Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Kampf beider Parteien in Münster.
Wehe über die Lasterhaften. Die Schmiedegesellen zwan-
gen den Rath, einen der Ihren, den man festgenommen,
weil er gepredigt hatte, herauszugeben.

Indessen waren sie noch nicht die Herren.

Am 8. Februar kam es zu einem Auflauf, in wel-
chem die Wiedertäufer den Marktplatz einnahmen, sey es
nun daß eine wirkliche oder eine eingebildete Gefahr sie
dazu veranlaßte, der Rath und die Nichtwiedergetauften
dagegen Mauern und Thore besetzten. Da zeigte sich doch,
daß die letzteren bei weitem das Uebergewicht der Anzahl
und der Macht hatten. Sie hatten Hülfe von den be-
nachbarten Bauern und dem Bischof. Sie fuhren Kano-
nen an den Zugängen zum Marktplatz auf; und Viele
meinten, daß man heute ein Ende machen, den Markt-
platz einnehmen, und die Wiedertäufer, von denen so
Viele ohnehin Fremde waren, vertreiben müsse. Schon
waren die Häuser der Nichtwiedergetauften mit Strohkrän-
zen bezeichnet, um sie bei der bevorstehenden Plünderung
schonen zu können. In den Wiedergetauften auf dem
Marktplatz dagegen brachten Enthusiasmus und Befürch-
tung, Muth und Gefahr eine exaltirte Stimmung hervor,
in der sie die wunderbarsten Gesichte erblickten: -- einen
Mann mit goldner Krone, ein Schwert in der einen, eine
Ruthe in der andern Hand; eine andere Mannesgestalt, die
Faust voll herauströpfelnden Blutes. Oder sie meinten
die Stadt von schwarzbraunem Feuer angefüllt zu sehen:
darüber den Reiter mit dem Schwert auf weißem Roß
aus der Apokalypse. 1 Sollte man nun aber so aben-

1 Restitutie des rechten und warrachtigen verstandes förniger ar-

Kampf beider Parteien in Muͤnſter.
Wehe über die Laſterhaften. Die Schmiedegeſellen zwan-
gen den Rath, einen der Ihren, den man feſtgenommen,
weil er gepredigt hatte, herauszugeben.

Indeſſen waren ſie noch nicht die Herren.

Am 8. Februar kam es zu einem Auflauf, in wel-
chem die Wiedertäufer den Marktplatz einnahmen, ſey es
nun daß eine wirkliche oder eine eingebildete Gefahr ſie
dazu veranlaßte, der Rath und die Nichtwiedergetauften
dagegen Mauern und Thore beſetzten. Da zeigte ſich doch,
daß die letzteren bei weitem das Uebergewicht der Anzahl
und der Macht hatten. Sie hatten Hülfe von den be-
nachbarten Bauern und dem Biſchof. Sie fuhren Kano-
nen an den Zugängen zum Marktplatz auf; und Viele
meinten, daß man heute ein Ende machen, den Markt-
platz einnehmen, und die Wiedertäufer, von denen ſo
Viele ohnehin Fremde waren, vertreiben müſſe. Schon
waren die Häuſer der Nichtwiedergetauften mit Strohkrän-
zen bezeichnet, um ſie bei der bevorſtehenden Plünderung
ſchonen zu können. In den Wiedergetauften auf dem
Marktplatz dagegen brachten Enthuſiasmus und Befürch-
tung, Muth und Gefahr eine exaltirte Stimmung hervor,
in der ſie die wunderbarſten Geſichte erblickten: — einen
Mann mit goldner Krone, ein Schwert in der einen, eine
Ruthe in der andern Hand; eine andere Mannesgeſtalt, die
Fauſt voll herauströpfelnden Blutes. Oder ſie meinten
die Stadt von ſchwarzbraunem Feuer angefüllt zu ſehen:
darüber den Reiter mit dem Schwert auf weißem Roß
aus der Apokalypſe. 1 Sollte man nun aber ſo aben-

1 Reſtitutie des rechten und warrachtigen verſtandes foͤrniger ar-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0539" n="523"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kampf beider Parteien in Mu&#x0364;n&#x017F;ter</hi>.</fw><lb/>
Wehe über die La&#x017F;terhaften. Die Schmiedege&#x017F;ellen zwan-<lb/>
gen den Rath, einen der Ihren, den man fe&#x017F;tgenommen,<lb/>
weil er gepredigt hatte, herauszugeben.</p><lb/>
            <p>Inde&#x017F;&#x017F;en waren &#x017F;ie noch nicht die Herren.</p><lb/>
            <p>Am 8. Februar kam es zu einem Auflauf, in wel-<lb/>
chem die Wiedertäufer den Marktplatz einnahmen, &#x017F;ey es<lb/>
nun daß eine wirkliche oder eine eingebildete Gefahr &#x017F;ie<lb/>
dazu veranlaßte, der Rath und die Nichtwiedergetauften<lb/>
dagegen Mauern und Thore be&#x017F;etzten. Da zeigte &#x017F;ich doch,<lb/>
daß die letzteren bei weitem das Uebergewicht der Anzahl<lb/>
und der Macht hatten. Sie hatten Hülfe von den be-<lb/>
nachbarten Bauern und dem Bi&#x017F;chof. Sie fuhren Kano-<lb/>
nen an den Zugängen zum Marktplatz auf; und Viele<lb/>
meinten, daß man heute ein Ende machen, den Markt-<lb/>
platz einnehmen, und die Wiedertäufer, von denen &#x017F;o<lb/>
Viele ohnehin Fremde waren, vertreiben mü&#x017F;&#x017F;e. Schon<lb/>
waren die Häu&#x017F;er der Nichtwiedergetauften mit Strohkrän-<lb/>
zen bezeichnet, um &#x017F;ie bei der bevor&#x017F;tehenden Plünderung<lb/>
&#x017F;chonen zu können. In den Wiedergetauften auf dem<lb/>
Marktplatz dagegen brachten Enthu&#x017F;iasmus und Befürch-<lb/>
tung, Muth und Gefahr eine exaltirte Stimmung hervor,<lb/>
in der &#x017F;ie die wunderbar&#x017F;ten Ge&#x017F;ichte erblickten: &#x2014; einen<lb/>
Mann mit goldner Krone, ein Schwert in der einen, eine<lb/>
Ruthe in der andern Hand; eine andere Mannesge&#x017F;talt, die<lb/>
Fau&#x017F;t voll herauströpfelnden Blutes. Oder &#x017F;ie meinten<lb/>
die Stadt von &#x017F;chwarzbraunem Feuer angefüllt zu &#x017F;ehen:<lb/>
darüber den Reiter mit dem Schwert auf weißem Roß<lb/>
aus der Apokalyp&#x017F;e. <note xml:id="seg2pn_37_1" next="#seg2pn_37_2" place="foot" n="1">Re&#x017F;titutie des rechten und warrachtigen ver&#x017F;tandes fo&#x0364;rniger ar-</note> Sollte man nun aber &#x017F;o aben-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[523/0539] Kampf beider Parteien in Muͤnſter. Wehe über die Laſterhaften. Die Schmiedegeſellen zwan- gen den Rath, einen der Ihren, den man feſtgenommen, weil er gepredigt hatte, herauszugeben. Indeſſen waren ſie noch nicht die Herren. Am 8. Februar kam es zu einem Auflauf, in wel- chem die Wiedertäufer den Marktplatz einnahmen, ſey es nun daß eine wirkliche oder eine eingebildete Gefahr ſie dazu veranlaßte, der Rath und die Nichtwiedergetauften dagegen Mauern und Thore beſetzten. Da zeigte ſich doch, daß die letzteren bei weitem das Uebergewicht der Anzahl und der Macht hatten. Sie hatten Hülfe von den be- nachbarten Bauern und dem Biſchof. Sie fuhren Kano- nen an den Zugängen zum Marktplatz auf; und Viele meinten, daß man heute ein Ende machen, den Markt- platz einnehmen, und die Wiedertäufer, von denen ſo Viele ohnehin Fremde waren, vertreiben müſſe. Schon waren die Häuſer der Nichtwiedergetauften mit Strohkrän- zen bezeichnet, um ſie bei der bevorſtehenden Plünderung ſchonen zu können. In den Wiedergetauften auf dem Marktplatz dagegen brachten Enthuſiasmus und Befürch- tung, Muth und Gefahr eine exaltirte Stimmung hervor, in der ſie die wunderbarſten Geſichte erblickten: — einen Mann mit goldner Krone, ein Schwert in der einen, eine Ruthe in der andern Hand; eine andere Mannesgeſtalt, die Fauſt voll herauströpfelnden Blutes. Oder ſie meinten die Stadt von ſchwarzbraunem Feuer angefüllt zu ſehen: darüber den Reiter mit dem Schwert auf weißem Roß aus der Apokalypſe. 1 Sollte man nun aber ſo aben- 1 Reſtitutie des rechten und warrachtigen verſtandes foͤrniger ar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/539
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/539>, abgerufen am 22.11.2024.