Obgleich die Schweiz ein eigenthümliches Gemeinwesen bildete, und eine von dem Reiche unabhängige Politik ver- folgte, so war sie doch von denselben geistigen Trieben durch- drungen, welche unter den Deutschen namentlich den Ober- deutschen vorwalteten.
Die anticlericalischen Bestrebungen des Jahrhunderts hatten auch hier schon früh um sich gegriffen. Man bestritt die Exemtionen der Geistlichkeit von dem weltlichen Gericht, wie sie der Bischof von Chur, oder von außerordentlichen Auflagen, wie sie die im Thurgau possessionirten Prälaten und Capitel in Anspruch nahmen.
Eben so hatte das literarische Treiben der deutschen Poe- tenschulen hier gar bald Eingang gefunden. In Luzern, St. Gallen, Freiburg, Bern, Chur und Zürich finden wir ähnliche Anstalten. Es entstand auch hier ein ziemlich verbreitetes li- terarisches Publicum, für welches Erasmus, seitdem er sich in Basel niedergelassen, den lebendigen Mittelpunct bildete.
Daher kam es nun auch, daß die ersten Schriften Lu- thers in der Schweiz eine so große Theilnahme fanden. In Basel hat man sie zum ersten Mal zusammengedruckt. Schon
Drittes Capitel. Reformation in der Schweiz.
Obgleich die Schweiz ein eigenthümliches Gemeinweſen bildete, und eine von dem Reiche unabhängige Politik ver- folgte, ſo war ſie doch von denſelben geiſtigen Trieben durch- drungen, welche unter den Deutſchen namentlich den Ober- deutſchen vorwalteten.
Die anticlericaliſchen Beſtrebungen des Jahrhunderts hatten auch hier ſchon früh um ſich gegriffen. Man beſtritt die Exemtionen der Geiſtlichkeit von dem weltlichen Gericht, wie ſie der Biſchof von Chur, oder von außerordentlichen Auflagen, wie ſie die im Thurgau poſſeſſionirten Prälaten und Capitel in Anſpruch nahmen.
Eben ſo hatte das literariſche Treiben der deutſchen Poe- tenſchulen hier gar bald Eingang gefunden. In Luzern, St. Gallen, Freiburg, Bern, Chur und Zürich finden wir ähnliche Anſtalten. Es entſtand auch hier ein ziemlich verbreitetes li- terariſches Publicum, für welches Erasmus, ſeitdem er ſich in Baſel niedergelaſſen, den lebendigen Mittelpunct bildete.
Daher kam es nun auch, daß die erſten Schriften Lu- thers in der Schweiz eine ſo große Theilnahme fanden. In Baſel hat man ſie zum erſten Mal zuſammengedruckt. Schon
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[[54]/0070]
Drittes Capitel.
Reformation in der Schweiz.
Obgleich die Schweiz ein eigenthümliches Gemeinweſen
bildete, und eine von dem Reiche unabhängige Politik ver-
folgte, ſo war ſie doch von denſelben geiſtigen Trieben durch-
drungen, welche unter den Deutſchen namentlich den Ober-
deutſchen vorwalteten.
Die anticlericaliſchen Beſtrebungen des Jahrhunderts
hatten auch hier ſchon früh um ſich gegriffen. Man beſtritt
die Exemtionen der Geiſtlichkeit von dem weltlichen Gericht,
wie ſie der Biſchof von Chur, oder von außerordentlichen
Auflagen, wie ſie die im Thurgau poſſeſſionirten Prälaten
und Capitel in Anſpruch nahmen.
Eben ſo hatte das literariſche Treiben der deutſchen Poe-
tenſchulen hier gar bald Eingang gefunden. In Luzern, St.
Gallen, Freiburg, Bern, Chur und Zürich finden wir ähnliche
Anſtalten. Es entſtand auch hier ein ziemlich verbreitetes li-
terariſches Publicum, für welches Erasmus, ſeitdem er ſich in
Baſel niedergelaſſen, den lebendigen Mittelpunct bildete.
Daher kam es nun auch, daß die erſten Schriften Lu-
thers in der Schweiz eine ſo große Theilnahme fanden. In
Baſel hat man ſie zum erſten Mal zuſammengedruckt. Schon
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. [54]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/70>, abgerufen am 25.11.2024.
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