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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Unternehmung auf Tunis.
schaft der Karthager ausgegangen, nahm Chaireddin eine
noch furchtbarere Stellung ein als jemals früher. In den
kaiserlichen Gebieten von Messina bis Gibraltar glaubte man
in der Nähe des Meeres nicht mehr ruhig schlafen zu kön-
nen. Die Spanier fanden es überdieß unerträglich, daß in
einem Lande das sie zwanzig Jahre früher schon selbst gro-
ßen Theils eingenommen, wo sie ein neues Spanien zu grün-
den gedacht, ein so gefährlicher Feind sich festsetzen sollte. 1
Und so mußte Carl V von jenen feindseligen Entwürfen gegen
das innere Europa für den Augenblick absehen, und alle seine
Kräfte gegen Africa richten: er that es nicht allein ohne Wi-
derstreben, sondern mit Freude und Begeisterung; er urtheilte,
den räuberischen, mächtigen Ungläubigen zu bekämpfen sey
eine des kaiserlichen Namens besonders würdige Unterneh-
mung, zu der er mit ganz gesichertem Gewissen schreiten könne:
im Frühjahr 1535 sehen wir ihn in voller Thätigkeit, die-
selbe auszuführen.

In den Jahrhunderten des Mittelalters war den Spa-
niern bei ihren Kämpfen mit den Mauren nicht selten die
Macht des übrigen Europa zu Hülfe gekommen. Was da-
mals der freiwillige Eifer für die allgemeine Sache der Chri-
stenheit, das bewirkte jetzt das Ansehen des Kaisers, der
so viele Länder beherrschte. Nicht allein Italiener erschienen,
theils in seinem Solde, theils auch von einigen Großen, z. B.
dem Fürsten von Salerno, zusammengebracht, -- sondern auch
8000 Deutsche, in der Gegend von Augsburg geworben,

1 M. A. Contarini versichert, der Kaiser habe den Zug unter-
nommen "sforzato delle molte e quasi continue querele del
suo regno."

Unternehmung auf Tunis.
ſchaft der Karthager ausgegangen, nahm Chaireddin eine
noch furchtbarere Stellung ein als jemals früher. In den
kaiſerlichen Gebieten von Meſſina bis Gibraltar glaubte man
in der Nähe des Meeres nicht mehr ruhig ſchlafen zu kön-
nen. Die Spanier fanden es überdieß unerträglich, daß in
einem Lande das ſie zwanzig Jahre früher ſchon ſelbſt gro-
ßen Theils eingenommen, wo ſie ein neues Spanien zu grün-
den gedacht, ein ſo gefährlicher Feind ſich feſtſetzen ſollte. 1
Und ſo mußte Carl V von jenen feindſeligen Entwürfen gegen
das innere Europa für den Augenblick abſehen, und alle ſeine
Kräfte gegen Africa richten: er that es nicht allein ohne Wi-
derſtreben, ſondern mit Freude und Begeiſterung; er urtheilte,
den räuberiſchen, mächtigen Ungläubigen zu bekämpfen ſey
eine des kaiſerlichen Namens beſonders würdige Unterneh-
mung, zu der er mit ganz geſichertem Gewiſſen ſchreiten könne:
im Frühjahr 1535 ſehen wir ihn in voller Thätigkeit, die-
ſelbe auszuführen.

In den Jahrhunderten des Mittelalters war den Spa-
niern bei ihren Kämpfen mit den Mauren nicht ſelten die
Macht des übrigen Europa zu Hülfe gekommen. Was da-
mals der freiwillige Eifer für die allgemeine Sache der Chri-
ſtenheit, das bewirkte jetzt das Anſehen des Kaiſers, der
ſo viele Länder beherrſchte. Nicht allein Italiener erſchienen,
theils in ſeinem Solde, theils auch von einigen Großen, z. B.
dem Fürſten von Salerno, zuſammengebracht, — ſondern auch
8000 Deutſche, in der Gegend von Augsburg geworben,

1 M. A. Contarini verſichert, der Kaiſer habe den Zug unter-
nommen „sforzato delle molte e quasi continue querele del
suo regno.“
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[13/0025] Unternehmung auf Tunis. ſchaft der Karthager ausgegangen, nahm Chaireddin eine noch furchtbarere Stellung ein als jemals früher. In den kaiſerlichen Gebieten von Meſſina bis Gibraltar glaubte man in der Nähe des Meeres nicht mehr ruhig ſchlafen zu kön- nen. Die Spanier fanden es überdieß unerträglich, daß in einem Lande das ſie zwanzig Jahre früher ſchon ſelbſt gro- ßen Theils eingenommen, wo ſie ein neues Spanien zu grün- den gedacht, ein ſo gefährlicher Feind ſich feſtſetzen ſollte. 1 Und ſo mußte Carl V von jenen feindſeligen Entwürfen gegen das innere Europa für den Augenblick abſehen, und alle ſeine Kräfte gegen Africa richten: er that es nicht allein ohne Wi- derſtreben, ſondern mit Freude und Begeiſterung; er urtheilte, den räuberiſchen, mächtigen Ungläubigen zu bekämpfen ſey eine des kaiſerlichen Namens beſonders würdige Unterneh- mung, zu der er mit ganz geſichertem Gewiſſen ſchreiten könne: im Frühjahr 1535 ſehen wir ihn in voller Thätigkeit, die- ſelbe auszuführen. In den Jahrhunderten des Mittelalters war den Spa- niern bei ihren Kämpfen mit den Mauren nicht ſelten die Macht des übrigen Europa zu Hülfe gekommen. Was da- mals der freiwillige Eifer für die allgemeine Sache der Chri- ſtenheit, das bewirkte jetzt das Anſehen des Kaiſers, der ſo viele Länder beherrſchte. Nicht allein Italiener erſchienen, theils in ſeinem Solde, theils auch von einigen Großen, z. B. dem Fürſten von Salerno, zuſammengebracht, — ſondern auch 8000 Deutſche, in der Gegend von Augsburg geworben, 1 M. A. Contarini verſichert, der Kaiſer habe den Zug unter- nommen „sforzato delle molte e quasi continue querele del suo regno.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/25>, abgerufen am 28.03.2024.