Während sonst die Repräsentanten des Papsithums ein- verstanden, die des Protestantismus entzweit gewesen, trat jetzt der umgekehrte Fall ein: jene waren entzweit, und diese einmüthig.
Nur vergebens versuchten die Gegner die alte Streitig- keit über das Abendmahl wieder rege zu machen. Die Wit- tenberger Concordie zeigte sich vollkommen genügend. Jo- hann Calvin, der in diesen Jahren in Straßburg lebte, war der Bevollmächtigte einer niederdeutschen Stadt, Lüneburg. Zwischen ihm und Melanchthon bildete sich hier ein inniges Vertrauen. Einer der vornehmsten Gedanken mit welchem die Protestanten auftraten, war, daß sie mit nichten Abtrün- nige seyen, daß vielmehr eben ihre Seite an der Überein- stimmung der katholischen Kirche, nicht allein den propheti- schen und apostolischen Schriften, sondern auch den alten Synoden festhalte: sie wollten nicht anerkennen daß der Ti- tel Katholische den Gegnern zukomme 1 -- in der Disputa- tion werde sich schon zeigen, welcher von beiden Theilen in der Gemeinschaft der wahren alten Kirche verharre.
In der That, wenn das angeordnete Gespräch Fortgang hatte, wenn dann die Stimmen der hier Erschienenen gesam- melt wurden, so ließ sich nichts anders erwarten, als daß die Mehrheit sich im Sinne der Neuerung erklären würde. Das protestantische Prinzip hätte den glänzendsten Sieg in einer im Namen von Kaiser und Reich berufenen Versamm-
1Responsum Evangelicorum 27 Dec. C. Ref. III, 1254. Quod a vobis (es ist an die Präsidenten gerichtet) adversarii vo- cantur catholici, toties jam testati sumus, genus doctrinae quod profitemur vere esse consensum ecclesiae catholicae.
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Während ſonſt die Repräſentanten des Papſithums ein- verſtanden, die des Proteſtantismus entzweit geweſen, trat jetzt der umgekehrte Fall ein: jene waren entzweit, und dieſe einmüthig.
Nur vergebens verſuchten die Gegner die alte Streitig- keit über das Abendmahl wieder rege zu machen. Die Wit- tenberger Concordie zeigte ſich vollkommen genügend. Jo- hann Calvin, der in dieſen Jahren in Straßburg lebte, war der Bevollmächtigte einer niederdeutſchen Stadt, Lüneburg. Zwiſchen ihm und Melanchthon bildete ſich hier ein inniges Vertrauen. Einer der vornehmſten Gedanken mit welchem die Proteſtanten auftraten, war, daß ſie mit nichten Abtrün- nige ſeyen, daß vielmehr eben ihre Seite an der Überein- ſtimmung der katholiſchen Kirche, nicht allein den propheti- ſchen und apoſtoliſchen Schriften, ſondern auch den alten Synoden feſthalte: ſie wollten nicht anerkennen daß der Ti- tel Katholiſche den Gegnern zukomme 1 — in der Disputa- tion werde ſich ſchon zeigen, welcher von beiden Theilen in der Gemeinſchaft der wahren alten Kirche verharre.
In der That, wenn das angeordnete Geſpräch Fortgang hatte, wenn dann die Stimmen der hier Erſchienenen geſam- melt wurden, ſo ließ ſich nichts anders erwarten, als daß die Mehrheit ſich im Sinne der Neuerung erklären würde. Das proteſtantiſche Prinzip hätte den glänzendſten Sieg in einer im Namen von Kaiſer und Reich berufenen Verſamm-
1Responsum Evangelicorum 27 Dec. C. Ref. III, 1254. Quod a vobis (es iſt an die Praͤſidenten gerichtet) adversarii vo- cantur catholici, toties jam testati sumus, genus doctrinae quod profitemur vere esse consensum ecclesiae catholicae.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0210"n="198"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/><p>Während ſonſt die Repräſentanten des Papſithums ein-<lb/>
verſtanden, die des Proteſtantismus entzweit geweſen, trat<lb/>
jetzt der umgekehrte Fall ein: jene waren entzweit, und dieſe<lb/>
einmüthig.</p><lb/><p>Nur vergebens verſuchten die Gegner die alte Streitig-<lb/>
keit über das Abendmahl wieder rege zu machen. Die Wit-<lb/>
tenberger Concordie zeigte ſich vollkommen genügend. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118518534">Jo-<lb/>
hann Calvin</persName>, der in dieſen Jahren in <placeName>Straßburg</placeName> lebte, war<lb/>
der Bevollmächtigte einer niederdeutſchen Stadt, <placeName>Lüneburg</placeName>.<lb/>
Zwiſchen ihm und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118580485">Melanchthon</persName> bildete ſich hier ein inniges<lb/>
Vertrauen. Einer der vornehmſten Gedanken mit welchem<lb/>
die Proteſtanten auftraten, war, daß ſie mit nichten Abtrün-<lb/>
nige ſeyen, daß vielmehr eben ihre Seite an der Überein-<lb/>ſtimmung der katholiſchen Kirche, nicht allein den propheti-<lb/>ſchen und apoſtoliſchen Schriften, ſondern auch den alten<lb/>
Synoden feſthalte: ſie wollten nicht anerkennen daß der Ti-<lb/>
tel Katholiſche den Gegnern zukomme <noteplace="foot"n="1"><hirendition="#aq">Responsum Evangelicorum 27 Dec. C. Ref. III, 1254.<lb/>
Quod a vobis</hi> (es iſt an die Praͤſidenten gerichtet) <hirendition="#aq">adversarii vo-<lb/>
cantur catholici, toties jam testati sumus, genus doctrinae quod<lb/>
profitemur vere esse consensum ecclesiae catholicae.</hi></note>— in der Disputa-<lb/>
tion werde ſich ſchon zeigen, welcher von beiden Theilen in<lb/>
der Gemeinſchaft der wahren alten Kirche verharre.</p><lb/><p>In der That, wenn das angeordnete Geſpräch Fortgang<lb/>
hatte, wenn dann die Stimmen der hier Erſchienenen geſam-<lb/>
melt wurden, ſo ließ ſich nichts anders erwarten, als daß<lb/>
die Mehrheit ſich im Sinne der Neuerung erklären würde.<lb/>
Das proteſtantiſche Prinzip hätte den glänzendſten Sieg in<lb/>
einer im Namen von Kaiſer und Reich berufenen Verſamm-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[198/0210]
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Während ſonſt die Repräſentanten des Papſithums ein-
verſtanden, die des Proteſtantismus entzweit geweſen, trat
jetzt der umgekehrte Fall ein: jene waren entzweit, und dieſe
einmüthig.
Nur vergebens verſuchten die Gegner die alte Streitig-
keit über das Abendmahl wieder rege zu machen. Die Wit-
tenberger Concordie zeigte ſich vollkommen genügend. Jo-
hann Calvin, der in dieſen Jahren in Straßburg lebte, war
der Bevollmächtigte einer niederdeutſchen Stadt, Lüneburg.
Zwiſchen ihm und Melanchthon bildete ſich hier ein inniges
Vertrauen. Einer der vornehmſten Gedanken mit welchem
die Proteſtanten auftraten, war, daß ſie mit nichten Abtrün-
nige ſeyen, daß vielmehr eben ihre Seite an der Überein-
ſtimmung der katholiſchen Kirche, nicht allein den propheti-
ſchen und apoſtoliſchen Schriften, ſondern auch den alten
Synoden feſthalte: ſie wollten nicht anerkennen daß der Ti-
tel Katholiſche den Gegnern zukomme 1 — in der Disputa-
tion werde ſich ſchon zeigen, welcher von beiden Theilen in
der Gemeinſchaft der wahren alten Kirche verharre.
In der That, wenn das angeordnete Geſpräch Fortgang
hatte, wenn dann die Stimmen der hier Erſchienenen geſam-
melt wurden, ſo ließ ſich nichts anders erwarten, als daß
die Mehrheit ſich im Sinne der Neuerung erklären würde.
Das proteſtantiſche Prinzip hätte den glänzendſten Sieg in
einer im Namen von Kaiſer und Reich berufenen Verſamm-
1 Responsum Evangelicorum 27 Dec. C. Ref. III, 1254.
Quod a vobis (es iſt an die Praͤſidenten gerichtet) adversarii vo-
cantur catholici, toties jam testati sumus, genus doctrinae quod
profitemur vere esse consensum ecclesiae catholicae.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/210>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.