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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Unternehmung auf Tunis.
barbarischen Staat gegründet, welcher der Schrecken des west-
lichen Meeres
wurde. 1 In fortgesetztem Kampfe wie mit den
einheimischen Fürsten so mit den christlichen Mächten eines
Rückhalts bedürftig, hielt er es für gut sich an Suleiman
anzuschließen, "dessen Glorie so herrlich wie die des Dschem-
schid." Suleiman, der sich als den Verfechter des ächten Is-
lam betrachtete, z. B. den persischen Krieg, den er damals
(im J. 1533) unternommen, als einen Religionskrieg ge-
gen die Shii ansah, und als er Bagdad eroberte, es eine
seiner ersten Sorgen seyn ließ, das Andenken des großen
sunnitischen Lehrers Ebu Hanifeh zu erneuern, dessen an-
gebliches Grab zu einem allgemeinen Wallfahrtsort zu erhe-
ben, -- war sehr empfänglich dafür, daß Chaireddin im fer-
nen Westen für ihn, den Kalifen von Rom, denn diesen Ti-
tel gab er sich, das Kanzelgebet abhalten ließ. Er ernannte
denselben dagegen zum Beglerbeg des Meeres. Im Juli
1534 erschien Chaireddin von Constantinopel kommend an
den italienischen Küsten. Wie erschrak Neapel, als sich plötz-
lich der Stadt gegenüber die hundert Segel des Corsaren
entfalteten. Es lag aber dießmal nicht in seiner Absicht, zu ei-
nem ernstlichen Angriff zu schreiten. Er begnügte sich Schiffs-
werfte an der Küste zu zerstören, Castelle von geringer Bedeu-
tung zu nehmen und wieder zu verlassen, ein paar Meilen
weit in das Land zu streifen und Gefangene wegzuführen;

1 In Sandoval I, 87 findet sich ein Aufsatz Origen de los
Barbarrojas,
genommen aus einer "Relacion de un Genoves que
trato mucho con Barbarroja";
der über die Unternehmungen des
Urutsch, welcher der eigentliche Barbarossa ist, das meiste Licht ver-
breitet. Ludovici in seiner Relation sagt von Chaireddin: Non e quel
Barbarossa che gia qualche tempo era tanto nominato, ma e ni-
pote suo
(müßte heißen fratello) e li e nel nome successo.

Unternehmung auf Tunis.
barbariſchen Staat gegründet, welcher der Schrecken des weſt-
lichen Meeres
wurde. 1 In fortgeſetztem Kampfe wie mit den
einheimiſchen Fürſten ſo mit den chriſtlichen Mächten eines
Rückhalts bedürftig, hielt er es für gut ſich an Suleiman
anzuſchließen, „deſſen Glorie ſo herrlich wie die des Dſchem-
ſchid.“ Suleiman, der ſich als den Verfechter des ächten Is-
lam betrachtete, z. B. den perſiſchen Krieg, den er damals
(im J. 1533) unternommen, als einen Religionskrieg ge-
gen die Shii anſah, und als er Bagdad eroberte, es eine
ſeiner erſten Sorgen ſeyn ließ, das Andenken des großen
ſunnitiſchen Lehrers Ebu Hanifeh zu erneuern, deſſen an-
gebliches Grab zu einem allgemeinen Wallfahrtsort zu erhe-
ben, — war ſehr empfänglich dafür, daß Chaireddin im fer-
nen Weſten für ihn, den Kalifen von Rom, denn dieſen Ti-
tel gab er ſich, das Kanzelgebet abhalten ließ. Er ernannte
denſelben dagegen zum Beglerbeg des Meeres. Im Juli
1534 erſchien Chaireddin von Conſtantinopel kommend an
den italieniſchen Küſten. Wie erſchrak Neapel, als ſich plötz-
lich der Stadt gegenüber die hundert Segel des Corſaren
entfalteten. Es lag aber dießmal nicht in ſeiner Abſicht, zu ei-
nem ernſtlichen Angriff zu ſchreiten. Er begnügte ſich Schiffs-
werfte an der Küſte zu zerſtören, Caſtelle von geringer Bedeu-
tung zu nehmen und wieder zu verlaſſen, ein paar Meilen
weit in das Land zu ſtreifen und Gefangene wegzuführen;

1 In Sandoval I, 87 findet ſich ein Aufſatz Origen de los
Barbarrojas,
genommen aus einer „Relacion de un Genoves que
tratò mucho con Barbarroja“;
der uͤber die Unternehmungen des
Urutſch, welcher der eigentliche Barbaroſſa iſt, das meiſte Licht ver-
breitet. Ludovici in ſeiner Relation ſagt von Chaireddin: Non è quel
Barbarossa che già qualche tempo era tanto nominato, ma è ni-
pote suo
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[11/0023] Unternehmung auf Tunis. barbariſchen Staat gegründet, welcher der Schrecken des weſt- lichen Meeres wurde. 1 In fortgeſetztem Kampfe wie mit den einheimiſchen Fürſten ſo mit den chriſtlichen Mächten eines Rückhalts bedürftig, hielt er es für gut ſich an Suleiman anzuſchließen, „deſſen Glorie ſo herrlich wie die des Dſchem- ſchid.“ Suleiman, der ſich als den Verfechter des ächten Is- lam betrachtete, z. B. den perſiſchen Krieg, den er damals (im J. 1533) unternommen, als einen Religionskrieg ge- gen die Shii anſah, und als er Bagdad eroberte, es eine ſeiner erſten Sorgen ſeyn ließ, das Andenken des großen ſunnitiſchen Lehrers Ebu Hanifeh zu erneuern, deſſen an- gebliches Grab zu einem allgemeinen Wallfahrtsort zu erhe- ben, — war ſehr empfänglich dafür, daß Chaireddin im fer- nen Weſten für ihn, den Kalifen von Rom, denn dieſen Ti- tel gab er ſich, das Kanzelgebet abhalten ließ. Er ernannte denſelben dagegen zum Beglerbeg des Meeres. Im Juli 1534 erſchien Chaireddin von Conſtantinopel kommend an den italieniſchen Küſten. Wie erſchrak Neapel, als ſich plötz- lich der Stadt gegenüber die hundert Segel des Corſaren entfalteten. Es lag aber dießmal nicht in ſeiner Abſicht, zu ei- nem ernſtlichen Angriff zu ſchreiten. Er begnügte ſich Schiffs- werfte an der Küſte zu zerſtören, Caſtelle von geringer Bedeu- tung zu nehmen und wieder zu verlaſſen, ein paar Meilen weit in das Land zu ſtreifen und Gefangene wegzuführen; 1 In Sandoval I, 87 findet ſich ein Aufſatz Origen de los Barbarrojas, genommen aus einer „Relacion de un Genoves que tratò mucho con Barbarroja“; der uͤber die Unternehmungen des Urutſch, welcher der eigentliche Barbaroſſa iſt, das meiſte Licht ver- breitet. Ludovici in ſeiner Relation ſagt von Chaireddin: Non è quel Barbarossa che già qualche tempo era tanto nominato, ma è ni- pote suo (muͤßte heißen fratello) e li è nel nome successo.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/23>, abgerufen am 29.03.2024.