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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Irrungen mit Frankreich.
vorschlug die überwiegende Autorität die er in den letzten
Kriegen erworben, zu befestigen, die Kräfte von Frankreich
zu den allgemeinen Zwecken die er sich gesetzt, herbeizuziehen
dachte, so war auch der Gedanke, von welchem der König
ausgieng, von umfassender politischer Natur. Die große Stel-
lung hauptsächlich zu Italien, welche er durch das Unglück
der Kriege verloren, suchte er wiederzugewinnen. Ein Zuge-
ständniß das ihn verpflichtet hätte seine Waffen gegen Os-
manen und Protestanten zu richten, konnte ihn nicht befriedigen.

Wir lernen sein Verfahren hiebei recht eigen kennen.

Er hatte immer gesagt, es komme ihm auf die Erbrechte
seiner Kinder an. Konnte man leugnen, daß diese durch die
Auskunft mit dem Herzog von Angouleme so weit berücksich-
tigt worden wären als sich das bei Streitfragen dieser Art
überhaupt thun läßt? Allein er war nicht damit zufrieden.

Zuerst trug er darauf an, daß nicht sein dritter Sohn An-
gouleme
, sondern der zweite, Orleans, mit Mailand belehnt
würde. Sein Grund war, daß derselbe sonst kraft alter Haus-
verträge Bretagne in Anspruch nehmen, und dem künftigen
König einmal sehr beschwerlich fallen werde. Bemerken
wir hier auch das Verfahren des Kaisers. Er antwortete
wohl, der Herzog von Orleans dürfte der Krone um so ge-
fährlicher werden, je mächtiger man ihn mache; aber die Wahr-
heit ist, daß er und seine Minister schon wirklich auf diese
dereinst zu erwartende Opposition desselben gegen seinen
Bruder und die Krone rechneten. Absichtlich wollte der
Kaiser ihn nicht anderweit entschädigen, er wollte dieß um so
weniger, da Orleans durch seine mediceische Vermählung sich
auch eigene Ansprüche auf Italien verschafft hatte. Bei alle

Irrungen mit Frankreich.
vorſchlug die überwiegende Autorität die er in den letzten
Kriegen erworben, zu befeſtigen, die Kräfte von Frankreich
zu den allgemeinen Zwecken die er ſich geſetzt, herbeizuziehen
dachte, ſo war auch der Gedanke, von welchem der König
ausgieng, von umfaſſender politiſcher Natur. Die große Stel-
lung hauptſächlich zu Italien, welche er durch das Unglück
der Kriege verloren, ſuchte er wiederzugewinnen. Ein Zuge-
ſtändniß das ihn verpflichtet hätte ſeine Waffen gegen Os-
manen und Proteſtanten zu richten, konnte ihn nicht befriedigen.

Wir lernen ſein Verfahren hiebei recht eigen kennen.

Er hatte immer geſagt, es komme ihm auf die Erbrechte
ſeiner Kinder an. Konnte man leugnen, daß dieſe durch die
Auskunft mit dem Herzog von Angouleme ſo weit berückſich-
tigt worden wären als ſich das bei Streitfragen dieſer Art
überhaupt thun läßt? Allein er war nicht damit zufrieden.

Zuerſt trug er darauf an, daß nicht ſein dritter Sohn An-
gouleme
, ſondern der zweite, Orleans, mit Mailand belehnt
würde. Sein Grund war, daß derſelbe ſonſt kraft alter Haus-
verträge Bretagne in Anſpruch nehmen, und dem künftigen
König einmal ſehr beſchwerlich fallen werde. Bemerken
wir hier auch das Verfahren des Kaiſers. Er antwortete
wohl, der Herzog von Orleans dürfte der Krone um ſo ge-
fährlicher werden, je mächtiger man ihn mache; aber die Wahr-
heit iſt, daß er und ſeine Miniſter ſchon wirklich auf dieſe
dereinſt zu erwartende Oppoſition deſſelben gegen ſeinen
Bruder und die Krone rechneten. Abſichtlich wollte der
Kaiſer ihn nicht anderweit entſchädigen, er wollte dieß um ſo
weniger, da Orleans durch ſeine mediceiſche Vermählung ſich
auch eigene Anſprüche auf Italien verſchafft hatte. Bei alle

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[23/0035] Irrungen mit Frankreich. vorſchlug die überwiegende Autorität die er in den letzten Kriegen erworben, zu befeſtigen, die Kräfte von Frankreich zu den allgemeinen Zwecken die er ſich geſetzt, herbeizuziehen dachte, ſo war auch der Gedanke, von welchem der König ausgieng, von umfaſſender politiſcher Natur. Die große Stel- lung hauptſächlich zu Italien, welche er durch das Unglück der Kriege verloren, ſuchte er wiederzugewinnen. Ein Zuge- ſtändniß das ihn verpflichtet hätte ſeine Waffen gegen Os- manen und Proteſtanten zu richten, konnte ihn nicht befriedigen. Wir lernen ſein Verfahren hiebei recht eigen kennen. Er hatte immer geſagt, es komme ihm auf die Erbrechte ſeiner Kinder an. Konnte man leugnen, daß dieſe durch die Auskunft mit dem Herzog von Angouleme ſo weit berückſich- tigt worden wären als ſich das bei Streitfragen dieſer Art überhaupt thun läßt? Allein er war nicht damit zufrieden. Zuerſt trug er darauf an, daß nicht ſein dritter Sohn An- gouleme, ſondern der zweite, Orleans, mit Mailand belehnt würde. Sein Grund war, daß derſelbe ſonſt kraft alter Haus- verträge Bretagne in Anſpruch nehmen, und dem künftigen König einmal ſehr beſchwerlich fallen werde. Bemerken wir hier auch das Verfahren des Kaiſers. Er antwortete wohl, der Herzog von Orleans dürfte der Krone um ſo ge- fährlicher werden, je mächtiger man ihn mache; aber die Wahr- heit iſt, daß er und ſeine Miniſter ſchon wirklich auf dieſe dereinſt zu erwartende Oppoſition deſſelben gegen ſeinen Bruder und die Krone rechneten. Abſichtlich wollte der Kaiſer ihn nicht anderweit entſchädigen, er wollte dieß um ſo weniger, da Orleans durch ſeine mediceiſche Vermählung ſich auch eigene Anſprüche auf Italien verſchafft hatte. Bei alle

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/35>, abgerufen am 25.04.2024.