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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
verbündet gewesen. Aber mit der Religionssache durchdran-
gen sich so viel andre Interessen des Eigennutzes und Macht-
besitzes, daß der Hader immer bitterer und widerwärtiger
wurde. Für Herzog Heinrich war es unerträglich, daß Städte
wie Braunschweig und Goßlar, mit denen er von jeher in
Streit lag, und gegen die ihm ein kammergerichtliches Ur-
tel doppelte Rechte gegeben haben würde, durch den schmal-
kaldischen Bund vor ihm geschützt werden sollten. Er em-
pfand es übel, daß der König von Dänemark, um den auch
er Verdienste hatte, dem Bunde beitrat. Eben bei Gele-
genheit der zu diesem Beitritt nach Braunschweig angesetz-
ten Versammlung hat sich die Feindseligkeit des Herzogs
zuerst offen gezeigt. Er versagte dem Landgrafen das sichere
Geleit zur Reise; als dieser dennoch fortzog und mit sei-
nem Gefolge vor Wolfenbüttel vorüberritt, ließ er das Ge-
schütz der Feste über sie hin abgehn. 1 Seitdem war nun
an kein Verständniß weiter zu denken; den kriegerischen Rath-
schlägen gab eben Herzog Heinrich am meisten Gehör. Auf
jene Nachrichten Weißenfelders forderte er unverweilte Be-
rufung der Kriegsräthe und jede ernstliche Anstalt. In
dem Schreiben hierüber drückte er sich über seinen alten
Freund mit der gehässigsten Wegwerfung aus: wie derselbe
keine Ruhe mehr finde als auf der Jagd, des Nachts
nicht mehr schlafen könne: der wunderliche Mann werde
noch toll werden.

Der Zufall wollte nun, daß der Secretär welcher diese
Briefschaften bei sich trug und seinen Weg durch das Hes-
sische nahm, dem Landgrafen, der eben auf die Wolfsjagd

1 Lauze Hessische Chronik II, 333.

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
verbündet geweſen. Aber mit der Religionsſache durchdran-
gen ſich ſo viel andre Intereſſen des Eigennutzes und Macht-
beſitzes, daß der Hader immer bitterer und widerwärtiger
wurde. Für Herzog Heinrich war es unerträglich, daß Städte
wie Braunſchweig und Goßlar, mit denen er von jeher in
Streit lag, und gegen die ihm ein kammergerichtliches Ur-
tel doppelte Rechte gegeben haben würde, durch den ſchmal-
kaldiſchen Bund vor ihm geſchützt werden ſollten. Er em-
pfand es übel, daß der König von Dänemark, um den auch
er Verdienſte hatte, dem Bunde beitrat. Eben bei Gele-
genheit der zu dieſem Beitritt nach Braunſchweig angeſetz-
ten Verſammlung hat ſich die Feindſeligkeit des Herzogs
zuerſt offen gezeigt. Er verſagte dem Landgrafen das ſichere
Geleit zur Reiſe; als dieſer dennoch fortzog und mit ſei-
nem Gefolge vor Wolfenbüttel vorüberritt, ließ er das Ge-
ſchütz der Feſte über ſie hin abgehn. 1 Seitdem war nun
an kein Verſtändniß weiter zu denken; den kriegeriſchen Rath-
ſchlägen gab eben Herzog Heinrich am meiſten Gehör. Auf
jene Nachrichten Weißenfelders forderte er unverweilte Be-
rufung der Kriegsräthe und jede ernſtliche Anſtalt. In
dem Schreiben hierüber drückte er ſich über ſeinen alten
Freund mit der gehäſſigſten Wegwerfung aus: wie derſelbe
keine Ruhe mehr finde als auf der Jagd, des Nachts
nicht mehr ſchlafen könne: der wunderliche Mann werde
noch toll werden.

Der Zufall wollte nun, daß der Secretär welcher dieſe
Briefſchaften bei ſich trug und ſeinen Weg durch das Heſ-
ſiſche nahm, dem Landgrafen, der eben auf die Wolfsjagd

1 Lauze Heſſiſche Chronik II, 333.
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[114/0126] Siebentes Buch. Zweites Capitel. verbündet geweſen. Aber mit der Religionsſache durchdran- gen ſich ſo viel andre Intereſſen des Eigennutzes und Macht- beſitzes, daß der Hader immer bitterer und widerwärtiger wurde. Für Herzog Heinrich war es unerträglich, daß Städte wie Braunſchweig und Goßlar, mit denen er von jeher in Streit lag, und gegen die ihm ein kammergerichtliches Ur- tel doppelte Rechte gegeben haben würde, durch den ſchmal- kaldiſchen Bund vor ihm geſchützt werden ſollten. Er em- pfand es übel, daß der König von Dänemark, um den auch er Verdienſte hatte, dem Bunde beitrat. Eben bei Gele- genheit der zu dieſem Beitritt nach Braunſchweig angeſetz- ten Verſammlung hat ſich die Feindſeligkeit des Herzogs zuerſt offen gezeigt. Er verſagte dem Landgrafen das ſichere Geleit zur Reiſe; als dieſer dennoch fortzog und mit ſei- nem Gefolge vor Wolfenbüttel vorüberritt, ließ er das Ge- ſchütz der Feſte über ſie hin abgehn. 1 Seitdem war nun an kein Verſtändniß weiter zu denken; den kriegeriſchen Rath- ſchlägen gab eben Herzog Heinrich am meiſten Gehör. Auf jene Nachrichten Weißenfelders forderte er unverweilte Be- rufung der Kriegsräthe und jede ernſtliche Anſtalt. In dem Schreiben hierüber drückte er ſich über ſeinen alten Freund mit der gehäſſigſten Wegwerfung aus: wie derſelbe keine Ruhe mehr finde als auf der Jagd, des Nachts nicht mehr ſchlafen könne: der wunderliche Mann werde noch toll werden. Der Zufall wollte nun, daß der Secretär welcher dieſe Briefſchaften bei ſich trug und ſeinen Weg durch das Heſ- ſiſche nahm, dem Landgrafen, der eben auf die Wolfsjagd 1 Lauze Heſſiſche Chronik II, 333.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/126>, abgerufen am 27.11.2024.