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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Gespräch zu Worms.
Actenstück vor: Granvella erklärte es für unächt, ja er gab zu
verstehen, es möge wohl römischer Seits erdichtet seyn. 1

Auch in den Mitgliedern der alten Majorität zeigte sich
eine wesentliche Sinnesänderung.

Im Laufe des Sommers hatte der Churfürst von Sach-
sen
die mächtigeren geistlichen Fürsten, die Bischöfe von Cölln,
Trier, Salzburg, Würzburg, Bamberg, Augsburg, in eige-
nen Anschreiben ersucht, die Dinge zu einem beharrlichen
Frieden zu fördern; sie hatten ihm im Ganzen sehr befrie-
digende Antworten gegeben. Der päpstliche Nuntius findet
die Bischöfe feigherzig, aller Muth sey ihnen gefallen, seit-
dem die Ankunft des Kaisers in den diesseitigen Ländern ihnen
so wenig Vortheil gebracht habe.

Die Hauptsache aber war, daß in Denen die zu dem
Gespräch besonders abgeordnet waren, die Erfolge der in
den letzten Jahren geschehenen Umwandlung sich hervorthaten.
Der römische König hatte die fünf Churfürsten außer Sach-
sen
, drei geistliche Fürsten, Magdeburg, Salzburg und Straß-
burg
, und drei weltliche, die beiden Herzoge von Baiern und
den Herzog von Cleve, als diejenigen bezeichnet welche die
elf Stimmen der Majorität im Gespräche führen sollten;
unter diesen waren nun aber drei, die Abgeordneten der Chur-
fürsten von der Pfalz und von Brandenburg und des Her-
zogs von Cleve entweder sehr zweifelhafter Gesinnung oder
den Prinzipien der Neuerung entschieden zugethan.


1 Schreiben des Nuntius 8 Dec. S. Sria m'ha domandato
se pensava la scrittura poter esse finta, forse pensando ch'io l'ha-
vessi sognata per disturbare; ma torno(ai) a replicare che da
me S. Sria non sara ingannata, ma si di Lutherani.

Geſpraͤch zu Worms.
Actenſtück vor: Granvella erklärte es für unächt, ja er gab zu
verſtehen, es möge wohl römiſcher Seits erdichtet ſeyn. 1

Auch in den Mitgliedern der alten Majorität zeigte ſich
eine weſentliche Sinnesänderung.

Im Laufe des Sommers hatte der Churfürſt von Sach-
ſen
die mächtigeren geiſtlichen Fürſten, die Biſchöfe von Cölln,
Trier, Salzburg, Würzburg, Bamberg, Augsburg, in eige-
nen Anſchreiben erſucht, die Dinge zu einem beharrlichen
Frieden zu fördern; ſie hatten ihm im Ganzen ſehr befrie-
digende Antworten gegeben. Der päpſtliche Nuntius findet
die Biſchöfe feigherzig, aller Muth ſey ihnen gefallen, ſeit-
dem die Ankunft des Kaiſers in den dieſſeitigen Ländern ihnen
ſo wenig Vortheil gebracht habe.

Die Hauptſache aber war, daß in Denen die zu dem
Geſpräch beſonders abgeordnet waren, die Erfolge der in
den letzten Jahren geſchehenen Umwandlung ſich hervorthaten.
Der römiſche König hatte die fünf Churfürſten außer Sach-
ſen
, drei geiſtliche Fürſten, Magdeburg, Salzburg und Straß-
burg
, und drei weltliche, die beiden Herzoge von Baiern und
den Herzog von Cleve, als diejenigen bezeichnet welche die
elf Stimmen der Majorität im Geſpräche führen ſollten;
unter dieſen waren nun aber drei, die Abgeordneten der Chur-
fürſten von der Pfalz und von Brandenburg und des Her-
zogs von Cleve entweder ſehr zweifelhafter Geſinnung oder
den Prinzipien der Neuerung entſchieden zugethan.


1 Schreiben des Nuntius 8 Dec. S. Sria m’ha domandato
se pensava la scrittura poter esse finta, forse pensando ch’io l’ha-
vessi sognata per disturbare; ma torno(ai) a replicare che da
me S. Sria non sarà ingannata, ma sì di Lutherani.
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[197/0209] Geſpraͤch zu Worms. Actenſtück vor: Granvella erklärte es für unächt, ja er gab zu verſtehen, es möge wohl römiſcher Seits erdichtet ſeyn. 1 Auch in den Mitgliedern der alten Majorität zeigte ſich eine weſentliche Sinnesänderung. Im Laufe des Sommers hatte der Churfürſt von Sach- ſen die mächtigeren geiſtlichen Fürſten, die Biſchöfe von Cölln, Trier, Salzburg, Würzburg, Bamberg, Augsburg, in eige- nen Anſchreiben erſucht, die Dinge zu einem beharrlichen Frieden zu fördern; ſie hatten ihm im Ganzen ſehr befrie- digende Antworten gegeben. Der päpſtliche Nuntius findet die Biſchöfe feigherzig, aller Muth ſey ihnen gefallen, ſeit- dem die Ankunft des Kaiſers in den dieſſeitigen Ländern ihnen ſo wenig Vortheil gebracht habe. Die Hauptſache aber war, daß in Denen die zu dem Geſpräch beſonders abgeordnet waren, die Erfolge der in den letzten Jahren geſchehenen Umwandlung ſich hervorthaten. Der römiſche König hatte die fünf Churfürſten außer Sach- ſen, drei geiſtliche Fürſten, Magdeburg, Salzburg und Straß- burg, und drei weltliche, die beiden Herzoge von Baiern und den Herzog von Cleve, als diejenigen bezeichnet welche die elf Stimmen der Majorität im Geſpräche führen ſollten; unter dieſen waren nun aber drei, die Abgeordneten der Chur- fürſten von der Pfalz und von Brandenburg und des Her- zogs von Cleve entweder ſehr zweifelhafter Geſinnung oder den Prinzipien der Neuerung entſchieden zugethan. 1 Schreiben des Nuntius 8 Dec. S. Sria m’ha domandato se pensava la scrittura poter esse finta, forse pensando ch’io l’ha- vessi sognata per disturbare; ma torno(ai) a replicare che da me S. Sria non sarà ingannata, ma sì di Lutherani.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/209>, abgerufen am 24.11.2024.