x017F;ter und ein paar Rathsher-<lb/>
ren be&#x017F;chränkte, bald überwunden &#x017F;eyn werde.</p><lb/>
          <p>In der Stadt zeigten &#x017F;ich wie in dem Volke &#x017F;o in ei-<lb/>
nigen Vornehmen, welche das Abendmahl unter beiderlei Ge-<lb/>
&#x017F;talt nahmen, ent&#x017F;chieden reformatori&#x017F;che Tendenzen. Man er-<lb/>
wartete einen oder den andern Tag eine gewalt&#x017F;ame Explo&#x017F;ion.</p><lb/>
          <p>Die kleinern Städte im Stift, <placeName>Bonn</placeName>, <placeName>Andernach</placeName>, <placeName>Linz</placeName>,<lb/>
konnten &#x017F;chon als evangeli&#x017F;ch betrachtet werden.</p><lb/>
          <p>Es mag &#x017F;eyn daß der kai&#x017F;erliche Hof die katholi&#x017F;che<lb/>
Partei ermunterte, aber auch der Erzbi&#x017F;chof behauptet, &#x017F;einen<lb/>
Reformationsentwurf dem Kai&#x017F;er vorgelegt und eine keines-<lb/>
wegs mißbilligende Erklärung de&#x017F;&#x017F;elben empfangen zu ha-<lb/>
ben. <note place="foot" n="2"><persName ref="nognd">Reck</persName><hi rendition="#aq">p.</hi> 166. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/103159088">Faber</persName> an <persName ref="nognd">Pocci</persName> bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/130236160">Rainaldus</persName> 224.</note> Die Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e des Reichstags von <placeName>Speier</placeName>, be&#x017F;on-<lb/><note xml:id="fn17f" prev="#fn17i" place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">polliciti sunt, se ecclesias ad normam propositam instauraturos<lb/>
esse. (V,</hi> 159.)</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">22*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0351] Reformation im Erzſtift Coͤlln. Die Abgeordneten des Capitels erklärten ſich nicht gera- dezu dagegen, ſie behielten ſich aber Rückfrage bei der ge- ſammten Körperſchaft vor, und gar bald zeigte ſich, daß dieſe an ihrer bisherigen Meinung feſthielt. 1 Auch die Stadt war keinen Schritt weiter zu bringen. Im Rathsprotocoll finden wir bei Lunä — denn ſo wird da noch der Montag bezeichnet — am 30 Juli die Anzeich- nung, daß eine Supplication Philippi Melanchthonis und Martini Buceri geleſen, darüber auch allerlei Geſpräch ge- halten, zuletzt aber dahin geſchloſſen worden, daß damit nichts anders geſucht werde als Zwiſt und Zwietracht. Indeſſen man zweifelte nicht, daß auch dieſer Wider- ſtand, der ſich auf wenige Prieſter und ein paar Rathsher- ren beſchränkte, bald überwunden ſeyn werde. In der Stadt zeigten ſich wie in dem Volke ſo in ei- nigen Vornehmen, welche das Abendmahl unter beiderlei Ge- ſtalt nahmen, entſchieden reformatoriſche Tendenzen. Man er- wartete einen oder den andern Tag eine gewaltſame Exploſion. Die kleinern Städte im Stift, Bonn, Andernach, Linz, konnten ſchon als evangeliſch betrachtet werden. Es mag ſeyn daß der kaiſerliche Hof die katholiſche Partei ermunterte, aber auch der Erzbiſchof behauptet, ſeinen Reformationsentwurf dem Kaiſer vorgelegt und eine keines- wegs mißbilligende Erklärung deſſelben empfangen zu ha- ben. 2 Die Beſchlüſſe des Reichstags von Speier, beſon- 2 1 Schreiben des Capitels 1 October 1543, womit ſie ihr Anti- didagma begleiten, bei Meshovius, 79. 2 Reck p. 166. Faber an Pocci bei Rainaldus 224. 2 polliciti sunt, se ecclesias ad normam propositam instauraturos esse. (V, 159.) 22*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/351
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/351>, abgerufen am 23.11.2024.