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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Vertrag mit Hessen.
sonst hätte befürchten müssen. Eine allgemeine Vereinbarung
war im Werke gewesen. Es war ihm genug, daß er allein
und persönlich ein einstweiliges Verständniß mit beiden Par-
teien zu Stande brachte.

Die politischen Motive die aus seiner europäischen Stel-
lung entsprangen, beherrschten auch alle die anderweiten Ver-
handlungen die er an dem Reichstage pflog.

Es gelang ihm, und wir werden noch sehen durch welche
Verwickelungen der besondersten Art unterstützt, den Landgra-
fen von Hessen, der seit jener seiner Anwesenheit in Wien
besonders mit Königin Maria in den Niederlanden ein Ver-
hältniß der Freundschaft und des gegenseitigen Vertrauens
unterhalten hatte, ganz auf seine Seite zu ziehen. Schon
in Worms war darüber unterhandelt worden, in Regens-
burg
ward am 13ten Juni ein förmlicher Bund abgeschlos-
sen. Jeder Theil bewilligte eben das worauf es dem an-
dern am meisten ankam: der Kaiser Amnestie wegen aller
frühern Unternehmungen des Landgrafen, auch wenn sie ge-
gen das Haus Östreich selbst gegangen: er werde sich nie-
mand gegen ihn anreizen lassen, auch nicht in den Angele-
genheiten der Religion. Dagegen versprach der Landgraf,
sich fortan zur politischen Partei des Kaisers zu halten, jede
Verbindung des schmalkaldischen Bundes mit Frankreich oder
mit England zu verhindern: namentlich den Herzog von Cleve
weder in dieß Bündniß aufnehmen zu lassen, noch sonst auf
irgend eine Art zu unterstützen: 1 sollte der Kaiser angegrif-
fen werden, ihm nöthigenfalls selbst in Person zu Hülfe zu
kommen. Als Landgraf Philipp bald darauf den Reichstag

1 Auszug des Vertrages vom 13 Juni bei Rommel II, 434.
Ranke D. Gesch. IV. 15

Vertrag mit Heſſen.
ſonſt hätte befürchten müſſen. Eine allgemeine Vereinbarung
war im Werke geweſen. Es war ihm genug, daß er allein
und perſönlich ein einſtweiliges Verſtändniß mit beiden Par-
teien zu Stande brachte.

Die politiſchen Motive die aus ſeiner europäiſchen Stel-
lung entſprangen, beherrſchten auch alle die anderweiten Ver-
handlungen die er an dem Reichstage pflog.

Es gelang ihm, und wir werden noch ſehen durch welche
Verwickelungen der beſonderſten Art unterſtützt, den Landgra-
fen von Heſſen, der ſeit jener ſeiner Anweſenheit in Wien
beſonders mit Königin Maria in den Niederlanden ein Ver-
hältniß der Freundſchaft und des gegenſeitigen Vertrauens
unterhalten hatte, ganz auf ſeine Seite zu ziehen. Schon
in Worms war darüber unterhandelt worden, in Regens-
burg
ward am 13ten Juni ein förmlicher Bund abgeſchloſ-
ſen. Jeder Theil bewilligte eben das worauf es dem an-
dern am meiſten ankam: der Kaiſer Amneſtie wegen aller
frühern Unternehmungen des Landgrafen, auch wenn ſie ge-
gen das Haus Öſtreich ſelbſt gegangen: er werde ſich nie-
mand gegen ihn anreizen laſſen, auch nicht in den Angele-
genheiten der Religion. Dagegen verſprach der Landgraf,
ſich fortan zur politiſchen Partei des Kaiſers zu halten, jede
Verbindung des ſchmalkaldiſchen Bundes mit Frankreich oder
mit England zu verhindern: namentlich den Herzog von Cleve
weder in dieß Bündniß aufnehmen zu laſſen, noch ſonſt auf
irgend eine Art zu unterſtützen: 1 ſollte der Kaiſer angegrif-
fen werden, ihm nöthigenfalls ſelbſt in Perſon zu Hülfe zu
kommen. Als Landgraf Philipp bald darauf den Reichstag

1 Auszug des Vertrages vom 13 Juni bei Rommel II, 434.
Ranke D. Geſch. IV. 15
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[225/0237] Vertrag mit Heſſen. ſonſt hätte befürchten müſſen. Eine allgemeine Vereinbarung war im Werke geweſen. Es war ihm genug, daß er allein und perſönlich ein einſtweiliges Verſtändniß mit beiden Par- teien zu Stande brachte. Die politiſchen Motive die aus ſeiner europäiſchen Stel- lung entſprangen, beherrſchten auch alle die anderweiten Ver- handlungen die er an dem Reichstage pflog. Es gelang ihm, und wir werden noch ſehen durch welche Verwickelungen der beſonderſten Art unterſtützt, den Landgra- fen von Heſſen, der ſeit jener ſeiner Anweſenheit in Wien beſonders mit Königin Maria in den Niederlanden ein Ver- hältniß der Freundſchaft und des gegenſeitigen Vertrauens unterhalten hatte, ganz auf ſeine Seite zu ziehen. Schon in Worms war darüber unterhandelt worden, in Regens- burg ward am 13ten Juni ein förmlicher Bund abgeſchloſ- ſen. Jeder Theil bewilligte eben das worauf es dem an- dern am meiſten ankam: der Kaiſer Amneſtie wegen aller frühern Unternehmungen des Landgrafen, auch wenn ſie ge- gen das Haus Öſtreich ſelbſt gegangen: er werde ſich nie- mand gegen ihn anreizen laſſen, auch nicht in den Angele- genheiten der Religion. Dagegen verſprach der Landgraf, ſich fortan zur politiſchen Partei des Kaiſers zu halten, jede Verbindung des ſchmalkaldiſchen Bundes mit Frankreich oder mit England zu verhindern: namentlich den Herzog von Cleve weder in dieß Bündniß aufnehmen zu laſſen, noch ſonſt auf irgend eine Art zu unterſtützen: 1 ſollte der Kaiſer angegrif- fen werden, ihm nöthigenfalls ſelbſt in Perſon zu Hülfe zu kommen. Als Landgraf Philipp bald darauf den Reichstag 1 Auszug des Vertrages vom 13 Juni bei Rommel II, 434. Ranke D. Geſch. IV. 15

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/237>, abgerufen am 23.11.2024.