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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Verfolgungen der Evangelischen.
sie ihm lästig falle, oder gar Gefahr zuziehe, wolle sie weiter
gehen, so weit ihre Augen sie weisen würden. Churfürst
Johann behielt sie jedoch bei sich und gab ihr Lichtenburg
ein, wo sie ganz ihrer frommen Ueberzeugung leben konnte.

So stand es aber in Deutschland: was man in einem
Theile besselben für die Summe der Frömmigkeit hielt, be-
strafte man in dem andern als das abscheulichste Verbre-
chen. Was man dort zu gründen trachtete, suchte man hier
unter jeder Bedingung durch jedes Mittel auszurotten.

Die Irrungen, welche Pack veranlaßte, sind recht be-
zeichnend für die politischen Rückwirkungen, die aus dem
geistlichen Streite entsprangen.

Allein dieß waren nicht die einzigen Feindseligkeiten,
welche es in Deutschland gab. Nicht minder lebhaft waren
die Zerwürfnisse, der in Folge der Entwickelung der schwei-
zerischen Kirche bereits unter den Evangelischen selbst aus-
gebrochen waren, und nach und nach auch schon zu politi-
schen Bedeutung heranwuchsen.

Wir können keinen Schritt weiter gehen, ohne sie nä-
her ins Auge zu fassen. Es liegt darin einer der wichtig-
sten Momente für den Fortgang des ganzen Ereignisses.


nicht, wie man gesagt hat. Sie war 1510 geboren und bereits im
Jahre 1527 (7. Juli) an Herzog Erich von Kalenberg verheirathet
worden. (Bünting Braunschw. Chronik II, 68b). Sollte sie im
März 1528 in Berlin gewesen seyn? Wenigstens im August die-
ses Jahres brachte sie ihren erstgeborenen Sohn zu Münden zur
Welt. Ihr Gemahl, 40 Jahr älter als sie, entzückt darüber, daß
er einen Erben hatte, gestattete ihr eine Bitte. Sie bat um die Be-
freiung eines Pfarrers, den man festgenommen, weil er das Abend-
mahl unter beiderlei Gestalt ausgetheilt hatte. (Vgl. Havemann Her-
zogin Elisabeth p. 13.) Und diese Fürstin soll ein paar Monate vor-
her die eigene Mutter angeklagt haben? Es ist alles gleich unwahr-
scheinlich.

Verfolgungen der Evangeliſchen.
ſie ihm läſtig falle, oder gar Gefahr zuziehe, wolle ſie weiter
gehen, ſo weit ihre Augen ſie weiſen würden. Churfürſt
Johann behielt ſie jedoch bei ſich und gab ihr Lichtenburg
ein, wo ſie ganz ihrer frommen Ueberzeugung leben konnte.

So ſtand es aber in Deutſchland: was man in einem
Theile beſſelben für die Summe der Frömmigkeit hielt, be-
ſtrafte man in dem andern als das abſcheulichſte Verbre-
chen. Was man dort zu gründen trachtete, ſuchte man hier
unter jeder Bedingung durch jedes Mittel auszurotten.

Die Irrungen, welche Pack veranlaßte, ſind recht be-
zeichnend für die politiſchen Rückwirkungen, die aus dem
geiſtlichen Streite entſprangen.

Allein dieß waren nicht die einzigen Feindſeligkeiten,
welche es in Deutſchland gab. Nicht minder lebhaft waren
die Zerwürfniſſe, der in Folge der Entwickelung der ſchwei-
zeriſchen Kirche bereits unter den Evangeliſchen ſelbſt aus-
gebrochen waren, und nach und nach auch ſchon zu politi-
ſchen Bedeutung heranwuchſen.

Wir können keinen Schritt weiter gehen, ohne ſie nä-
her ins Auge zu faſſen. Es liegt darin einer der wichtig-
ſten Momente für den Fortgang des ganzen Ereigniſſes.


nicht, wie man geſagt hat. Sie war 1510 geboren und bereits im
Jahre 1527 (7. Juli) an Herzog Erich von Kalenberg verheirathet
worden. (Buͤnting Braunſchw. Chronik II, 68b). Sollte ſie im
Maͤrz 1528 in Berlin geweſen ſeyn? Wenigſtens im Auguſt die-
ſes Jahres brachte ſie ihren erſtgeborenen Sohn zu Muͤnden zur
Welt. Ihr Gemahl, 40 Jahr aͤlter als ſie, entzuͤckt daruͤber, daß
er einen Erben hatte, geſtattete ihr eine Bitte. Sie bat um die Be-
freiung eines Pfarrers, den man feſtgenommen, weil er das Abend-
mahl unter beiderlei Geſtalt ausgetheilt hatte. (Vgl. Havemann Her-
zogin Eliſabeth p. 13.) Und dieſe Fuͤrſtin ſoll ein paar Monate vor-
her die eigene Mutter angeklagt haben? Es iſt alles gleich unwahr-
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[53/0069] Verfolgungen der Evangeliſchen. ſie ihm läſtig falle, oder gar Gefahr zuziehe, wolle ſie weiter gehen, ſo weit ihre Augen ſie weiſen würden. Churfürſt Johann behielt ſie jedoch bei ſich und gab ihr Lichtenburg ein, wo ſie ganz ihrer frommen Ueberzeugung leben konnte. So ſtand es aber in Deutſchland: was man in einem Theile beſſelben für die Summe der Frömmigkeit hielt, be- ſtrafte man in dem andern als das abſcheulichſte Verbre- chen. Was man dort zu gründen trachtete, ſuchte man hier unter jeder Bedingung durch jedes Mittel auszurotten. Die Irrungen, welche Pack veranlaßte, ſind recht be- zeichnend für die politiſchen Rückwirkungen, die aus dem geiſtlichen Streite entſprangen. Allein dieß waren nicht die einzigen Feindſeligkeiten, welche es in Deutſchland gab. Nicht minder lebhaft waren die Zerwürfniſſe, der in Folge der Entwickelung der ſchwei- zeriſchen Kirche bereits unter den Evangeliſchen ſelbſt aus- gebrochen waren, und nach und nach auch ſchon zu politi- ſchen Bedeutung heranwuchſen. Wir können keinen Schritt weiter gehen, ohne ſie nä- her ins Auge zu faſſen. Es liegt darin einer der wichtig- ſten Momente für den Fortgang des ganzen Ereigniſſes. 2 2 nicht, wie man geſagt hat. Sie war 1510 geboren und bereits im Jahre 1527 (7. Juli) an Herzog Erich von Kalenberg verheirathet worden. (Buͤnting Braunſchw. Chronik II, 68b). Sollte ſie im Maͤrz 1528 in Berlin geweſen ſeyn? Wenigſtens im Auguſt die- ſes Jahres brachte ſie ihren erſtgeborenen Sohn zu Muͤnden zur Welt. Ihr Gemahl, 40 Jahr aͤlter als ſie, entzuͤckt daruͤber, daß er einen Erben hatte, geſtattete ihr eine Bitte. Sie bat um die Be- freiung eines Pfarrers, den man feſtgenommen, weil er das Abend- mahl unter beiderlei Geſtalt ausgetheilt hatte. (Vgl. Havemann Her- zogin Eliſabeth p. 13.) Und dieſe Fuͤrſtin ſoll ein paar Monate vor- her die eigene Mutter angeklagt haben? Es iſt alles gleich unwahr- ſcheinlich.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/69>, abgerufen am 25.11.2024.