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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Zweites Capitel.

Wir sehen, auf diese Weise erlangte der Bund bei wei-
tem nicht die Energie die man ursprünglich ihm zu geben
beabsichtigt: noch weniger gelang es, ihn so allgemein zu
machen, wie man gedacht: -- Churfürst Albrecht konnte nicht
einmal sein Capitel zu Mainz zum Beitritt bewegen.

Nichts desto weniger erfüllte er die kriegslustigen Fürsten
mit neuem Selbstgefühl.

Ganz ruhmredig meldet Heinrich von Braunschweig dem
Churfürsten von Brandenburg, daß er in Nürnberg gewesen
und nach abgeschlossenem Bund glücklich wieder nach Hause
gekommen sey, trotz aller Gefahren die er auf der Reise be-
standen, aller Feinde die auf ihn gelauert. 1 "Wir wissen nun
ihre Meinung," sagt er, "sie nicht die unsre, sollen sie aber
bald erfahren."

Und zu verkennen ist nicht, daß doch auch hiemit
eine große Gefahr eintrat. Sie liegt hauptsächlich darin,
daß die Verbündeten nur den Nürnberger Frieden anerkann-
ten, und kein Hehl daraus machten, wenn ein kammerge-
richtliches Urtel ergehe, dasselbe vollziehen, das erlangte Recht
vertheidigen zu wollen, 2 -- die Protestanten aber eben hie-
gegen ihren Bund anfangs geschlossen und zuletzt erneuert hatten.

Da so viele Processe schwebten, deren Entscheidung nicht
zweifelhaft seyn konnte, so war nichts anders zu erwarten,
als ein feindliches Zusammentreffen der beiden Bündnisse bei
der ersten Gelegenheit. Ja fast schien es, als werde es ei-
ner solchen Gelegenheit nicht einmal bedürfen, um die Fehde
zum Ausbruch zu bringen.


1 "wiewol des hin und wieder alle lücken woll bestellt gewe-
sen, das die leute meinen es solle uns solches gefeilet haben."
2 Carlowitz an Philipp, Neudecker Urkk. 316.
Siebentes Buch. Zweites Capitel.

Wir ſehen, auf dieſe Weiſe erlangte der Bund bei wei-
tem nicht die Energie die man urſprünglich ihm zu geben
beabſichtigt: noch weniger gelang es, ihn ſo allgemein zu
machen, wie man gedacht: — Churfürſt Albrecht konnte nicht
einmal ſein Capitel zu Mainz zum Beitritt bewegen.

Nichts deſto weniger erfüllte er die kriegsluſtigen Fürſten
mit neuem Selbſtgefühl.

Ganz ruhmredig meldet Heinrich von Braunſchweig dem
Churfürſten von Brandenburg, daß er in Nürnberg geweſen
und nach abgeſchloſſenem Bund glücklich wieder nach Hauſe
gekommen ſey, trotz aller Gefahren die er auf der Reiſe be-
ſtanden, aller Feinde die auf ihn gelauert. 1 „Wir wiſſen nun
ihre Meinung,“ ſagt er, „ſie nicht die unſre, ſollen ſie aber
bald erfahren.“

Und zu verkennen iſt nicht, daß doch auch hiemit
eine große Gefahr eintrat. Sie liegt hauptſächlich darin,
daß die Verbündeten nur den Nürnberger Frieden anerkann-
ten, und kein Hehl daraus machten, wenn ein kammerge-
richtliches Urtel ergehe, daſſelbe vollziehen, das erlangte Recht
vertheidigen zu wollen, 2 — die Proteſtanten aber eben hie-
gegen ihren Bund anfangs geſchloſſen und zuletzt erneuert hatten.

Da ſo viele Proceſſe ſchwebten, deren Entſcheidung nicht
zweifelhaft ſeyn konnte, ſo war nichts anders zu erwarten,
als ein feindliches Zuſammentreffen der beiden Bündniſſe bei
der erſten Gelegenheit. Ja faſt ſchien es, als werde es ei-
ner ſolchen Gelegenheit nicht einmal bedürfen, um die Fehde
zum Ausbruch zu bringen.


1 „wiewol des hin und wieder alle luͤcken woll beſtellt gewe-
ſen, das die leute meinen es ſolle uns ſolches gefeilet haben.“
2 Carlowitz an Philipp, Neudecker Urkk. 316.
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[112/0124] Siebentes Buch. Zweites Capitel. Wir ſehen, auf dieſe Weiſe erlangte der Bund bei wei- tem nicht die Energie die man urſprünglich ihm zu geben beabſichtigt: noch weniger gelang es, ihn ſo allgemein zu machen, wie man gedacht: — Churfürſt Albrecht konnte nicht einmal ſein Capitel zu Mainz zum Beitritt bewegen. Nichts deſto weniger erfüllte er die kriegsluſtigen Fürſten mit neuem Selbſtgefühl. Ganz ruhmredig meldet Heinrich von Braunſchweig dem Churfürſten von Brandenburg, daß er in Nürnberg geweſen und nach abgeſchloſſenem Bund glücklich wieder nach Hauſe gekommen ſey, trotz aller Gefahren die er auf der Reiſe be- ſtanden, aller Feinde die auf ihn gelauert. 1 „Wir wiſſen nun ihre Meinung,“ ſagt er, „ſie nicht die unſre, ſollen ſie aber bald erfahren.“ Und zu verkennen iſt nicht, daß doch auch hiemit eine große Gefahr eintrat. Sie liegt hauptſächlich darin, daß die Verbündeten nur den Nürnberger Frieden anerkann- ten, und kein Hehl daraus machten, wenn ein kammerge- richtliches Urtel ergehe, daſſelbe vollziehen, das erlangte Recht vertheidigen zu wollen, 2 — die Proteſtanten aber eben hie- gegen ihren Bund anfangs geſchloſſen und zuletzt erneuert hatten. Da ſo viele Proceſſe ſchwebten, deren Entſcheidung nicht zweifelhaft ſeyn konnte, ſo war nichts anders zu erwarten, als ein feindliches Zuſammentreffen der beiden Bündniſſe bei der erſten Gelegenheit. Ja faſt ſchien es, als werde es ei- ner ſolchen Gelegenheit nicht einmal bedürfen, um die Fehde zum Ausbruch zu bringen. 1 „wiewol des hin und wieder alle luͤcken woll beſtellt gewe- ſen, das die leute meinen es ſolle uns ſolches gefeilet haben.“ 2 Carlowitz an Philipp, Neudecker Urkk. 316.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/124>, abgerufen am 01.05.2024.