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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
teuerliche Schwärmer mit Kanonen angreifen? Jener hes-
sische so eben verunglimpfte Prediger, des Namens Fa-
bricius, wandte alle seinen Einfluß an, dieß zu verhüten;
er ermahnte die zum Kampfe Bereiten des verwandten
Blutes zu schonen. Auch in einigen Mitgliedern des Ra-
thes regte sich Mitleiden, wenn nicht geheime Uebereinstim-
mung. Man bedachte doch, daß man auch Widerstand
finden, daß vielleicht in dem allgemeinen Getümmel der
Bischof sich zum Herrn der Stadt machen könne. Ge-
nug, statt zum Angriff zu schreiten, knüpfte man Unter-
handlungen an. Bevollmächtigte wurden ernannt, Geißeln
gegenseitig gegeben: endlich setzte man fest, daß ein Jeder
Gläubensfreiheit genießen, jedoch Frieden halten und in
weltlichen Dingen der Obrigkeit Gehorsam leisten solle. 1
Die Wiedergetauften hielten ihre Errettung nicht mit Un-
recht für einen Sieg. In einer ihrer Schriften, der Re-
stitution, heißt es: "die Angesichter der Christen," -- denn
diesen Namen legten sie sich ausschließlich bei, -- "wur-
den schön von Farbe." Auf dem Markt weissagten selbst
die Kinder von sieben Jahren: "Wir glauben nicht, daß
jemals eine größere Freude auf Erden gewesen ist."

Und in Wahrheit war dieß die Stunde, von welcher
an sie nun Tag für Tag bis zur entschiedenen Uebermacht
fortschritten.


ticule, eine in Münster gedruckte Schrift, aus der Arnold (Kirchen-
und Ketzerhistorie) die Besluytreden hat abdrucken lassen. Vergl. das
Bekenntniß von Jacob Hufschmidt bei Niesert p. 155.
1 Dorpius D. III. das ein jeder solt frei sein bei seinem Glau-
ben zu bleiben, solten alle widder heim ein jeder in sein haus zie-
hen, frieden haben und halten.

Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
teuerliche Schwärmer mit Kanonen angreifen? Jener heſ-
ſiſche ſo eben verunglimpfte Prediger, des Namens Fa-
bricius, wandte alle ſeinen Einfluß an, dieß zu verhüten;
er ermahnte die zum Kampfe Bereiten des verwandten
Blutes zu ſchonen. Auch in einigen Mitgliedern des Ra-
thes regte ſich Mitleiden, wenn nicht geheime Uebereinſtim-
mung. Man bedachte doch, daß man auch Widerſtand
finden, daß vielleicht in dem allgemeinen Getümmel der
Biſchof ſich zum Herrn der Stadt machen könne. Ge-
nug, ſtatt zum Angriff zu ſchreiten, knüpfte man Unter-
handlungen an. Bevollmächtigte wurden ernannt, Geißeln
gegenſeitig gegeben: endlich ſetzte man feſt, daß ein Jeder
Gläubensfreiheit genießen, jedoch Frieden halten und in
weltlichen Dingen der Obrigkeit Gehorſam leiſten ſolle. 1
Die Wiedergetauften hielten ihre Errettung nicht mit Un-
recht für einen Sieg. In einer ihrer Schriften, der Re-
ſtitution, heißt es: „die Angeſichter der Chriſten,“ — denn
dieſen Namen legten ſie ſich ausſchließlich bei, — „wur-
den ſchön von Farbe.“ Auf dem Markt weiſſagten ſelbſt
die Kinder von ſieben Jahren: „Wir glauben nicht, daß
jemals eine größere Freude auf Erden geweſen iſt.“

Und in Wahrheit war dieß die Stunde, von welcher
an ſie nun Tag für Tag bis zur entſchiedenen Uebermacht
fortſchritten.


ticule, eine in Muͤnſter gedruckte Schrift, aus der Arnold (Kirchen-
und Ketzerhiſtorie) die Beſluytreden hat abdrucken laſſen. Vergl. das
Bekenntniß von Jacob Hufſchmidt bei Nieſert p. 155.
1 Dorpius D. III. das ein jeder ſolt frei ſein bei ſeinem Glau-
ben zu bleiben, ſolten alle widder heim ein jeder in ſein haus zie-
hen, frieden haben und halten.
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[524/0540] Sechstes Buch. Neuntes Capitel. teuerliche Schwärmer mit Kanonen angreifen? Jener heſ- ſiſche ſo eben verunglimpfte Prediger, des Namens Fa- bricius, wandte alle ſeinen Einfluß an, dieß zu verhüten; er ermahnte die zum Kampfe Bereiten des verwandten Blutes zu ſchonen. Auch in einigen Mitgliedern des Ra- thes regte ſich Mitleiden, wenn nicht geheime Uebereinſtim- mung. Man bedachte doch, daß man auch Widerſtand finden, daß vielleicht in dem allgemeinen Getümmel der Biſchof ſich zum Herrn der Stadt machen könne. Ge- nug, ſtatt zum Angriff zu ſchreiten, knüpfte man Unter- handlungen an. Bevollmächtigte wurden ernannt, Geißeln gegenſeitig gegeben: endlich ſetzte man feſt, daß ein Jeder Gläubensfreiheit genießen, jedoch Frieden halten und in weltlichen Dingen der Obrigkeit Gehorſam leiſten ſolle. 1 Die Wiedergetauften hielten ihre Errettung nicht mit Un- recht für einen Sieg. In einer ihrer Schriften, der Re- ſtitution, heißt es: „die Angeſichter der Chriſten,“ — denn dieſen Namen legten ſie ſich ausſchließlich bei, — „wur- den ſchön von Farbe.“ Auf dem Markt weiſſagten ſelbſt die Kinder von ſieben Jahren: „Wir glauben nicht, daß jemals eine größere Freude auf Erden geweſen iſt.“ Und in Wahrheit war dieß die Stunde, von welcher an ſie nun Tag für Tag bis zur entſchiedenen Uebermacht fortſchritten. 1 1 Dorpius D. III. das ein jeder ſolt frei ſein bei ſeinem Glau- ben zu bleiben, ſolten alle widder heim ein jeder in ſein haus zie- hen, frieden haben und halten. 1 ticule, eine in Muͤnſter gedruckte Schrift, aus der Arnold (Kirchen- und Ketzerhiſtorie) die Beſluytreden hat abdrucken laſſen. Vergl. das Bekenntniß von Jacob Hufſchmidt bei Nieſert p. 155.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/540>, abgerufen am 22.05.2024.