Wie auch in andern Fällen so oft, jeder Theil vermu- thete von dem andern das Ärgste; es gab Leute, die das Feuer zu beiden Seiten schürten.
Im Dezember 1538 schrieb Matthias Held den Her- zogen von Baiern: er habe gewisse Kunde, daß der Land- graf im nächsten Frühjahr zum Angriff schreiten werde: an- fangs nur mit der Hülfe des Herzogs von Würtenberg, später, wenn die Sache glücklich gehe, mit Unterstützung des ganzen schmalkaldischen Bündnisses: er denke auf diese Weise der gesammten deutschen Nation mächtig zu werden. 1 Der vertrauteste Rath Ludwigs von Baiern, Weißenfelder, schrieb hierauf an Herzog Heinrich von Braunschweig: auch er gl[a]ube, der Krieg werde ausbrechen: besser man greife die Sache bei Zeiten an, als daß man sich überraschen lasse; es muß, fügte er hinzu, doch einmal seyn. 2 Auf der an- dern Seite erhielt Landgraf Philipp aufreizende und bei dem Schein des Rechts und der Friedfertigkeit bedrohende Briefe. Es schien fast, als habe eine Cabale heftiger Eiferer es darauf abgesehen, die reizbaren Nachbarn an einander zu bringen. Einst waren Landgraf Philipp und Herzog Hein- rich die vertrautesten Freunde und Cameraden gewesen. Man hatte Herzog Heinrich wohl sagen hören, er werde Leib und Gut, Haut und Haar bei dem Landgrafen aufsetzen; sollte einer seiner Söhne sich nicht dankbar gegen denselben be- weisen, den werde er selbst umbringen. Die Verschiedenheit der Religion hatte sie an sich noch nicht getrennt: in der würtenbergischen, in der dänischen Angelegenheit waren sie
1 Schreiben aus Neuhausen bei Worms. Bei HortlederI, 891.
Wie auch in andern Fällen ſo oft, jeder Theil vermu- thete von dem andern das Ärgſte; es gab Leute, die das Feuer zu beiden Seiten ſchürten.
Im Dezember 1538 ſchrieb Matthias Held den Her- zogen von Baiern: er habe gewiſſe Kunde, daß der Land- graf im nächſten Frühjahr zum Angriff ſchreiten werde: an- fangs nur mit der Hülfe des Herzogs von Würtenberg, ſpäter, wenn die Sache glücklich gehe, mit Unterſtützung des ganzen ſchmalkaldiſchen Bündniſſes: er denke auf dieſe Weiſe der geſammten deutſchen Nation mächtig zu werden. 1 Der vertrauteſte Rath Ludwigs von Baiern, Weißenfelder, ſchrieb hierauf an Herzog Heinrich von Braunſchweig: auch er gl[a]ube, der Krieg werde ausbrechen: beſſer man greife die Sache bei Zeiten an, als daß man ſich überraſchen laſſe; es muß, fügte er hinzu, doch einmal ſeyn. 2 Auf der an- dern Seite erhielt Landgraf Philipp aufreizende und bei dem Schein des Rechts und der Friedfertigkeit bedrohende Briefe. Es ſchien faſt, als habe eine Cabale heftiger Eiferer es darauf abgeſehen, die reizbaren Nachbarn an einander zu bringen. Einſt waren Landgraf Philipp und Herzog Hein- rich die vertrauteſten Freunde und Cameraden geweſen. Man hatte Herzog Heinrich wohl ſagen hören, er werde Leib und Gut, Haut und Haar bei dem Landgrafen aufſetzen; ſollte einer ſeiner Söhne ſich nicht dankbar gegen denſelben be- weiſen, den werde er ſelbſt umbringen. Die Verſchiedenheit der Religion hatte ſie an ſich noch nicht getrennt: in der würtenbergiſchen, in der däniſchen Angelegenheit waren ſie
1 Schreiben aus Neuhauſen bei Worms. Bei HortlederI, 891.
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Nuͤrnberger Buͤndniß.
Wie auch in andern Fällen ſo oft, jeder Theil vermu-
thete von dem andern das Ärgſte; es gab Leute, die das
Feuer zu beiden Seiten ſchürten.
Im Dezember 1538 ſchrieb Matthias Held den Her-
zogen von Baiern: er habe gewiſſe Kunde, daß der Land-
graf im nächſten Frühjahr zum Angriff ſchreiten werde: an-
fangs nur mit der Hülfe des Herzogs von Würtenberg,
ſpäter, wenn die Sache glücklich gehe, mit Unterſtützung des
ganzen ſchmalkaldiſchen Bündniſſes: er denke auf dieſe Weiſe
der geſammten deutſchen Nation mächtig zu werden. 1 Der
vertrauteſte Rath Ludwigs von Baiern, Weißenfelder, ſchrieb
hierauf an Herzog Heinrich von Braunſchweig: auch er
glaube, der Krieg werde ausbrechen: beſſer man greife die
Sache bei Zeiten an, als daß man ſich überraſchen laſſe;
es muß, fügte er hinzu, doch einmal ſeyn. 2 Auf der an-
dern Seite erhielt Landgraf Philipp aufreizende und bei dem
Schein des Rechts und der Friedfertigkeit bedrohende Briefe.
Es ſchien faſt, als habe eine Cabale heftiger Eiferer es
darauf abgeſehen, die reizbaren Nachbarn an einander zu
bringen. Einſt waren Landgraf Philipp und Herzog Hein-
rich die vertrauteſten Freunde und Cameraden geweſen. Man
hatte Herzog Heinrich wohl ſagen hören, er werde Leib und
Gut, Haut und Haar bei dem Landgrafen aufſetzen; ſollte
einer ſeiner Söhne ſich nicht dankbar gegen denſelben be-
weiſen, den werde er ſelbſt umbringen. Die Verſchiedenheit
der Religion hatte ſie an ſich noch nicht getrennt: in der
würtenbergiſchen, in der däniſchen Angelegenheit waren ſie
1 Schreiben aus Neuhauſen bei Worms. Bei Hortleder I, 891.
2 Muͤnchen. Bei Hortleder I, 883.
Ranke D. Geſch. IV. 8
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/125>, abgerufen am 27.11.2024.
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