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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch Zweites Capitel.
Beobachtung der alten Cerimonien zu halten; keinen Pfarrer
ohne Zulassung des Ordinarius anzunehmen, die Geistlichen
in ihrem Besitz zu schützen, gegen die Uebertreter nach den
Mandaten päpstlicher Heiligkeit und kaiserlicher Majestät zu
verfahren. 1 Jedoch war nicht das ganze Land wie Fürst
und Stände gesinnt. Die erste nahmhafte Widersetzlichkeit
erfuhr Joachim II von seiner eigenen Gemahlin Elisabeth.
Sie schloß sich lieber an das ernestinische Haus Sachsen, von
dem sie stammte, an ihren Oheim Churfürst Johann an
als an ihren Gemahl, gegen den sie manche andre Klage
hatte; ihr Leibarzt Ratzenberger, Physicus zu Brandenburg,
einer der eifrigsten Bekenner der neuen Lehre vermittelte ihre
Verbindung mit Dr. Luther, dessen Bücher sie längst bewun-
derte und verehrte; endlich wagte sie es, insgeheim, in ihren
Gemächern, auf dem Schlosse zu Berlin das Abendmahl un-
ter beiderlei Gestalt zu nehmen; aber die Sache blieb nicht
verborgen: die ganze Heftigkeit ihres Gemahls erwachte; es
schien als wollte er die ergangenen Mandate auch an seiner
Gemahlin ausführen; er ließ sie in ihrem Zimmer einschlie-
ßen und soll sie bedroht haben, sie einmauern zu lassen.
Es gelang ihr jedoch zu entkommen. Mit einem Kammer-
diener und einer Jungfer, als Bäuerin, auf einem Bauerwa-
gen langte sie am 26. März 1528, zu Nacht in Torgau bei
dem Churfürsten von Sachsen an. 2 Sie erklärte ihm, wenn

1 Mandat. Donnerstag nach V. M. 4. Juli neuerdings bei
Müller Gesch. der Reform. in der Mark p. 138.
2 Nachricht Spalatins bei Menken II, 1116. Die Auszüge
Seckendorfs II, 42, add. III, sind nicht ganz genau. Auch glaube
ich an der Erzählung zweifeln zu dürfen, die sich dort findet und in so
viele Geschichten der Mark und ihrer Reformation verbreitet hat, daß
die Tochter der Churfürstin, des Namens Elisabeth, es gewesen sey, die
sie verrathen habe. Ein Mädchen von 14 Jahren war sie wenigstens

Fuͤnftes Buch Zweites Capitel.
Beobachtung der alten Cerimonien zu halten; keinen Pfarrer
ohne Zulaſſung des Ordinarius anzunehmen, die Geiſtlichen
in ihrem Beſitz zu ſchützen, gegen die Uebertreter nach den
Mandaten päpſtlicher Heiligkeit und kaiſerlicher Majeſtät zu
verfahren. 1 Jedoch war nicht das ganze Land wie Fürſt
und Stände geſinnt. Die erſte nahmhafte Widerſetzlichkeit
erfuhr Joachim II von ſeiner eigenen Gemahlin Eliſabeth.
Sie ſchloß ſich lieber an das erneſtiniſche Haus Sachſen, von
dem ſie ſtammte, an ihren Oheim Churfürſt Johann an
als an ihren Gemahl, gegen den ſie manche andre Klage
hatte; ihr Leibarzt Ratzenberger, Phyſicus zu Brandenburg,
einer der eifrigſten Bekenner der neuen Lehre vermittelte ihre
Verbindung mit Dr. Luther, deſſen Bücher ſie längſt bewun-
derte und verehrte; endlich wagte ſie es, insgeheim, in ihren
Gemächern, auf dem Schloſſe zu Berlin das Abendmahl un-
ter beiderlei Geſtalt zu nehmen; aber die Sache blieb nicht
verborgen: die ganze Heftigkeit ihres Gemahls erwachte; es
ſchien als wollte er die ergangenen Mandate auch an ſeiner
Gemahlin ausführen; er ließ ſie in ihrem Zimmer einſchlie-
ßen und ſoll ſie bedroht haben, ſie einmauern zu laſſen.
Es gelang ihr jedoch zu entkommen. Mit einem Kammer-
diener und einer Jungfer, als Bäuerin, auf einem Bauerwa-
gen langte ſie am 26. März 1528, zu Nacht in Torgau bei
dem Churfürſten von Sachſen an. 2 Sie erklärte ihm, wenn

1 Mandat. Donnerſtag nach V. M. 4. Juli neuerdings bei
Muͤller Geſch. der Reform. in der Mark p. 138.
2 Nachricht Spalatins bei Menken II, 1116. Die Auszuͤge
Seckendorfs II, 42, add. III, ſind nicht ganz genau. Auch glaube
ich an der Erzaͤhlung zweifeln zu duͤrfen, die ſich dort findet und in ſo
viele Geſchichten der Mark und ihrer Reformation verbreitet hat, daß
die Tochter der Churfuͤrſtin, des Namens Eliſabeth, es geweſen ſey, die
ſie verrathen habe. Ein Maͤdchen von 14 Jahren war ſie wenigſtens
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[52/0068] Fuͤnftes Buch Zweites Capitel. Beobachtung der alten Cerimonien zu halten; keinen Pfarrer ohne Zulaſſung des Ordinarius anzunehmen, die Geiſtlichen in ihrem Beſitz zu ſchützen, gegen die Uebertreter nach den Mandaten päpſtlicher Heiligkeit und kaiſerlicher Majeſtät zu verfahren. 1 Jedoch war nicht das ganze Land wie Fürſt und Stände geſinnt. Die erſte nahmhafte Widerſetzlichkeit erfuhr Joachim II von ſeiner eigenen Gemahlin Eliſabeth. Sie ſchloß ſich lieber an das erneſtiniſche Haus Sachſen, von dem ſie ſtammte, an ihren Oheim Churfürſt Johann an als an ihren Gemahl, gegen den ſie manche andre Klage hatte; ihr Leibarzt Ratzenberger, Phyſicus zu Brandenburg, einer der eifrigſten Bekenner der neuen Lehre vermittelte ihre Verbindung mit Dr. Luther, deſſen Bücher ſie längſt bewun- derte und verehrte; endlich wagte ſie es, insgeheim, in ihren Gemächern, auf dem Schloſſe zu Berlin das Abendmahl un- ter beiderlei Geſtalt zu nehmen; aber die Sache blieb nicht verborgen: die ganze Heftigkeit ihres Gemahls erwachte; es ſchien als wollte er die ergangenen Mandate auch an ſeiner Gemahlin ausführen; er ließ ſie in ihrem Zimmer einſchlie- ßen und ſoll ſie bedroht haben, ſie einmauern zu laſſen. Es gelang ihr jedoch zu entkommen. Mit einem Kammer- diener und einer Jungfer, als Bäuerin, auf einem Bauerwa- gen langte ſie am 26. März 1528, zu Nacht in Torgau bei dem Churfürſten von Sachſen an. 2 Sie erklärte ihm, wenn 1 Mandat. Donnerſtag nach V. M. 4. Juli neuerdings bei Muͤller Geſch. der Reform. in der Mark p. 138. 2 Nachricht Spalatins bei Menken II, 1116. Die Auszuͤge Seckendorfs II, 42, add. III, ſind nicht ganz genau. Auch glaube ich an der Erzaͤhlung zweifeln zu duͤrfen, die ſich dort findet und in ſo viele Geſchichten der Mark und ihrer Reformation verbreitet hat, daß die Tochter der Churfuͤrſtin, des Namens Eliſabeth, es geweſen ſey, die ſie verrathen habe. Ein Maͤdchen von 14 Jahren war ſie wenigſtens

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/68>, abgerufen am 25.11.2024.