Man sieht jedoch, daß auch dieß mehr eine Verthei- digungsmaaßregel gegen etwanige Ausfälle der Belagerten war, als daß sich die Eroberung der Stadt davon hätte erwarten lassen. Diese zu bewerkstelligen, hielten auch die Kreise sich für nicht mächtig genug; sie beschlossen das ganze Reich zu Hülfe zu rufen.
Wie angedeutet, der Gang dieser Sache giebt recht eigentlich den Charakter des deutschen Gemeinwesens zu er- kennen. Nicht das Kaiserthum setzte sich in Bewegung um eine in offenbarer Rebellion begriffene Stadt zu bezwingen, sondern der Fürst, dem sie gehörte, und dessen nächste Nachbarn mußten es lange Zeit allein versuchen, bis die wachsende Gefahr immer weitere Bezirke und endlich die Gesammtheit, wiewohl nicht ohne Widerspruch, herbeizog.
Es war eins der ersten Reichsgeschäfte König Ferdi- nands nach seiner Anerkennung, daß er auf die Bitte der drei Kreise einging und auf den 4. April eine allgemeine Versammlung nach Worms ausschrieb.
Zwar erklärte sich nicht Jedermann damit einverstan- den; der Churfürst von Brandenburg z. B. behauptete, die drei Kreise seyen allein im Stande den Wiedertäufern ein Ende zu machen, und weigerte sich an allgemeinen Vor- kehrungen zu diesem Zweck Theil zu nehmen. Allein bei weitem die meisten Stände schickten doch ihre Ab- geordneten. Der Beschluß ward gefaßt, 11/4 Monat der letzten Reichshülfe auf alle Stände des Reichs auszuschrei- ben. Der Ertrag, der sich hiervon erwarten ließ, war wohl nicht so ansehnlich, um eine bedeutende Vermehrung der Streitmacht ins Feld zu stellen. Der Vortheil bestand
Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
Man ſieht jedoch, daß auch dieß mehr eine Verthei- digungsmaaßregel gegen etwanige Ausfälle der Belagerten war, als daß ſich die Eroberung der Stadt davon hätte erwarten laſſen. Dieſe zu bewerkſtelligen, hielten auch die Kreiſe ſich für nicht mächtig genug; ſie beſchloſſen das ganze Reich zu Hülfe zu rufen.
Wie angedeutet, der Gang dieſer Sache giebt recht eigentlich den Charakter des deutſchen Gemeinweſens zu er- kennen. Nicht das Kaiſerthum ſetzte ſich in Bewegung um eine in offenbarer Rebellion begriffene Stadt zu bezwingen, ſondern der Fürſt, dem ſie gehörte, und deſſen nächſte Nachbarn mußten es lange Zeit allein verſuchen, bis die wachſende Gefahr immer weitere Bezirke und endlich die Geſammtheit, wiewohl nicht ohne Widerſpruch, herbeizog.
Es war eins der erſten Reichsgeſchäfte König Ferdi- nands nach ſeiner Anerkennung, daß er auf die Bitte der drei Kreiſe einging und auf den 4. April eine allgemeine Verſammlung nach Worms ausſchrieb.
Zwar erklärte ſich nicht Jedermann damit einverſtan- den; der Churfürſt von Brandenburg z. B. behauptete, die drei Kreiſe ſeyen allein im Stande den Wiedertäufern ein Ende zu machen, und weigerte ſich an allgemeinen Vor- kehrungen zu dieſem Zweck Theil zu nehmen. Allein bei weitem die meiſten Stände ſchickten doch ihre Ab- geordneten. Der Beſchluß ward gefaßt, 1¼ Monat der letzten Reichshülfe auf alle Stände des Reichs auszuſchrei- ben. Der Ertrag, der ſich hiervon erwarten ließ, war wohl nicht ſo anſehnlich, um eine bedeutende Vermehrung der Streitmacht ins Feld zu ſtellen. Der Vortheil beſtand
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[552/0568]
Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
Man ſieht jedoch, daß auch dieß mehr eine Verthei-
digungsmaaßregel gegen etwanige Ausfälle der Belagerten
war, als daß ſich die Eroberung der Stadt davon hätte
erwarten laſſen. Dieſe zu bewerkſtelligen, hielten auch die
Kreiſe ſich für nicht mächtig genug; ſie beſchloſſen das ganze
Reich zu Hülfe zu rufen.
Wie angedeutet, der Gang dieſer Sache giebt recht
eigentlich den Charakter des deutſchen Gemeinweſens zu er-
kennen. Nicht das Kaiſerthum ſetzte ſich in Bewegung um eine
in offenbarer Rebellion begriffene Stadt zu bezwingen, ſondern
der Fürſt, dem ſie gehörte, und deſſen nächſte Nachbarn
mußten es lange Zeit allein verſuchen, bis die wachſende
Gefahr immer weitere Bezirke und endlich die Geſammtheit,
wiewohl nicht ohne Widerſpruch, herbeizog.
Es war eins der erſten Reichsgeſchäfte König Ferdi-
nands nach ſeiner Anerkennung, daß er auf die Bitte der
drei Kreiſe einging und auf den 4. April eine allgemeine
Verſammlung nach Worms ausſchrieb.
Zwar erklärte ſich nicht Jedermann damit einverſtan-
den; der Churfürſt von Brandenburg z. B. behauptete, die
drei Kreiſe ſeyen allein im Stande den Wiedertäufern ein
Ende zu machen, und weigerte ſich an allgemeinen Vor-
kehrungen zu dieſem Zweck Theil zu nehmen. Allein
bei weitem die meiſten Stände ſchickten doch ihre Ab-
geordneten. Der Beſchluß ward gefaßt, 1¼ Monat der
letzten Reichshülfe auf alle Stände des Reichs auszuſchrei-
ben. Der Ertrag, der ſich hiervon erwarten ließ, war
wohl nicht ſo anſehnlich, um eine bedeutende Vermehrung
der Streitmacht ins Feld zu ſtellen. Der Vortheil beſtand
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/568>, abgerufen am 22.11.2024.
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