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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Erstes Capitel.
Sforzas, Nichte des Kaisers, mit dem jungen Herzog ver-
mähle, die Politik desselben doch auf immer von der fran-
zösischen zu trennen. Auch dieser selbst aber hofften sie hie-
durch einen andern Charakter zu geben. Da es nur auf den
Kaiser ankomme, Mailand für sich zu behalten, so erblick-
ten sie in der Übertragung dieses Landes an einen franzö-
sischen Prinzen ein so großes Zugeständniß, daß der König
dagegen nicht allein die Einwendungen die er noch immer
gegen die Friedensschlüsse von Cambrai und Madrid erhob,
fallen lassen, sondern sich in den großen Angelegenheiten voll-
kommen an den Kaiser anschließen werde. Deren waren be-
sonders zwei: die kirchliche, und der Krieg gegen die Türken.
Gegen die letzteren sollte sich der König mit dem Kaiser zu
Angriff und Vertheidigung verbinden. In kirchlicher Be-
ziehung sollte er versprechen, zur Herstellung des Katholicis-
mus, namentlich in Genf und in England, zur Celebration
eines Conciliums und zur Ausführung der Beschlüsse dessel-
ben kräftig mitzuwirken. Sie schienen nicht zu zweifeln daß
der König darauf eingehn würde. Hatte er doch bei den
ersten Eröffnungen erklärt, wenn man sich einige, werde er sich
als Freund der Freunde, und Feind der Feinde des Kaisers
beweisen, und ihn in allen Dingen zufrieden stellen. 1 Die
Auskunft mit dem Herzog von Angouleme war von der Kö-
nigin Leonora von Frankreich selbst vorgeschlagen worden. 2

Und wahrscheinlich hätte sich dieß erwarten lassen, wenn
nur die Differenz auf der Territorialfrage allein beruht hätte.

Aber so wie der Kaiser durch das Abkommen das er

1 L'empereur a son ambassadeur en France 22 dec. 1535.
Papiers de Granvelle II,
420.
2 Sommaire d'une lettre de la reine ib. 411.

Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
Sforzas, Nichte des Kaiſers, mit dem jungen Herzog ver-
mähle, die Politik deſſelben doch auf immer von der fran-
zöſiſchen zu trennen. Auch dieſer ſelbſt aber hofften ſie hie-
durch einen andern Charakter zu geben. Da es nur auf den
Kaiſer ankomme, Mailand für ſich zu behalten, ſo erblick-
ten ſie in der Übertragung dieſes Landes an einen franzö-
ſiſchen Prinzen ein ſo großes Zugeſtändniß, daß der König
dagegen nicht allein die Einwendungen die er noch immer
gegen die Friedensſchlüſſe von Cambrai und Madrid erhob,
fallen laſſen, ſondern ſich in den großen Angelegenheiten voll-
kommen an den Kaiſer anſchließen werde. Deren waren be-
ſonders zwei: die kirchliche, und der Krieg gegen die Türken.
Gegen die letzteren ſollte ſich der König mit dem Kaiſer zu
Angriff und Vertheidigung verbinden. In kirchlicher Be-
ziehung ſollte er verſprechen, zur Herſtellung des Katholicis-
mus, namentlich in Genf und in England, zur Celebration
eines Conciliums und zur Ausführung der Beſchlüſſe deſſel-
ben kräftig mitzuwirken. Sie ſchienen nicht zu zweifeln daß
der König darauf eingehn würde. Hatte er doch bei den
erſten Eröffnungen erklärt, wenn man ſich einige, werde er ſich
als Freund der Freunde, und Feind der Feinde des Kaiſers
beweiſen, und ihn in allen Dingen zufrieden ſtellen. 1 Die
Auskunft mit dem Herzog von Angouleme war von der Kö-
nigin Leonora von Frankreich ſelbſt vorgeſchlagen worden. 2

Und wahrſcheinlich hätte ſich dieß erwarten laſſen, wenn
nur die Differenz auf der Territorialfrage allein beruht hätte.

Aber ſo wie der Kaiſer durch das Abkommen das er

1 L’empereur à son ambassadeur en France 22 déc. 1535.
Papiers de Granvelle II,
420.
2 Sommaire d’une lettre de la reine ib. 411.
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[22/0034] Siebentes Buch. Erſtes Capitel. Sforzas, Nichte des Kaiſers, mit dem jungen Herzog ver- mähle, die Politik deſſelben doch auf immer von der fran- zöſiſchen zu trennen. Auch dieſer ſelbſt aber hofften ſie hie- durch einen andern Charakter zu geben. Da es nur auf den Kaiſer ankomme, Mailand für ſich zu behalten, ſo erblick- ten ſie in der Übertragung dieſes Landes an einen franzö- ſiſchen Prinzen ein ſo großes Zugeſtändniß, daß der König dagegen nicht allein die Einwendungen die er noch immer gegen die Friedensſchlüſſe von Cambrai und Madrid erhob, fallen laſſen, ſondern ſich in den großen Angelegenheiten voll- kommen an den Kaiſer anſchließen werde. Deren waren be- ſonders zwei: die kirchliche, und der Krieg gegen die Türken. Gegen die letzteren ſollte ſich der König mit dem Kaiſer zu Angriff und Vertheidigung verbinden. In kirchlicher Be- ziehung ſollte er verſprechen, zur Herſtellung des Katholicis- mus, namentlich in Genf und in England, zur Celebration eines Conciliums und zur Ausführung der Beſchlüſſe deſſel- ben kräftig mitzuwirken. Sie ſchienen nicht zu zweifeln daß der König darauf eingehn würde. Hatte er doch bei den erſten Eröffnungen erklärt, wenn man ſich einige, werde er ſich als Freund der Freunde, und Feind der Feinde des Kaiſers beweiſen, und ihn in allen Dingen zufrieden ſtellen. 1 Die Auskunft mit dem Herzog von Angouleme war von der Kö- nigin Leonora von Frankreich ſelbſt vorgeſchlagen worden. 2 Und wahrſcheinlich hätte ſich dieß erwarten laſſen, wenn nur die Differenz auf der Territorialfrage allein beruht hätte. Aber ſo wie der Kaiſer durch das Abkommen das er 1 L’empereur à son ambassadeur en France 22 déc. 1535. Papiers de Granvelle II, 420. 2 Sommaire d’une lettre de la reine ib. 411.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/34>, abgerufen am 25.04.2024.