Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Erstes Capitel. dann kehrte er plötzlich um: nachdem er noch die Küsten vonSardinien geplündert, warf er sich auf Tunis, wo die Beni- hafs regierten und der osmanischen Übermacht noch Widerstand leisteten. Er nahm den Schein an, als ob er an des re- gierenden Muley Hassan Stelle, der sich durch Grausamkeit die Gemüther seiner Unterthanen entfremdet, dessen Bruder Re- schid setzen wolle: und um so leichter eroberte er die Stadt; hierauf aber trug er kein Bedenken für sich selbst Besitz zu ergreifen: gegen den Angriff des zurückkehrenden Hassan wußte er sich mit seinem Geschütz zu behaupten. 1 Auch dieß Unternehmen war nun wohl nicht ganz ohne 1 Haji Khaliseh maritime wars, p. 51, bezeichnet die Araber Hassans als "unable to maintain their ground against cannon and musketry." 2 Enumeratio eorum quae per Duplicium Cornelium Scep-
perum acta et tractata, audita et visa sunt. Sammlung von Ge- vay 1534. p. 43. Siebentes Buch. Erſtes Capitel. dann kehrte er plötzlich um: nachdem er noch die Küſten vonSardinien geplündert, warf er ſich auf Tunis, wo die Beni- hafs regierten und der osmaniſchen Übermacht noch Widerſtand leiſteten. Er nahm den Schein an, als ob er an des re- gierenden Muley Haſſan Stelle, der ſich durch Grauſamkeit die Gemüther ſeiner Unterthanen entfremdet, deſſen Bruder Re- ſchid ſetzen wolle: und um ſo leichter eroberte er die Stadt; hierauf aber trug er kein Bedenken für ſich ſelbſt Beſitz zu ergreifen: gegen den Angriff des zurückkehrenden Haſſan wußte er ſich mit ſeinem Geſchütz zu behaupten. 1 Auch dieß Unternehmen war nun wohl nicht ganz ohne 1 Haji Khaliſeh maritime wars, p. 51, bezeichnet die Araber Haſſans als „unable to maintain their ground against cannon and musketry.“ 2 Enumeratio eorum quae per Duplicium Cornelium Scep-
perum acta et tractata, audita et visa sunt. Sammlung von Ge- vay 1534. p. 43. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0024" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> dann kehrte er plötzlich um: nachdem er noch die Küſten von<lb/><placeName>Sardinien</placeName> geplündert, warf er ſich auf <placeName>Tunis</placeName>, wo die Beni-<lb/> hafs regierten und der osmaniſchen Übermacht noch Widerſtand<lb/> leiſteten. Er nahm den Schein an, als ob er an des re-<lb/> gierenden <persName ref="http://d-nb.info/gnd/1014997216">Muley Haſſan</persName> Stelle, der ſich durch Grauſamkeit<lb/> die Gemüther ſeiner Unterthanen entfremdet, deſſen Bruder <persName ref="nognd">Re-<lb/> ſchid</persName> ſetzen wolle: und um ſo leichter eroberte er die Stadt;<lb/> hierauf aber trug er kein Bedenken für ſich ſelbſt Beſitz zu<lb/> ergreifen: gegen den Angriff des zurückkehrenden <persName ref=" http://d-nb.info/gnd/1014997216 ">Haſſan</persName> wußte<lb/> er ſich mit ſeinem Geſchütz zu behaupten. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq"><persName ref=" http://d-nb.info/gnd/118675451 ">Haji Khaliſeh</persName> maritime wars, p.</hi> 51, bezeichnet die Araber<lb/><persName ref=" http://d-nb.info/gnd/1014997216 ">Haſſans</persName> als <hi rendition="#aq">„unable to maintain their ground against cannon and<lb/> musketry.“</hi></note></p><lb/> <p>Auch dieß Unternehmen war nun wohl nicht ganz ohne<lb/> Beziehung zu der Entzweiung zwiſchen dem Kaiſer und dem<lb/> König von <placeName>Frankreich</placeName>. Fortwährend ſtand <persName ref=" http://d-nb.info/gnd/118619993 ">Suleiman</persName> in gu-<lb/> tem Verhältniß mit <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118534947">Franz <hi rendition="#aq">I.</hi></persName> Als ihm <persName ref=" http://d-nb.info/gnd/118560093 ">Carl</persName> in jenem Jahre<lb/> einmal den Antrag machen ließ in <placeName>Conſtantinopel</placeName> im Namen<lb/> der geſammten Chriſtenheit mit ihm zu unterhandeln, lächelte<lb/><persName ref=" http://d-nb.info/gnd/118619993 ">Suleiman</persName>: er wußte wohl, wie wenig die chriſtlichen Fürſten<lb/> mit <persName ref=" http://d-nb.info/gnd/118560093 ">Carl</persName> Eines Sinnes ſeyen. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Enumeratio eorum quae per Duplicium Cornelium Scep-<lb/> perum acta et tractata, audita et visa sunt.</hi> Sammlung von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/144045206 ">Ge-<lb/> vay</persName> 1534. <hi rendition="#aq">p.</hi> 43.</note> <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118534947">Franz <hi rendition="#aq">I</hi></persName> hatte dem <persName ref=" http://d-nb.info/gnd/118723510 ">Papſt Cle-<lb/> mens</persName> einſt geradezu geſagt, daß er einen Anfall der Osma-<lb/> nen eher hervorzurufen als demſelben zu widerſtehen gedenke.<lb/> Nicht als ob zwiſchen <persName ref=" http://d-nb.info/gnd/118619993 ">Suleiman</persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118534947">Franz <hi rendition="#aq">I</hi></persName> der Angriff auf<lb/><placeName>Tunis</placeName> verabredet geweſen wäre; aber ſie waren einverſtan-<lb/> den, dem Kaiſer ſo viel wie möglich zu ſchaffen zu machen.<lb/> Wie hätte das aber beſſer geſchehen können als durch dieſe<lb/> Eroberung. An dem Golf, von welchem einſt die Seeherr-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0024]
Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
dann kehrte er plötzlich um: nachdem er noch die Küſten von
Sardinien geplündert, warf er ſich auf Tunis, wo die Beni-
hafs regierten und der osmaniſchen Übermacht noch Widerſtand
leiſteten. Er nahm den Schein an, als ob er an des re-
gierenden Muley Haſſan Stelle, der ſich durch Grauſamkeit
die Gemüther ſeiner Unterthanen entfremdet, deſſen Bruder Re-
ſchid ſetzen wolle: und um ſo leichter eroberte er die Stadt;
hierauf aber trug er kein Bedenken für ſich ſelbſt Beſitz zu
ergreifen: gegen den Angriff des zurückkehrenden Haſſan wußte
er ſich mit ſeinem Geſchütz zu behaupten. 1
Auch dieß Unternehmen war nun wohl nicht ganz ohne
Beziehung zu der Entzweiung zwiſchen dem Kaiſer und dem
König von Frankreich. Fortwährend ſtand Suleiman in gu-
tem Verhältniß mit Franz I. Als ihm Carl in jenem Jahre
einmal den Antrag machen ließ in Conſtantinopel im Namen
der geſammten Chriſtenheit mit ihm zu unterhandeln, lächelte
Suleiman: er wußte wohl, wie wenig die chriſtlichen Fürſten
mit Carl Eines Sinnes ſeyen. 2 Franz I hatte dem Papſt Cle-
mens einſt geradezu geſagt, daß er einen Anfall der Osma-
nen eher hervorzurufen als demſelben zu widerſtehen gedenke.
Nicht als ob zwiſchen Suleiman und Franz I der Angriff auf
Tunis verabredet geweſen wäre; aber ſie waren einverſtan-
den, dem Kaiſer ſo viel wie möglich zu ſchaffen zu machen.
Wie hätte das aber beſſer geſchehen können als durch dieſe
Eroberung. An dem Golf, von welchem einſt die Seeherr-
1 Haji Khaliſeh maritime wars, p. 51, bezeichnet die Araber
Haſſans als „unable to maintain their ground against cannon and
musketry.“
2 Enumeratio eorum quae per Duplicium Cornelium Scep-
perum acta et tractata, audita et visa sunt. Sammlung von Ge-
vay 1534. p. 43.
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Zitationshilfe: | Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/24>, abgerufen am 04.07.2024. |