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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Erstes Capitel.
dem hielt er doch eine definitive abschlägliche Antwort nicht
für rathsam; er verschob die weitere Unterhandlung auf seine
Anwesenheit in Rom, wo er den Papst zu Rath ziehen wolle. 1

Aber indem trat der König mit neuen Forderungen her-
vor. Wenn Orleans mit Mailand belehnt werde, nahm er
für sich selbst den Nießbrauch des Landes in Anspruch, und
zwar auf der Stelle, ohne allen Verzug.

Schon ließ Granvella verlauten: er fürchte, daß ein
Krieg ausbreche, bitterer und heftiger als jemals. Der Kai-
ser hielt noch an sich: er sagte nur, er könne nicht glauben
daß der König auf unausführbaren Dingen bestehe.

In diesem Augenblick erhob aber der König bereits
eine dritte, noch weiter reichende Forderung.

Schon seit längerer Zeit machte er Ansprüche auf die
Allodialverlassenschaft seines mütterlichen Großvaters Philipp
von Savoyen
. Er behauptete, in den Pacten von dessen er-
ster Ehe, aus der seine Mutter Louise entsprungen, sey diese
Verlassenschaft den Nachkommen aus derselben vorbehalten
worden; den Kindern zweiter Ehe, namentlich dem regieren-
den Herzog Carl III stehe kein Recht daran zu.

Wir brauchen die Rechtsbeständigkeit dieser Behauptun-
gen nicht zu prüfen. Der eigentliche Beweggrund des Königs
war ohne Zweifel auch hiebei politischer Natur.


1 Die Summe seines Auftrags an Hannart ist in dem Schrei-
ben vom 23. Juni 1535 enthalten: Si veez qu'il n'eust moien quel-
conque d'encliner ledit Sr roy de venir a traicter pour led. Sr
d'Angolesme, en quoy toutesfois, comme il nous semble, a ce que
l'on a peu conjecturer des propos dudit ambassadeur, il se con-
descendra, vous a l'extreme ne romprez la pratique, non pas pour
que notre attention soit de besoigner pour le dit duc d'Orleans,
mais pour gaigner tems.

Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
dem hielt er doch eine definitive abſchlägliche Antwort nicht
für rathſam; er verſchob die weitere Unterhandlung auf ſeine
Anweſenheit in Rom, wo er den Papſt zu Rath ziehen wolle. 1

Aber indem trat der König mit neuen Forderungen her-
vor. Wenn Orleans mit Mailand belehnt werde, nahm er
für ſich ſelbſt den Nießbrauch des Landes in Anſpruch, und
zwar auf der Stelle, ohne allen Verzug.

Schon ließ Granvella verlauten: er fürchte, daß ein
Krieg ausbreche, bitterer und heftiger als jemals. Der Kai-
ſer hielt noch an ſich: er ſagte nur, er könne nicht glauben
daß der König auf unausführbaren Dingen beſtehe.

In dieſem Augenblick erhob aber der König bereits
eine dritte, noch weiter reichende Forderung.

Schon ſeit längerer Zeit machte er Anſprüche auf die
Allodialverlaſſenſchaft ſeines mütterlichen Großvaters Philipp
von Savoyen
. Er behauptete, in den Pacten von deſſen er-
ſter Ehe, aus der ſeine Mutter Louiſe entſprungen, ſey dieſe
Verlaſſenſchaft den Nachkommen aus derſelben vorbehalten
worden; den Kindern zweiter Ehe, namentlich dem regieren-
den Herzog Carl III ſtehe kein Recht daran zu.

Wir brauchen die Rechtsbeſtändigkeit dieſer Behauptun-
gen nicht zu prüfen. Der eigentliche Beweggrund des Königs
war ohne Zweifel auch hiebei politiſcher Natur.


1 Die Summe ſeines Auftrags an Hannart iſt in dem Schrei-
ben vom 23. Juni 1535 enthalten: Si veez qu’il n’eust moien quel-
conque d’encliner ledit Sr roy de venir à traicter pour led. Sr
d’Angolesme, en quoy toutesfois, comme il nous semble, à ce que
l’on a peu conjecturer des propos dudit ambassadeur, il se con-
descendra, vous à l’extreme ne romprez la pratique, non pas pour
que notre attention soit de besoigner pour le dit duc d’Orleans,
mais pour gaigner tems.
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[24/0036] Siebentes Buch. Erſtes Capitel. dem hielt er doch eine definitive abſchlägliche Antwort nicht für rathſam; er verſchob die weitere Unterhandlung auf ſeine Anweſenheit in Rom, wo er den Papſt zu Rath ziehen wolle. 1 Aber indem trat der König mit neuen Forderungen her- vor. Wenn Orleans mit Mailand belehnt werde, nahm er für ſich ſelbſt den Nießbrauch des Landes in Anſpruch, und zwar auf der Stelle, ohne allen Verzug. Schon ließ Granvella verlauten: er fürchte, daß ein Krieg ausbreche, bitterer und heftiger als jemals. Der Kai- ſer hielt noch an ſich: er ſagte nur, er könne nicht glauben daß der König auf unausführbaren Dingen beſtehe. In dieſem Augenblick erhob aber der König bereits eine dritte, noch weiter reichende Forderung. Schon ſeit längerer Zeit machte er Anſprüche auf die Allodialverlaſſenſchaft ſeines mütterlichen Großvaters Philipp von Savoyen. Er behauptete, in den Pacten von deſſen er- ſter Ehe, aus der ſeine Mutter Louiſe entſprungen, ſey dieſe Verlaſſenſchaft den Nachkommen aus derſelben vorbehalten worden; den Kindern zweiter Ehe, namentlich dem regieren- den Herzog Carl III ſtehe kein Recht daran zu. Wir brauchen die Rechtsbeſtändigkeit dieſer Behauptun- gen nicht zu prüfen. Der eigentliche Beweggrund des Königs war ohne Zweifel auch hiebei politiſcher Natur. 1 Die Summe ſeines Auftrags an Hannart iſt in dem Schrei- ben vom 23. Juni 1535 enthalten: Si veez qu’il n’eust moien quel- conque d’encliner ledit Sr roy de venir à traicter pour led. Sr d’Angolesme, en quoy toutesfois, comme il nous semble, à ce que l’on a peu conjecturer des propos dudit ambassadeur, il se con- descendra, vous à l’extreme ne romprez la pratique, non pas pour que notre attention soit de besoigner pour le dit duc d’Orleans, mais pour gaigner tems.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/36>, abgerufen am 26.04.2024.